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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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von Dr. Carl Jentsch f

in vierten Bande des Jahrgangs 1912 der "Grenzboten" habe ich
den ersten Band der Biographie Josef Bachems angezeigt, die sein
Sohn, Dr. zur. Karl Bachem -- natürlich im Baadenschen Verlag -
herausgibt. Vom zweiten Bande, der schon 1912 erschienen, mir
aber erst kürzlich zugegangen ist, gilt noch mehr als vom ersten,
daß das (noch nicht vollendete) Werk eine Geschichte der katholischen Presse Deutsch¬
lands, in erster Linie selbstverständlich der Baadenschen Unternehmungen ist, in
der das Leben des Titelhelden sehr zurücktritt. Der zweite Band erzählt die Ge¬
schichte der beiden Vorgängerinnen der Kölnischen Blätter ("Kölnischen Volks¬
zeitung"), der Rheinischen und der Deutschen Volkshalle. Das schön ausgestattete
Buch enthält ein reiches Material von Urkunden und Beiträgen zur Geschichte der
preußischen Preßgesetzgebung und der deutschen Verfassungskämpfe, eine Menge
biographischer Skizzen von interessanten Persönlichkeiten und in den Anlagen unter
vielen anderem wichtige und schöne Briefe vom Grafen Montalembert. Von grund¬
sätzlicher und historischer Bedeutung ist, was der Verfasser S. 38 ff. über katho¬
lische Politik sagt. Die Religion sei allerdings Leitstern auch für die Politik, aber
so wenig der Schiffer mit dem Kompaß allein, ohne Berücksichtigung der jewei¬
ligen unmittelbaren Umgebung des Schiffes, auskomme, so wenig könne die Lösung
aller einzelnen politischen Fragen der Religion allein entnommen werden. "Darum
kann es eine katholische Politik nur geben in einem beschränkten Sinne und auf
einem beschränkten Gebiete. Es gibt eine katholische Politik in Beziehung auf
das Verhältnis zwischen Staat und Kirche, auf dem Gebiete der öffentlich recht¬
lichen Stellung der Kirche, des Schulwesens und auf manchen anderen die Re¬
ligion berührenden Gebieten. Auf allen diesen wird sich der Katholik ebenso an
den Grundsätzen seiner katholischen Weltanschauung orientieren, wie der Protestant
an seiner protestantischen und der Materialist an seiner materialistischen Welt¬
anschauung. Aber es gibt keine katholische Politik in Sachen der Verfassung, des
Wirtschaftslebens und der auswärtigen Angelegenheiten... Uns Heutigen sind
diese Grundsätze geläufigsie sind uns in Fleisch und Blut übergegangen. Aber
den Katholiken von 1848 warm sie noch keineswegs allgemein klar geworden."
Darum setzte es heftige Kämpfe im katholischen Preßlager. Die Frömmsten for¬
derten, da die Politik, in der man sich nicht einigen könne, nur Verwirrung an¬
richte, so sollten sich die katholischen Blätter ans das religiös-kirchliche Gebiet be¬
schränken: aber das wollten doch eben die Gründer der katholischen Zeitungen
nicht: reine Kirchenblättchen, deren man in genügender Zahl hatte, sollten diese
nicht sein. Und so kam es denn nicht bloß zu Zerwürfnissen zwischen dem west-




LatKollLa
von Dr. Carl Jentsch f

in vierten Bande des Jahrgangs 1912 der „Grenzboten" habe ich
den ersten Band der Biographie Josef Bachems angezeigt, die sein
Sohn, Dr. zur. Karl Bachem — natürlich im Baadenschen Verlag -
herausgibt. Vom zweiten Bande, der schon 1912 erschienen, mir
aber erst kürzlich zugegangen ist, gilt noch mehr als vom ersten,
daß das (noch nicht vollendete) Werk eine Geschichte der katholischen Presse Deutsch¬
lands, in erster Linie selbstverständlich der Baadenschen Unternehmungen ist, in
der das Leben des Titelhelden sehr zurücktritt. Der zweite Band erzählt die Ge¬
schichte der beiden Vorgängerinnen der Kölnischen Blätter („Kölnischen Volks¬
zeitung"), der Rheinischen und der Deutschen Volkshalle. Das schön ausgestattete
Buch enthält ein reiches Material von Urkunden und Beiträgen zur Geschichte der
preußischen Preßgesetzgebung und der deutschen Verfassungskämpfe, eine Menge
biographischer Skizzen von interessanten Persönlichkeiten und in den Anlagen unter
vielen anderem wichtige und schöne Briefe vom Grafen Montalembert. Von grund¬
sätzlicher und historischer Bedeutung ist, was der Verfasser S. 38 ff. über katho¬
lische Politik sagt. Die Religion sei allerdings Leitstern auch für die Politik, aber
so wenig der Schiffer mit dem Kompaß allein, ohne Berücksichtigung der jewei¬
ligen unmittelbaren Umgebung des Schiffes, auskomme, so wenig könne die Lösung
aller einzelnen politischen Fragen der Religion allein entnommen werden. „Darum
kann es eine katholische Politik nur geben in einem beschränkten Sinne und auf
einem beschränkten Gebiete. Es gibt eine katholische Politik in Beziehung auf
das Verhältnis zwischen Staat und Kirche, auf dem Gebiete der öffentlich recht¬
lichen Stellung der Kirche, des Schulwesens und auf manchen anderen die Re¬
ligion berührenden Gebieten. Auf allen diesen wird sich der Katholik ebenso an
den Grundsätzen seiner katholischen Weltanschauung orientieren, wie der Protestant
an seiner protestantischen und der Materialist an seiner materialistischen Welt¬
anschauung. Aber es gibt keine katholische Politik in Sachen der Verfassung, des
Wirtschaftslebens und der auswärtigen Angelegenheiten... Uns Heutigen sind
diese Grundsätze geläufigsie sind uns in Fleisch und Blut übergegangen. Aber
den Katholiken von 1848 warm sie noch keineswegs allgemein klar geworden."
Darum setzte es heftige Kämpfe im katholischen Preßlager. Die Frömmsten for¬
derten, da die Politik, in der man sich nicht einigen könne, nur Verwirrung an¬
richte, so sollten sich die katholischen Blätter ans das religiös-kirchliche Gebiet be¬
schränken: aber das wollten doch eben die Gründer der katholischen Zeitungen
nicht: reine Kirchenblättchen, deren man in genügender Zahl hatte, sollten diese
nicht sein. Und so kam es denn nicht bloß zu Zerwürfnissen zwischen dem west-


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[0232] [Abbildung] LatKollLa von Dr. Carl Jentsch f in vierten Bande des Jahrgangs 1912 der „Grenzboten" habe ich den ersten Band der Biographie Josef Bachems angezeigt, die sein Sohn, Dr. zur. Karl Bachem — natürlich im Baadenschen Verlag - herausgibt. Vom zweiten Bande, der schon 1912 erschienen, mir aber erst kürzlich zugegangen ist, gilt noch mehr als vom ersten, daß das (noch nicht vollendete) Werk eine Geschichte der katholischen Presse Deutsch¬ lands, in erster Linie selbstverständlich der Baadenschen Unternehmungen ist, in der das Leben des Titelhelden sehr zurücktritt. Der zweite Band erzählt die Ge¬ schichte der beiden Vorgängerinnen der Kölnischen Blätter („Kölnischen Volks¬ zeitung"), der Rheinischen und der Deutschen Volkshalle. Das schön ausgestattete Buch enthält ein reiches Material von Urkunden und Beiträgen zur Geschichte der preußischen Preßgesetzgebung und der deutschen Verfassungskämpfe, eine Menge biographischer Skizzen von interessanten Persönlichkeiten und in den Anlagen unter vielen anderem wichtige und schöne Briefe vom Grafen Montalembert. Von grund¬ sätzlicher und historischer Bedeutung ist, was der Verfasser S. 38 ff. über katho¬ lische Politik sagt. Die Religion sei allerdings Leitstern auch für die Politik, aber so wenig der Schiffer mit dem Kompaß allein, ohne Berücksichtigung der jewei¬ ligen unmittelbaren Umgebung des Schiffes, auskomme, so wenig könne die Lösung aller einzelnen politischen Fragen der Religion allein entnommen werden. „Darum kann es eine katholische Politik nur geben in einem beschränkten Sinne und auf einem beschränkten Gebiete. Es gibt eine katholische Politik in Beziehung auf das Verhältnis zwischen Staat und Kirche, auf dem Gebiete der öffentlich recht¬ lichen Stellung der Kirche, des Schulwesens und auf manchen anderen die Re¬ ligion berührenden Gebieten. Auf allen diesen wird sich der Katholik ebenso an den Grundsätzen seiner katholischen Weltanschauung orientieren, wie der Protestant an seiner protestantischen und der Materialist an seiner materialistischen Welt¬ anschauung. Aber es gibt keine katholische Politik in Sachen der Verfassung, des Wirtschaftslebens und der auswärtigen Angelegenheiten... Uns Heutigen sind diese Grundsätze geläufigsie sind uns in Fleisch und Blut übergegangen. Aber den Katholiken von 1848 warm sie noch keineswegs allgemein klar geworden." Darum setzte es heftige Kämpfe im katholischen Preßlager. Die Frömmsten for¬ derten, da die Politik, in der man sich nicht einigen könne, nur Verwirrung an¬ richte, so sollten sich die katholischen Blätter ans das religiös-kirchliche Gebiet be¬ schränken: aber das wollten doch eben die Gründer der katholischen Zeitungen nicht: reine Kirchenblättchen, deren man in genügender Zahl hatte, sollten diese nicht sein. Und so kam es denn nicht bloß zu Zerwürfnissen zwischen dem west-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/232>, abgerufen am 04.05.2024.