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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Bemerkungen zum Tage

I^nec! Es ist in diesen Heften schon darauf hingewiesen worden, einen wie
guten Empfang Herr Dr. Michaelis in der Presse und im Publikum gehabt hat,
als er durch den Kaiser an das Steuer des Reichsschiffes gestellt wurde. Wir
wollen aber doch nicht vergessen, daß dieser Empfang trotz der tatsächlichen
Leistungen, die Herr Michaelis als Organisator unserer Lebensmittelverhältnisse
vollbracht hat, doch in erster Linie zurückzuführen ist auf die allgemeine Erleichterung,
die durch die Nation ging, daß Herr von Bethmann Hollweg "endlich" fortging.
Vorwiegend aus diesem negativen Empfinden heraus, dem sich die Hoffnung
beigesellte, daß es "schlimmer mit der Reichsleitung nun nicht mehr werden
könnte" (ich zitiere hier fremde, nicht meine AnsichtI), ist der warme Empfang
zu verstehen. So anerkennenswert die bisherigen Leistungen und so herzerfrischend
sein Auftreten auch anmuten mag, sie erscheinen doch größer und kraftvoller
durch unseren Wunsch nach einer großen Persönlichkeit als durch sich selbst, --
Wir haben keinerlei Ursache, Herrn Dr. Michaelis den ihm gewordenen Empfang
SU mißgönnen; wir möchten aber doch davor warnen, daß eine künstliche Wärme
erzeugt wird, die den rauhen Winden aus politischen Enttäuschungen nie
und nimmer standhalten kann. Bitte, keine Vorschußlorbeeren I Daß Herr
L>r. Michaelis mit allerhand äußeren Attributen seiner Stellung ausgerüstet
wurde, u. a. zum Oberstleutnant aufstieg, hängt mit den Umständen zu-
sammen und erzeugt in der Masse kein schiefes Bild von den Ausmaßen
seiner Persönlichkeit und auch keine überspannten Hoffnungen bezüglich der
Zu erwartenden Leistungen. Solche falschen Vorstellungen aber entstehen, wenn
weitverbreitete und angesehene Witzblätter wie "Kladderadatsch" und "Lustige
Blätter" heute schon aus dem sechsten Kanzler einen "zweiten Bismarck" machen
Gut, wir wünschen, daß er es werde, und darum hoffen wir es und treten ihm
als Optimisten gegenüber. Aber das sollte vorläufig mehr privatim geschehen,
nicht öffentlich. Wir erschweren dem neuen Mann sein Amt, tragen Hoffnungen
ins Volk von einer grenzenlosen Überschwenglichkeit, daß später die größten Taten
schal erscheinen. Mit einem Wort: wir verderben uns den Geschmack an dem,
was Herr Michaelis wirklich ist. Das aber muß er erst noch zeigen. -- Erinnern
Wir uns, wie es mit dem U° Bootkrieg gegangen ist: nicht seine Leistungen sind ge>
rwger, als die Fachleute angekündigt hatten, im Gegenteil sind sie größer, --
aber die von einer überschwenglichen, zügellosen Presse im Volk künstlich ge-
züchteten Hoffnungen sind so überspannt worden, daß keine Leistung unserer
tapferen Blaujacken mehr genügen kann.

Darum, meine Herren Kollegen von Zeichenstift und Feder, verderbt uns
den Geschmack nicht an Michaelis! Haltet Euren Optimismus im Zaum. -- er¬
weist er sich als ein zweiter Bismarck. -- um so besser. -- aber vorläufig laßt
ih G. -Llemow n uns als Michaelis genießenl I^reel




Bemerkungen zum Tage

I^nec! Es ist in diesen Heften schon darauf hingewiesen worden, einen wie
guten Empfang Herr Dr. Michaelis in der Presse und im Publikum gehabt hat,
als er durch den Kaiser an das Steuer des Reichsschiffes gestellt wurde. Wir
wollen aber doch nicht vergessen, daß dieser Empfang trotz der tatsächlichen
Leistungen, die Herr Michaelis als Organisator unserer Lebensmittelverhältnisse
vollbracht hat, doch in erster Linie zurückzuführen ist auf die allgemeine Erleichterung,
die durch die Nation ging, daß Herr von Bethmann Hollweg „endlich" fortging.
Vorwiegend aus diesem negativen Empfinden heraus, dem sich die Hoffnung
beigesellte, daß es „schlimmer mit der Reichsleitung nun nicht mehr werden
könnte" (ich zitiere hier fremde, nicht meine AnsichtI), ist der warme Empfang
zu verstehen. So anerkennenswert die bisherigen Leistungen und so herzerfrischend
sein Auftreten auch anmuten mag, sie erscheinen doch größer und kraftvoller
durch unseren Wunsch nach einer großen Persönlichkeit als durch sich selbst, —
Wir haben keinerlei Ursache, Herrn Dr. Michaelis den ihm gewordenen Empfang
SU mißgönnen; wir möchten aber doch davor warnen, daß eine künstliche Wärme
erzeugt wird, die den rauhen Winden aus politischen Enttäuschungen nie
und nimmer standhalten kann. Bitte, keine Vorschußlorbeeren I Daß Herr
L>r. Michaelis mit allerhand äußeren Attributen seiner Stellung ausgerüstet
wurde, u. a. zum Oberstleutnant aufstieg, hängt mit den Umständen zu-
sammen und erzeugt in der Masse kein schiefes Bild von den Ausmaßen
seiner Persönlichkeit und auch keine überspannten Hoffnungen bezüglich der
Zu erwartenden Leistungen. Solche falschen Vorstellungen aber entstehen, wenn
weitverbreitete und angesehene Witzblätter wie „Kladderadatsch" und „Lustige
Blätter" heute schon aus dem sechsten Kanzler einen „zweiten Bismarck" machen
Gut, wir wünschen, daß er es werde, und darum hoffen wir es und treten ihm
als Optimisten gegenüber. Aber das sollte vorläufig mehr privatim geschehen,
nicht öffentlich. Wir erschweren dem neuen Mann sein Amt, tragen Hoffnungen
ins Volk von einer grenzenlosen Überschwenglichkeit, daß später die größten Taten
schal erscheinen. Mit einem Wort: wir verderben uns den Geschmack an dem,
was Herr Michaelis wirklich ist. Das aber muß er erst noch zeigen. — Erinnern
Wir uns, wie es mit dem U° Bootkrieg gegangen ist: nicht seine Leistungen sind ge>
rwger, als die Fachleute angekündigt hatten, im Gegenteil sind sie größer, —
aber die von einer überschwenglichen, zügellosen Presse im Volk künstlich ge-
züchteten Hoffnungen sind so überspannt worden, daß keine Leistung unserer
tapferen Blaujacken mehr genügen kann.

Darum, meine Herren Kollegen von Zeichenstift und Feder, verderbt uns
den Geschmack nicht an Michaelis! Haltet Euren Optimismus im Zaum. — er¬
weist er sich als ein zweiter Bismarck. — um so besser. — aber vorläufig laßt
ih G. -Llemow n uns als Michaelis genießenl I^reel


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/265>, abgerufen am 04.05.2024.