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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Erweitertes Erbrecht des Reiches
als Mittel zur Bekämpfung des Geburtenrückgänge-
von Paul Salomon

"WAn, da der Geldbedarf immer mehr wächst, wird mancher Gedanke
durchdringen, der früher auf erbitterten Widerstand stieß, sei es
aus grundsätzlichen Erwägungen gewesen oder (wenn auch un¬
bewußt) aus Rücksicht auf die eigenen Interessen. So wird sich
auch der Gedanke, daß das Reich unter gewissen Umständen erb¬
berechtigt ist, immer weiter durchsetzen. Der erste Verfechter dieser Auffassung,
Justizrat Bamberger, hat ja lange Jahre darauf hingewiesen, daß es mindestens
ebensoviel sittliche Berechtigung hat, wenn das Reich ein Vermögen erbt, als
wenn irgendein weit entfernter Verwandter, der vielleicht den Erblasser nie ge¬
kannt hat. in den Besitz der Erbschaft tritt -- und mählich ist der Gedanke zum
Gemeingut immer weiterer Kreise geworden.

Aber darüber hinaus hat das Reich ein Recht. Hand auf die Erbschaft
W legen, wenn höhere Notwendigkeit es fordert. Und das trifft für eine Frage
^l. von deren Lösung letzten Endes der Bestand des Reiches abhängt, für die
'"evölkerungsfrage. Denn niemand kann leugnen, daß das immer mehr ein¬
sende Zwei- und Einkindersystem uns bald zur Katastrophe führen muß.
Soweit die Gründe dafür psychologischer Natur sind, läßt sich dagegen mit den
Machtmitteln des Staates kaum ankämpfen -- wohl aber, soweit sie auf dem
Gebiet dessen liegen, was sich durch Geld oder Geldeswert ausdrücken läßt.
Das Vermögen soll zusammenbleiben, das Kind eine bessere Erziehung be-
ommen. dann noch Scheu vor Einschränkung in der Lebenshaltung, das sind
^ die Hauptgründe für die freiwillige Verminderung der Geburtenzahl. Und
°aß die Armen es nicht besser machen, sich auch sittlich nicht gebunden fühlen,
wenn sie das schlechte Betspiel der Reichen sehen, das ist klar. Hier mit allen
Mitteln einzugreifen, ist Recht und Pflicht des Reiches -- um seiner eigenen
Zukunft, um der Zukunft des deutschen Volkes willen.

Kein besser Mittel gibt es. ein Übel zu bekämpfen, denn seine Quellen
verstopfen, das aber heißt in diesem Falle: erhöhte Belastung der kinder-
armer Haushaltungen, so hoch, daß sie sich nicht besser stehen, als die kinder¬
reichen Familien, durch ein Miterbrecht des Reiches. Eine Abstufung der
steuern nach der Kinderzahl aus Rücksicht auf die kinderreichen Familien




Erweitertes Erbrecht des Reiches
als Mittel zur Bekämpfung des Geburtenrückgänge-
von Paul Salomon

«WAn, da der Geldbedarf immer mehr wächst, wird mancher Gedanke
durchdringen, der früher auf erbitterten Widerstand stieß, sei es
aus grundsätzlichen Erwägungen gewesen oder (wenn auch un¬
bewußt) aus Rücksicht auf die eigenen Interessen. So wird sich
auch der Gedanke, daß das Reich unter gewissen Umständen erb¬
berechtigt ist, immer weiter durchsetzen. Der erste Verfechter dieser Auffassung,
Justizrat Bamberger, hat ja lange Jahre darauf hingewiesen, daß es mindestens
ebensoviel sittliche Berechtigung hat, wenn das Reich ein Vermögen erbt, als
wenn irgendein weit entfernter Verwandter, der vielleicht den Erblasser nie ge¬
kannt hat. in den Besitz der Erbschaft tritt — und mählich ist der Gedanke zum
Gemeingut immer weiterer Kreise geworden.

Aber darüber hinaus hat das Reich ein Recht. Hand auf die Erbschaft
W legen, wenn höhere Notwendigkeit es fordert. Und das trifft für eine Frage
^l. von deren Lösung letzten Endes der Bestand des Reiches abhängt, für die
'«evölkerungsfrage. Denn niemand kann leugnen, daß das immer mehr ein¬
sende Zwei- und Einkindersystem uns bald zur Katastrophe führen muß.
Soweit die Gründe dafür psychologischer Natur sind, läßt sich dagegen mit den
Machtmitteln des Staates kaum ankämpfen — wohl aber, soweit sie auf dem
Gebiet dessen liegen, was sich durch Geld oder Geldeswert ausdrücken läßt.
Das Vermögen soll zusammenbleiben, das Kind eine bessere Erziehung be-
ommen. dann noch Scheu vor Einschränkung in der Lebenshaltung, das sind
^ die Hauptgründe für die freiwillige Verminderung der Geburtenzahl. Und
°aß die Armen es nicht besser machen, sich auch sittlich nicht gebunden fühlen,
wenn sie das schlechte Betspiel der Reichen sehen, das ist klar. Hier mit allen
Mitteln einzugreifen, ist Recht und Pflicht des Reiches — um seiner eigenen
Zukunft, um der Zukunft des deutschen Volkes willen.

Kein besser Mittel gibt es. ein Übel zu bekämpfen, denn seine Quellen
verstopfen, das aber heißt in diesem Falle: erhöhte Belastung der kinder-
armer Haushaltungen, so hoch, daß sie sich nicht besser stehen, als die kinder¬
reichen Familien, durch ein Miterbrecht des Reiches. Eine Abstufung der
steuern nach der Kinderzahl aus Rücksicht auf die kinderreichen Familien


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[0309] [Abbildung] Erweitertes Erbrecht des Reiches als Mittel zur Bekämpfung des Geburtenrückgänge- von Paul Salomon «WAn, da der Geldbedarf immer mehr wächst, wird mancher Gedanke durchdringen, der früher auf erbitterten Widerstand stieß, sei es aus grundsätzlichen Erwägungen gewesen oder (wenn auch un¬ bewußt) aus Rücksicht auf die eigenen Interessen. So wird sich auch der Gedanke, daß das Reich unter gewissen Umständen erb¬ berechtigt ist, immer weiter durchsetzen. Der erste Verfechter dieser Auffassung, Justizrat Bamberger, hat ja lange Jahre darauf hingewiesen, daß es mindestens ebensoviel sittliche Berechtigung hat, wenn das Reich ein Vermögen erbt, als wenn irgendein weit entfernter Verwandter, der vielleicht den Erblasser nie ge¬ kannt hat. in den Besitz der Erbschaft tritt — und mählich ist der Gedanke zum Gemeingut immer weiterer Kreise geworden. Aber darüber hinaus hat das Reich ein Recht. Hand auf die Erbschaft W legen, wenn höhere Notwendigkeit es fordert. Und das trifft für eine Frage ^l. von deren Lösung letzten Endes der Bestand des Reiches abhängt, für die '«evölkerungsfrage. Denn niemand kann leugnen, daß das immer mehr ein¬ sende Zwei- und Einkindersystem uns bald zur Katastrophe führen muß. Soweit die Gründe dafür psychologischer Natur sind, läßt sich dagegen mit den Machtmitteln des Staates kaum ankämpfen — wohl aber, soweit sie auf dem Gebiet dessen liegen, was sich durch Geld oder Geldeswert ausdrücken läßt. Das Vermögen soll zusammenbleiben, das Kind eine bessere Erziehung be- ommen. dann noch Scheu vor Einschränkung in der Lebenshaltung, das sind ^ die Hauptgründe für die freiwillige Verminderung der Geburtenzahl. Und °aß die Armen es nicht besser machen, sich auch sittlich nicht gebunden fühlen, wenn sie das schlechte Betspiel der Reichen sehen, das ist klar. Hier mit allen Mitteln einzugreifen, ist Recht und Pflicht des Reiches — um seiner eigenen Zukunft, um der Zukunft des deutschen Volkes willen. Kein besser Mittel gibt es. ein Übel zu bekämpfen, denn seine Quellen verstopfen, das aber heißt in diesem Falle: erhöhte Belastung der kinder- armer Haushaltungen, so hoch, daß sie sich nicht besser stehen, als die kinder¬ reichen Familien, durch ein Miterbrecht des Reiches. Eine Abstufung der steuern nach der Kinderzahl aus Rücksicht auf die kinderreichen Familien

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/309>, abgerufen am 04.05.2024.