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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.

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Der Würzburger Parteitag
Dr, Friedrich Thinae von

om 14. bis zum 20. Oktober hat in Würzburg der Parteitag der
Sozialdemokratie getagt. Rein äußerlich und zahlenmäßig be¬
trachtet, bot er nicht das glänzende Bild früherer Versammlungen.
Die Parteispaltung hat große Lücken in die Organisation gerissen.
So nahmen an dem Parteitage nur 364 Mitglieder teil. Ver¬
treten waren 258Kreise durch282 Vertreter; außerdem beteiligten sick
56 Reichstagsabgeordnete. Stärker noch als durch die Parteispaltung ist die
Mitgliederzahl durch den Krieg dezimiert. Unter den Gegnern der Sozial¬
demokratie hat die offene Bekanntgabe der Mitgliederzahl rin Bericht des Partei¬
vorstandes hellen Jubel ausgelöst: nun sei erwiesen, daß es mit der Sozial¬
demokratie reißend bergab gehe, und daß das Volk sich unter dem Einfluß des
Krieges immer mehr von ihr abwende. Dem objektiven Historiker scheint
Su solchem Jubel wenig Anlaß zu sein. Die sozialdemokratische Aufstellung
rechne: nur die regelmäßigen Zahler; die Genossen im Felde, die nach der An¬
gabe Eberts. des Parteivorsitzenden, mindestens 70 Prozent ausmachen --
welche andere Partei kann sich rühmen, einen so hohen Prozentsatz von Vater¬
landsverteidigern gestellt zu haben? --, sind also in der Aufstellung aus¬
nahmslos nicht einbezogen. Es ist wenig wahrscheinlich, daß diese Genossen
damit auch innerlich aus der Partei ausgeschieden und ihr geistig fremd ge¬
worden seien; im Gegenteil, es unterliegt keinem Zweifel, daß unter unseren
Feldgrauen, an der Front wie in der Etappe die Zahl der Sozialdemokraten
lich vervielfacht hat. Auch darf nicht außer acht bleiben, daß die Sozial-
demokratie, eben weil sie die größte Partei ist und weil sie unter allen Par¬
tien das größte Kontingent für die Verteidigung des Vaterlandes gestellt hat,
"n Kriege' die größten Verlustzisfern erleiden mußte. Wer anqesichts solcher
Tatsachen über den Rückgang der sozialdemokratischen Mitgliederzahl spotten
kann, der beweist wenig Ehrfurcht vor demi, was uns am heiligsten sem sollte:
vor dem Heldentod fürs Vaterland. Die Hunderttausende von Sozialdemokraten,
die ihre Treue für das Vaterland mit ihrem Blute besiegelt haben, werden der
Partei nicht verloren sein. Sie sichern über ihren Tod hinaus für alle Zeiten
'hre Partei vor dem Vorwurf der Vaterlandsfeindlichkeit; sie reihen für immer
'hre Partei den nationalen Parteien ein. und sie bürgen zugleich dafür, daß
sie diesen Ehrenplatz dauernd behaupten und festhalten wird.


Grmzbnlen IV 1917 "


Der Würzburger Parteitag
Dr, Friedrich Thinae von

om 14. bis zum 20. Oktober hat in Würzburg der Parteitag der
Sozialdemokratie getagt. Rein äußerlich und zahlenmäßig be¬
trachtet, bot er nicht das glänzende Bild früherer Versammlungen.
Die Parteispaltung hat große Lücken in die Organisation gerissen.
So nahmen an dem Parteitage nur 364 Mitglieder teil. Ver¬
treten waren 258Kreise durch282 Vertreter; außerdem beteiligten sick
56 Reichstagsabgeordnete. Stärker noch als durch die Parteispaltung ist die
Mitgliederzahl durch den Krieg dezimiert. Unter den Gegnern der Sozial¬
demokratie hat die offene Bekanntgabe der Mitgliederzahl rin Bericht des Partei¬
vorstandes hellen Jubel ausgelöst: nun sei erwiesen, daß es mit der Sozial¬
demokratie reißend bergab gehe, und daß das Volk sich unter dem Einfluß des
Krieges immer mehr von ihr abwende. Dem objektiven Historiker scheint
Su solchem Jubel wenig Anlaß zu sein. Die sozialdemokratische Aufstellung
rechne: nur die regelmäßigen Zahler; die Genossen im Felde, die nach der An¬
gabe Eberts. des Parteivorsitzenden, mindestens 70 Prozent ausmachen —
welche andere Partei kann sich rühmen, einen so hohen Prozentsatz von Vater¬
landsverteidigern gestellt zu haben? —, sind also in der Aufstellung aus¬
nahmslos nicht einbezogen. Es ist wenig wahrscheinlich, daß diese Genossen
damit auch innerlich aus der Partei ausgeschieden und ihr geistig fremd ge¬
worden seien; im Gegenteil, es unterliegt keinem Zweifel, daß unter unseren
Feldgrauen, an der Front wie in der Etappe die Zahl der Sozialdemokraten
lich vervielfacht hat. Auch darf nicht außer acht bleiben, daß die Sozial-
demokratie, eben weil sie die größte Partei ist und weil sie unter allen Par¬
tien das größte Kontingent für die Verteidigung des Vaterlandes gestellt hat,
"n Kriege' die größten Verlustzisfern erleiden mußte. Wer anqesichts solcher
Tatsachen über den Rückgang der sozialdemokratischen Mitgliederzahl spotten
kann, der beweist wenig Ehrfurcht vor demi, was uns am heiligsten sem sollte:
vor dem Heldentod fürs Vaterland. Die Hunderttausende von Sozialdemokraten,
die ihre Treue für das Vaterland mit ihrem Blute besiegelt haben, werden der
Partei nicht verloren sein. Sie sichern über ihren Tod hinaus für alle Zeiten
'hre Partei vor dem Vorwurf der Vaterlandsfeindlichkeit; sie reihen für immer
'hre Partei den nationalen Parteien ein. und sie bürgen zugleich dafür, daß
sie diesen Ehrenplatz dauernd behaupten und festhalten wird.


Grmzbnlen IV 1917 "
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[0141] [Abbildung] Der Würzburger Parteitag Dr, Friedrich Thinae von om 14. bis zum 20. Oktober hat in Würzburg der Parteitag der Sozialdemokratie getagt. Rein äußerlich und zahlenmäßig be¬ trachtet, bot er nicht das glänzende Bild früherer Versammlungen. Die Parteispaltung hat große Lücken in die Organisation gerissen. So nahmen an dem Parteitage nur 364 Mitglieder teil. Ver¬ treten waren 258Kreise durch282 Vertreter; außerdem beteiligten sick 56 Reichstagsabgeordnete. Stärker noch als durch die Parteispaltung ist die Mitgliederzahl durch den Krieg dezimiert. Unter den Gegnern der Sozial¬ demokratie hat die offene Bekanntgabe der Mitgliederzahl rin Bericht des Partei¬ vorstandes hellen Jubel ausgelöst: nun sei erwiesen, daß es mit der Sozial¬ demokratie reißend bergab gehe, und daß das Volk sich unter dem Einfluß des Krieges immer mehr von ihr abwende. Dem objektiven Historiker scheint Su solchem Jubel wenig Anlaß zu sein. Die sozialdemokratische Aufstellung rechne: nur die regelmäßigen Zahler; die Genossen im Felde, die nach der An¬ gabe Eberts. des Parteivorsitzenden, mindestens 70 Prozent ausmachen — welche andere Partei kann sich rühmen, einen so hohen Prozentsatz von Vater¬ landsverteidigern gestellt zu haben? —, sind also in der Aufstellung aus¬ nahmslos nicht einbezogen. Es ist wenig wahrscheinlich, daß diese Genossen damit auch innerlich aus der Partei ausgeschieden und ihr geistig fremd ge¬ worden seien; im Gegenteil, es unterliegt keinem Zweifel, daß unter unseren Feldgrauen, an der Front wie in der Etappe die Zahl der Sozialdemokraten lich vervielfacht hat. Auch darf nicht außer acht bleiben, daß die Sozial- demokratie, eben weil sie die größte Partei ist und weil sie unter allen Par¬ tien das größte Kontingent für die Verteidigung des Vaterlandes gestellt hat, "n Kriege' die größten Verlustzisfern erleiden mußte. Wer anqesichts solcher Tatsachen über den Rückgang der sozialdemokratischen Mitgliederzahl spotten kann, der beweist wenig Ehrfurcht vor demi, was uns am heiligsten sem sollte: vor dem Heldentod fürs Vaterland. Die Hunderttausende von Sozialdemokraten, die ihre Treue für das Vaterland mit ihrem Blute besiegelt haben, werden der Partei nicht verloren sein. Sie sichern über ihren Tod hinaus für alle Zeiten 'hre Partei vor dem Vorwurf der Vaterlandsfeindlichkeit; sie reihen für immer 'hre Partei den nationalen Parteien ein. und sie bürgen zugleich dafür, daß sie diesen Ehrenplatz dauernd behaupten und festhalten wird. Grmzbnlen IV 1917 "

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/141>, abgerufen am 07.05.2024.