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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.

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Martin Lucher, der deutsche Reformator
Pastor Ille, !v. Thinae von

as Jubiläum, das die deutsche evangelische Christenheit am
^'10. November 1883 feierte, war naturgemäß in erster Linie als
Lutherfest gedacht. Aber "gegenüber der Machtentfaltung des
Ultramontanismus seit der Unfehlbarkeitserklärung des Papsttums
wurde der vierhundertjährige Gedenktag der Geburt Luthers für
den gesamten Protestantismus der erwünschte Anlaß, sich auf die geistigen Güter
der Reformation zu besinnen und wie mit elementarer Gewalt für die Prin.
zipien des Protestantismus Zeugnis abzulegen" (Kurtz "Lehrbuch der Kirchen¬
geschichte" 14. Aufl. § 178,10). Unsere diesjährige Jubelfeier, die dem 31. Ok¬
tober, dem Tag des Thesenanschlages, gilt, in dem wir Protestanten den
wichtigsten Markstein der neueren Geschichte erblicken, sollte vor allem -- seit
Jahr und Tag sprach man davon -- Reformationsfest sein. Man sieht jedoch,
wie nicht nur die Anlässe, sondern auch und erst recht die Zeitverhältnisse den
Feiern ihr Gepräge geben. Damals zitterte der Zorn des abflauenden Kultur¬
kampfes in allen Gemütern nach, das konfessionelle Bewußtsein war aufs leb¬
hafteste angeregt. So fesselte weniger Luthers Person als sein Werk, die
Kirchentrennung, und die sie begründenden reformatorischen Kerngedanken die
Aufmerksamkeit der bewußt evangelischen Kreise. Die gegenwärtige Lage da-
gegen wird ganz vom Weltkrieg und seinen Problemen beherrscht. Man darf
wohl behaupten, obwohl die fromme Begeisterung der ersten Kriegsmonate
verflogen ist, daß das religiöse Leben unseres Volkes durch den Krieg eine Be¬
reicherung und Vertiefung erfahren hat. Aber die Bekenntnisnnterschiede sind
stark, auf evangelischer Seite vielfach wohl ungebührlich stark, in den Hinter¬
grund getreten, das allgemein christliche Empfinden, das den Protestanten mit
dem Katholiken verbindet, überwiegt. Es wäre kaum nötig gewesen, daß die
leitenden Stellen und die kirchliche Presse zum Neformationsjubiläum die Parole
ausgaben, alle konfessionelle Polemik zu vermeiden. Niemand würde auch
nur daran gedacht haben, kulturkämpferische Töne anzuschlagen. So kommt
es von selbst -- die bisher erschienene Jubiläumsliteratur legt bereits Zeugnis
dafür ab. und die Feiern und Festreden des 31. Oktober dürften es demnächst
beweisen --. daß Luther als Charakter, als Glaubensheld, als wundervolle
männliche, deutsch-christliche Persönlichkeit im Mittelpunkt der Jubiläumsfeier
steht. Der 31. Oktober 1917 wird mehr Luther- als Reformationsfest fein.




Martin Lucher, der deutsche Reformator
Pastor Ille, !v. Thinae von

as Jubiläum, das die deutsche evangelische Christenheit am
^'10. November 1883 feierte, war naturgemäß in erster Linie als
Lutherfest gedacht. Aber „gegenüber der Machtentfaltung des
Ultramontanismus seit der Unfehlbarkeitserklärung des Papsttums
wurde der vierhundertjährige Gedenktag der Geburt Luthers für
den gesamten Protestantismus der erwünschte Anlaß, sich auf die geistigen Güter
der Reformation zu besinnen und wie mit elementarer Gewalt für die Prin.
zipien des Protestantismus Zeugnis abzulegen" (Kurtz „Lehrbuch der Kirchen¬
geschichte" 14. Aufl. § 178,10). Unsere diesjährige Jubelfeier, die dem 31. Ok¬
tober, dem Tag des Thesenanschlages, gilt, in dem wir Protestanten den
wichtigsten Markstein der neueren Geschichte erblicken, sollte vor allem — seit
Jahr und Tag sprach man davon — Reformationsfest sein. Man sieht jedoch,
wie nicht nur die Anlässe, sondern auch und erst recht die Zeitverhältnisse den
Feiern ihr Gepräge geben. Damals zitterte der Zorn des abflauenden Kultur¬
kampfes in allen Gemütern nach, das konfessionelle Bewußtsein war aufs leb¬
hafteste angeregt. So fesselte weniger Luthers Person als sein Werk, die
Kirchentrennung, und die sie begründenden reformatorischen Kerngedanken die
Aufmerksamkeit der bewußt evangelischen Kreise. Die gegenwärtige Lage da-
gegen wird ganz vom Weltkrieg und seinen Problemen beherrscht. Man darf
wohl behaupten, obwohl die fromme Begeisterung der ersten Kriegsmonate
verflogen ist, daß das religiöse Leben unseres Volkes durch den Krieg eine Be¬
reicherung und Vertiefung erfahren hat. Aber die Bekenntnisnnterschiede sind
stark, auf evangelischer Seite vielfach wohl ungebührlich stark, in den Hinter¬
grund getreten, das allgemein christliche Empfinden, das den Protestanten mit
dem Katholiken verbindet, überwiegt. Es wäre kaum nötig gewesen, daß die
leitenden Stellen und die kirchliche Presse zum Neformationsjubiläum die Parole
ausgaben, alle konfessionelle Polemik zu vermeiden. Niemand würde auch
nur daran gedacht haben, kulturkämpferische Töne anzuschlagen. So kommt
es von selbst — die bisher erschienene Jubiläumsliteratur legt bereits Zeugnis
dafür ab. und die Feiern und Festreden des 31. Oktober dürften es demnächst
beweisen —. daß Luther als Charakter, als Glaubensheld, als wundervolle
männliche, deutsch-christliche Persönlichkeit im Mittelpunkt der Jubiläumsfeier
steht. Der 31. Oktober 1917 wird mehr Luther- als Reformationsfest fein.


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[0147] [Abbildung] Martin Lucher, der deutsche Reformator Pastor Ille, !v. Thinae von as Jubiläum, das die deutsche evangelische Christenheit am ^'10. November 1883 feierte, war naturgemäß in erster Linie als Lutherfest gedacht. Aber „gegenüber der Machtentfaltung des Ultramontanismus seit der Unfehlbarkeitserklärung des Papsttums wurde der vierhundertjährige Gedenktag der Geburt Luthers für den gesamten Protestantismus der erwünschte Anlaß, sich auf die geistigen Güter der Reformation zu besinnen und wie mit elementarer Gewalt für die Prin. zipien des Protestantismus Zeugnis abzulegen" (Kurtz „Lehrbuch der Kirchen¬ geschichte" 14. Aufl. § 178,10). Unsere diesjährige Jubelfeier, die dem 31. Ok¬ tober, dem Tag des Thesenanschlages, gilt, in dem wir Protestanten den wichtigsten Markstein der neueren Geschichte erblicken, sollte vor allem — seit Jahr und Tag sprach man davon — Reformationsfest sein. Man sieht jedoch, wie nicht nur die Anlässe, sondern auch und erst recht die Zeitverhältnisse den Feiern ihr Gepräge geben. Damals zitterte der Zorn des abflauenden Kultur¬ kampfes in allen Gemütern nach, das konfessionelle Bewußtsein war aufs leb¬ hafteste angeregt. So fesselte weniger Luthers Person als sein Werk, die Kirchentrennung, und die sie begründenden reformatorischen Kerngedanken die Aufmerksamkeit der bewußt evangelischen Kreise. Die gegenwärtige Lage da- gegen wird ganz vom Weltkrieg und seinen Problemen beherrscht. Man darf wohl behaupten, obwohl die fromme Begeisterung der ersten Kriegsmonate verflogen ist, daß das religiöse Leben unseres Volkes durch den Krieg eine Be¬ reicherung und Vertiefung erfahren hat. Aber die Bekenntnisnnterschiede sind stark, auf evangelischer Seite vielfach wohl ungebührlich stark, in den Hinter¬ grund getreten, das allgemein christliche Empfinden, das den Protestanten mit dem Katholiken verbindet, überwiegt. Es wäre kaum nötig gewesen, daß die leitenden Stellen und die kirchliche Presse zum Neformationsjubiläum die Parole ausgaben, alle konfessionelle Polemik zu vermeiden. Niemand würde auch nur daran gedacht haben, kulturkämpferische Töne anzuschlagen. So kommt es von selbst — die bisher erschienene Jubiläumsliteratur legt bereits Zeugnis dafür ab. und die Feiern und Festreden des 31. Oktober dürften es demnächst beweisen —. daß Luther als Charakter, als Glaubensheld, als wundervolle männliche, deutsch-christliche Persönlichkeit im Mittelpunkt der Jubiläumsfeier steht. Der 31. Oktober 1917 wird mehr Luther- als Reformationsfest fein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/147>, abgerufen am 07.05.2024.