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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.

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Friedenszurüstungen
Georg Lleinow von

! s sind sicher recht gemischte Gefühle, mit denen unsere Leser Kenntnis
! genommen haben von der als "grundsätzlich beschlossen" bekannt-
> gewordenen Lösung der Polenfrage. Bei manch einem wird sie das
Gefühl der Erleichterung, bei anderen das um so größerer Sorge
! hervorrufen; je nachdem wie man zu den Problemen unserer natio¬
nalen Entwicklung steht. Mancher wird sich der 90000 deutschen Kämpfer er¬
innern, die auf polnischer Erde schließlich doch in letzter Linie für die Freiheit
Polens gefallen sind und sich wundern, wie scheinbar leichten Herzens dem ver¬
bündeten Nachbar ein Machtzuwachs eingeräumt werden soll, der nicht ohne
weiteres geeignet ist das Freundschaftsverhältnis zu festigen, daS zwischen Habs¬
burg und Hohenzollern besteht. Freundschaft zwischen zwei Staaten beruht auf
der Möglichkeit einander zu ergänzen, nicht auf der Überlegenheit eines Teiles über
den anderen. Nach den Mitteilungen der Presse handelt es sich bei den Ergeb¬
nissen des letzten Kronrates um die sogenannte "Osterreichische Lösung der Polen¬
frage". Kaiser Karl von Österreich "sollte den Titel eines Königs von Polen
annehmen und somit Polen mit Österreich in Personalunion verbunden werden,
wobei Galizien zum zukünftigen Königreich Polen geschlagen werden soll". Das
waren in der Hauptsache die nüchternen Tatsachen, die den Nahmen für alles
Weitere bilden sollten. Die Lösung der Polenfrage, als einer jeden künftigen
Frieden bedrohenden Angelegenheit, daS war und ist die Hauptsache. Daß der
König von Preußen gleichzeitig Herzog von Litauen und Kurland werden sollte
und somit die genommenen Gebiete dem Deutschen Reich angegliedert werden,
sind in unserem Zusammenhange Tatsachen zweiter Ordnung, so bedeutsam sie für
die betroffenen Länder sein mögen.

Inzwischen ist die Auffassung zurückgewiesen worden, als handle es sich bei
den Mitteilungen aus der Kronratssitzung um eine vollendete Tatsache. Wir werden
belehrt, daß die mitgeteilte Form der Lösung lediglich Gegenstand der Erörterung
gewesen sei, wie auch verschiedene andere Lösungsmöglichkeiten. Bestimmte Nach¬
richten privater Herkunft geben uns im Zusammenhange mit der Tatsache, daß


Grenzboten IV 1917 19


Friedenszurüstungen
Georg Lleinow von

! s sind sicher recht gemischte Gefühle, mit denen unsere Leser Kenntnis
! genommen haben von der als „grundsätzlich beschlossen" bekannt-
> gewordenen Lösung der Polenfrage. Bei manch einem wird sie das
Gefühl der Erleichterung, bei anderen das um so größerer Sorge
! hervorrufen; je nachdem wie man zu den Problemen unserer natio¬
nalen Entwicklung steht. Mancher wird sich der 90000 deutschen Kämpfer er¬
innern, die auf polnischer Erde schließlich doch in letzter Linie für die Freiheit
Polens gefallen sind und sich wundern, wie scheinbar leichten Herzens dem ver¬
bündeten Nachbar ein Machtzuwachs eingeräumt werden soll, der nicht ohne
weiteres geeignet ist das Freundschaftsverhältnis zu festigen, daS zwischen Habs¬
burg und Hohenzollern besteht. Freundschaft zwischen zwei Staaten beruht auf
der Möglichkeit einander zu ergänzen, nicht auf der Überlegenheit eines Teiles über
den anderen. Nach den Mitteilungen der Presse handelt es sich bei den Ergeb¬
nissen des letzten Kronrates um die sogenannte „Osterreichische Lösung der Polen¬
frage". Kaiser Karl von Österreich „sollte den Titel eines Königs von Polen
annehmen und somit Polen mit Österreich in Personalunion verbunden werden,
wobei Galizien zum zukünftigen Königreich Polen geschlagen werden soll". Das
waren in der Hauptsache die nüchternen Tatsachen, die den Nahmen für alles
Weitere bilden sollten. Die Lösung der Polenfrage, als einer jeden künftigen
Frieden bedrohenden Angelegenheit, daS war und ist die Hauptsache. Daß der
König von Preußen gleichzeitig Herzog von Litauen und Kurland werden sollte
und somit die genommenen Gebiete dem Deutschen Reich angegliedert werden,
sind in unserem Zusammenhange Tatsachen zweiter Ordnung, so bedeutsam sie für
die betroffenen Länder sein mögen.

Inzwischen ist die Auffassung zurückgewiesen worden, als handle es sich bei
den Mitteilungen aus der Kronratssitzung um eine vollendete Tatsache. Wir werden
belehrt, daß die mitgeteilte Form der Lösung lediglich Gegenstand der Erörterung
gewesen sei, wie auch verschiedene andere Lösungsmöglichkeiten. Bestimmte Nach¬
richten privater Herkunft geben uns im Zusammenhange mit der Tatsache, daß


Grenzboten IV 1917 19
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[0269] [Abbildung] Friedenszurüstungen Georg Lleinow von ! s sind sicher recht gemischte Gefühle, mit denen unsere Leser Kenntnis ! genommen haben von der als „grundsätzlich beschlossen" bekannt- > gewordenen Lösung der Polenfrage. Bei manch einem wird sie das Gefühl der Erleichterung, bei anderen das um so größerer Sorge ! hervorrufen; je nachdem wie man zu den Problemen unserer natio¬ nalen Entwicklung steht. Mancher wird sich der 90000 deutschen Kämpfer er¬ innern, die auf polnischer Erde schließlich doch in letzter Linie für die Freiheit Polens gefallen sind und sich wundern, wie scheinbar leichten Herzens dem ver¬ bündeten Nachbar ein Machtzuwachs eingeräumt werden soll, der nicht ohne weiteres geeignet ist das Freundschaftsverhältnis zu festigen, daS zwischen Habs¬ burg und Hohenzollern besteht. Freundschaft zwischen zwei Staaten beruht auf der Möglichkeit einander zu ergänzen, nicht auf der Überlegenheit eines Teiles über den anderen. Nach den Mitteilungen der Presse handelt es sich bei den Ergeb¬ nissen des letzten Kronrates um die sogenannte „Osterreichische Lösung der Polen¬ frage". Kaiser Karl von Österreich „sollte den Titel eines Königs von Polen annehmen und somit Polen mit Österreich in Personalunion verbunden werden, wobei Galizien zum zukünftigen Königreich Polen geschlagen werden soll". Das waren in der Hauptsache die nüchternen Tatsachen, die den Nahmen für alles Weitere bilden sollten. Die Lösung der Polenfrage, als einer jeden künftigen Frieden bedrohenden Angelegenheit, daS war und ist die Hauptsache. Daß der König von Preußen gleichzeitig Herzog von Litauen und Kurland werden sollte und somit die genommenen Gebiete dem Deutschen Reich angegliedert werden, sind in unserem Zusammenhange Tatsachen zweiter Ordnung, so bedeutsam sie für die betroffenen Länder sein mögen. Inzwischen ist die Auffassung zurückgewiesen worden, als handle es sich bei den Mitteilungen aus der Kronratssitzung um eine vollendete Tatsache. Wir werden belehrt, daß die mitgeteilte Form der Lösung lediglich Gegenstand der Erörterung gewesen sei, wie auch verschiedene andere Lösungsmöglichkeiten. Bestimmte Nach¬ richten privater Herkunft geben uns im Zusammenhange mit der Tatsache, daß Grenzboten IV 1917 19

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/269>, abgerufen am 06.05.2024.