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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.

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Der Hirtenbrief der deutschen Bischöfe

industriellen Schichten auch die Gemeinschaftlich keit gesamtindustrieller Interessen
gegenüber denen anderer Stände wie etwa der Landwirtschaft oder des Handels
zutage tritt. Da stehen dann Arbeiter und Unternehmer, so hart ihr Bruderstreit
im eigenen Hause wogt, nach außen in geschlossener Front Zusammen und werden
sich dessen bewußt, daß sie im Grunde genommen alle Arbeiter sind. Und auch
in diesem Kampf der Stände wiederum werden neben den Gegensätzen, über
ihnen gewissermaßen, doch auch bei Gemeinsamkeiten fühlbar und führen auch
hier zu wechselnden Bündnissen. Kurzum: der Kampf bleibt auch im gesamten
sozialen Leben das bewegende, das weiterführende Prinzip. Aber neben der Ent-
zweiung steht auch hier immer wieder die Einigung, so wenig eine von beiden
Endgültigkeit für sich in Anspruch nehmen darf.

Noch stehen wir mitten im Krieg, und all diese Fragen der Zukunft einer
nationalen Arbeiterschaft sind eben -- Zukunftsfragen. Alle Anzeichen deuten
darauf hin, daß kein echter in sich beruhigter Friede das Ende dieser furchtbaren
Aufrührung der alten Welt sein wird. Auch über diesen Krieg hinaus wird unser
Volk kämpfen müssen, und das Gebiet, auf dem diese fortdauernden Kämpfe sich
abspielen, wird vornehmlich das wirtschaftliche sein. So wird das nationale
Kämpfertum auch weiterhin in hervorragendem Maße die Rolle unserer Arbeiter-
schaft bleiben. Es wäre töricht und verhängnisvoll zugleich, wollten wir uns hier
in den Traum eines erlösenden Friedens einwiegen. Die Machtmittel, das Kräfte-
reservoir gewissermaßen für diesen Krieg nach dem Kriege soll uns der Friedens-
schluß darbringen. Heller Wahnsinn wäre es darum, wenn unsere Arbeiterschaft
den Frieden ohne Sieger und Besiegte, der Frieden ohne wirklichen Machtzuwachs
des Deutschen Reiches auf ihr Programm schriebe, und sich nicht freudig auf die
Seite derer stellte, die entschlossen die letzten Kräfte an das Ziel setzen, uns einen
deutschen Frieden, einen stolzen Frieden erhöhter politischer und wirtschaftlicher
Stärke, einen Frieden des mitteleuropäischen Übergewichtes zu erringen. In ihm
liegt die deutsche Zukunft und innig mit ihr verbunden die Zukunft der deutschen
Arbeiterschaft beschlossen.




Der Hirtenbrief der deutschen Bischöfe
Pastor I^lo. W, Thinae von

as vom Allerheiligenfeste 1917 datierte Hirtenschreiben des deutschen
Episkopats ist sicherlich ein beachtenswertes Dokument, und zwar
sowohl um seiner Verfasser, als auch um der Zeit seiner Abfassung,
insbesondere aber um seines Inhalts willen. Es handelt nicht von
rein innerkirchlichen Angelegenheiten. Nur im Vorbeigehen wird zu
oftmaligem Empfang der heiligen Kommunion ermahnt. Es verweilt auch nicht
lange bei den Fragen der allgemeinen, bürgerlichen Moral. Immerhin ist von den


Der Hirtenbrief der deutschen Bischöfe

industriellen Schichten auch die Gemeinschaftlich keit gesamtindustrieller Interessen
gegenüber denen anderer Stände wie etwa der Landwirtschaft oder des Handels
zutage tritt. Da stehen dann Arbeiter und Unternehmer, so hart ihr Bruderstreit
im eigenen Hause wogt, nach außen in geschlossener Front Zusammen und werden
sich dessen bewußt, daß sie im Grunde genommen alle Arbeiter sind. Und auch
in diesem Kampf der Stände wiederum werden neben den Gegensätzen, über
ihnen gewissermaßen, doch auch bei Gemeinsamkeiten fühlbar und führen auch
hier zu wechselnden Bündnissen. Kurzum: der Kampf bleibt auch im gesamten
sozialen Leben das bewegende, das weiterführende Prinzip. Aber neben der Ent-
zweiung steht auch hier immer wieder die Einigung, so wenig eine von beiden
Endgültigkeit für sich in Anspruch nehmen darf.

Noch stehen wir mitten im Krieg, und all diese Fragen der Zukunft einer
nationalen Arbeiterschaft sind eben — Zukunftsfragen. Alle Anzeichen deuten
darauf hin, daß kein echter in sich beruhigter Friede das Ende dieser furchtbaren
Aufrührung der alten Welt sein wird. Auch über diesen Krieg hinaus wird unser
Volk kämpfen müssen, und das Gebiet, auf dem diese fortdauernden Kämpfe sich
abspielen, wird vornehmlich das wirtschaftliche sein. So wird das nationale
Kämpfertum auch weiterhin in hervorragendem Maße die Rolle unserer Arbeiter-
schaft bleiben. Es wäre töricht und verhängnisvoll zugleich, wollten wir uns hier
in den Traum eines erlösenden Friedens einwiegen. Die Machtmittel, das Kräfte-
reservoir gewissermaßen für diesen Krieg nach dem Kriege soll uns der Friedens-
schluß darbringen. Heller Wahnsinn wäre es darum, wenn unsere Arbeiterschaft
den Frieden ohne Sieger und Besiegte, der Frieden ohne wirklichen Machtzuwachs
des Deutschen Reiches auf ihr Programm schriebe, und sich nicht freudig auf die
Seite derer stellte, die entschlossen die letzten Kräfte an das Ziel setzen, uns einen
deutschen Frieden, einen stolzen Frieden erhöhter politischer und wirtschaftlicher
Stärke, einen Frieden des mitteleuropäischen Übergewichtes zu erringen. In ihm
liegt die deutsche Zukunft und innig mit ihr verbunden die Zukunft der deutschen
Arbeiterschaft beschlossen.




Der Hirtenbrief der deutschen Bischöfe
Pastor I^lo. W, Thinae von

as vom Allerheiligenfeste 1917 datierte Hirtenschreiben des deutschen
Episkopats ist sicherlich ein beachtenswertes Dokument, und zwar
sowohl um seiner Verfasser, als auch um der Zeit seiner Abfassung,
insbesondere aber um seines Inhalts willen. Es handelt nicht von
rein innerkirchlichen Angelegenheiten. Nur im Vorbeigehen wird zu
oftmaligem Empfang der heiligen Kommunion ermahnt. Es verweilt auch nicht
lange bei den Fragen der allgemeinen, bürgerlichen Moral. Immerhin ist von den


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[0307] Der Hirtenbrief der deutschen Bischöfe industriellen Schichten auch die Gemeinschaftlich keit gesamtindustrieller Interessen gegenüber denen anderer Stände wie etwa der Landwirtschaft oder des Handels zutage tritt. Da stehen dann Arbeiter und Unternehmer, so hart ihr Bruderstreit im eigenen Hause wogt, nach außen in geschlossener Front Zusammen und werden sich dessen bewußt, daß sie im Grunde genommen alle Arbeiter sind. Und auch in diesem Kampf der Stände wiederum werden neben den Gegensätzen, über ihnen gewissermaßen, doch auch bei Gemeinsamkeiten fühlbar und führen auch hier zu wechselnden Bündnissen. Kurzum: der Kampf bleibt auch im gesamten sozialen Leben das bewegende, das weiterführende Prinzip. Aber neben der Ent- zweiung steht auch hier immer wieder die Einigung, so wenig eine von beiden Endgültigkeit für sich in Anspruch nehmen darf. Noch stehen wir mitten im Krieg, und all diese Fragen der Zukunft einer nationalen Arbeiterschaft sind eben — Zukunftsfragen. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß kein echter in sich beruhigter Friede das Ende dieser furchtbaren Aufrührung der alten Welt sein wird. Auch über diesen Krieg hinaus wird unser Volk kämpfen müssen, und das Gebiet, auf dem diese fortdauernden Kämpfe sich abspielen, wird vornehmlich das wirtschaftliche sein. So wird das nationale Kämpfertum auch weiterhin in hervorragendem Maße die Rolle unserer Arbeiter- schaft bleiben. Es wäre töricht und verhängnisvoll zugleich, wollten wir uns hier in den Traum eines erlösenden Friedens einwiegen. Die Machtmittel, das Kräfte- reservoir gewissermaßen für diesen Krieg nach dem Kriege soll uns der Friedens- schluß darbringen. Heller Wahnsinn wäre es darum, wenn unsere Arbeiterschaft den Frieden ohne Sieger und Besiegte, der Frieden ohne wirklichen Machtzuwachs des Deutschen Reiches auf ihr Programm schriebe, und sich nicht freudig auf die Seite derer stellte, die entschlossen die letzten Kräfte an das Ziel setzen, uns einen deutschen Frieden, einen stolzen Frieden erhöhter politischer und wirtschaftlicher Stärke, einen Frieden des mitteleuropäischen Übergewichtes zu erringen. In ihm liegt die deutsche Zukunft und innig mit ihr verbunden die Zukunft der deutschen Arbeiterschaft beschlossen. Der Hirtenbrief der deutschen Bischöfe Pastor I^lo. W, Thinae von as vom Allerheiligenfeste 1917 datierte Hirtenschreiben des deutschen Episkopats ist sicherlich ein beachtenswertes Dokument, und zwar sowohl um seiner Verfasser, als auch um der Zeit seiner Abfassung, insbesondere aber um seines Inhalts willen. Es handelt nicht von rein innerkirchlichen Angelegenheiten. Nur im Vorbeigehen wird zu oftmaligem Empfang der heiligen Kommunion ermahnt. Es verweilt auch nicht lange bei den Fragen der allgemeinen, bürgerlichen Moral. Immerhin ist von den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/307>, abgerufen am 06.05.2024.