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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Lriedensreden, ein diplomatisches Terzett

Es bleibt noch zu bemerken übrig, daß auch der Vorschlag gemacht wurde
("Ostdeutsche Rundschau" 1917, 17. November), im Aalle der Vereinigung von
ganz Galizien mit Polen dem Ruthenengebiet etwa jene Stellung zu Polen zu
geben, die Kroatien in Ungarn besitzt. Diese Lösung würde den Kampf zwischen
Polen und Ruthenen nicht beenden und überdies noch andere Nachteile nach
sich ziehen.




Friedensreden, ein diplomatisches Terzett
Georg Lleinow von

n Berlin und Wien haben am gleichen Tage die leitenden Staats¬
männer zu den Friedensbestrebungen bei Freund und Feind in
großen Parlamentsreden Stellung genommen. Die Berliner Rede
wurde durch einen Bericht des Staatssekretärs von Kühlmann über
die Verhandlungen in Litauisch-Brest ergänzt. Die Ausführungen
der drei Minister sind voneinander nicht zu trennen: sie ergänzen sich; sie bilden
gemeinsam ein Ganzes; ihre Zusammengehörigkeit tritt besonders da zutage, wo
die Herren den eigenartigen Verhältnissen und Stimmungen ihrer Länder Rechnung
tragen. Dadurch formt sich uns das Bild der Gesamtlage, die aus der einzelnen
Rede nicht ohne weiteres erkennbar wird.

Die Reden wurden mit besonderer Spannung erwartet, nicht nur weil sie
uns Auskunft geben sollten vom Stande der Friedensverhandlungen mit Rußland,
sondern auch deshalb, weil sie in einer Stunde ungewöhnlich großer innerer Er¬
regung gehalten werden mußten; die Friedensverhandlungen selbst waren allem
Anschein nach in eine Sackgasse geraten; der Fortgang der innerrussischen
Auseinandersetzungen läßt die Erfolge der Sonderverhandlungen mit der
Ukraina immer problematischer erscheinen, während die Aussichten, wirtschaftliche
Anknüpfungen in Nordrußland zu gewinnen, zunächst ziemlich verflüchtigt sind.
Daneben sind in Österreich-Ungarn Erscheinungen zutage getreten, die, abgesehen
von den Theoretikern und Praktikern des sozialistischen Internationalismus, sowohl
daheim wie auch in allen Teilen der verbündeten Armeen als ein Überfall aus
dem Hinterhalt empfunden worden sind. Herr Graf Hertling hat dieser gespannten
Lage an der inneren Front durch größte Vorsicht Rechnung tragen zu müssen geglaubt,
während Herr Graf Czernin den Stimmungen durch schärfste Betonung seines persön¬
lichen Standpunktes gerecht zu werden suchte. Die augenblickliche Wirkung ist des¬
halb, soweit sich solches aus der deutschen Presse erkennen läßt, mehr durch Czernin als
durch Hertling bedingt. Des deutschenReichskanzlersRede ist, bezüglich der eigentlichen
Friedensverhandlungen in Litauisch-Brest, durch die Ereignisse in Rußland, ins¬
besondere durch das militärische Vorgehen der Maximalisten gegen die Ukrmnci,


Lriedensreden, ein diplomatisches Terzett

Es bleibt noch zu bemerken übrig, daß auch der Vorschlag gemacht wurde
(„Ostdeutsche Rundschau" 1917, 17. November), im Aalle der Vereinigung von
ganz Galizien mit Polen dem Ruthenengebiet etwa jene Stellung zu Polen zu
geben, die Kroatien in Ungarn besitzt. Diese Lösung würde den Kampf zwischen
Polen und Ruthenen nicht beenden und überdies noch andere Nachteile nach
sich ziehen.




Friedensreden, ein diplomatisches Terzett
Georg Lleinow von

n Berlin und Wien haben am gleichen Tage die leitenden Staats¬
männer zu den Friedensbestrebungen bei Freund und Feind in
großen Parlamentsreden Stellung genommen. Die Berliner Rede
wurde durch einen Bericht des Staatssekretärs von Kühlmann über
die Verhandlungen in Litauisch-Brest ergänzt. Die Ausführungen
der drei Minister sind voneinander nicht zu trennen: sie ergänzen sich; sie bilden
gemeinsam ein Ganzes; ihre Zusammengehörigkeit tritt besonders da zutage, wo
die Herren den eigenartigen Verhältnissen und Stimmungen ihrer Länder Rechnung
tragen. Dadurch formt sich uns das Bild der Gesamtlage, die aus der einzelnen
Rede nicht ohne weiteres erkennbar wird.

Die Reden wurden mit besonderer Spannung erwartet, nicht nur weil sie
uns Auskunft geben sollten vom Stande der Friedensverhandlungen mit Rußland,
sondern auch deshalb, weil sie in einer Stunde ungewöhnlich großer innerer Er¬
regung gehalten werden mußten; die Friedensverhandlungen selbst waren allem
Anschein nach in eine Sackgasse geraten; der Fortgang der innerrussischen
Auseinandersetzungen läßt die Erfolge der Sonderverhandlungen mit der
Ukraina immer problematischer erscheinen, während die Aussichten, wirtschaftliche
Anknüpfungen in Nordrußland zu gewinnen, zunächst ziemlich verflüchtigt sind.
Daneben sind in Österreich-Ungarn Erscheinungen zutage getreten, die, abgesehen
von den Theoretikern und Praktikern des sozialistischen Internationalismus, sowohl
daheim wie auch in allen Teilen der verbündeten Armeen als ein Überfall aus
dem Hinterhalt empfunden worden sind. Herr Graf Hertling hat dieser gespannten
Lage an der inneren Front durch größte Vorsicht Rechnung tragen zu müssen geglaubt,
während Herr Graf Czernin den Stimmungen durch schärfste Betonung seines persön¬
lichen Standpunktes gerecht zu werden suchte. Die augenblickliche Wirkung ist des¬
halb, soweit sich solches aus der deutschen Presse erkennen läßt, mehr durch Czernin als
durch Hertling bedingt. Des deutschenReichskanzlersRede ist, bezüglich der eigentlichen
Friedensverhandlungen in Litauisch-Brest, durch die Ereignisse in Rußland, ins¬
besondere durch das militärische Vorgehen der Maximalisten gegen die Ukrmnci,


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[0142] Lriedensreden, ein diplomatisches Terzett Es bleibt noch zu bemerken übrig, daß auch der Vorschlag gemacht wurde („Ostdeutsche Rundschau" 1917, 17. November), im Aalle der Vereinigung von ganz Galizien mit Polen dem Ruthenengebiet etwa jene Stellung zu Polen zu geben, die Kroatien in Ungarn besitzt. Diese Lösung würde den Kampf zwischen Polen und Ruthenen nicht beenden und überdies noch andere Nachteile nach sich ziehen. Friedensreden, ein diplomatisches Terzett Georg Lleinow von n Berlin und Wien haben am gleichen Tage die leitenden Staats¬ männer zu den Friedensbestrebungen bei Freund und Feind in großen Parlamentsreden Stellung genommen. Die Berliner Rede wurde durch einen Bericht des Staatssekretärs von Kühlmann über die Verhandlungen in Litauisch-Brest ergänzt. Die Ausführungen der drei Minister sind voneinander nicht zu trennen: sie ergänzen sich; sie bilden gemeinsam ein Ganzes; ihre Zusammengehörigkeit tritt besonders da zutage, wo die Herren den eigenartigen Verhältnissen und Stimmungen ihrer Länder Rechnung tragen. Dadurch formt sich uns das Bild der Gesamtlage, die aus der einzelnen Rede nicht ohne weiteres erkennbar wird. Die Reden wurden mit besonderer Spannung erwartet, nicht nur weil sie uns Auskunft geben sollten vom Stande der Friedensverhandlungen mit Rußland, sondern auch deshalb, weil sie in einer Stunde ungewöhnlich großer innerer Er¬ regung gehalten werden mußten; die Friedensverhandlungen selbst waren allem Anschein nach in eine Sackgasse geraten; der Fortgang der innerrussischen Auseinandersetzungen läßt die Erfolge der Sonderverhandlungen mit der Ukraina immer problematischer erscheinen, während die Aussichten, wirtschaftliche Anknüpfungen in Nordrußland zu gewinnen, zunächst ziemlich verflüchtigt sind. Daneben sind in Österreich-Ungarn Erscheinungen zutage getreten, die, abgesehen von den Theoretikern und Praktikern des sozialistischen Internationalismus, sowohl daheim wie auch in allen Teilen der verbündeten Armeen als ein Überfall aus dem Hinterhalt empfunden worden sind. Herr Graf Hertling hat dieser gespannten Lage an der inneren Front durch größte Vorsicht Rechnung tragen zu müssen geglaubt, während Herr Graf Czernin den Stimmungen durch schärfste Betonung seines persön¬ lichen Standpunktes gerecht zu werden suchte. Die augenblickliche Wirkung ist des¬ halb, soweit sich solches aus der deutschen Presse erkennen läßt, mehr durch Czernin als durch Hertling bedingt. Des deutschenReichskanzlersRede ist, bezüglich der eigentlichen Friedensverhandlungen in Litauisch-Brest, durch die Ereignisse in Rußland, ins¬ besondere durch das militärische Vorgehen der Maximalisten gegen die Ukrmnci,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/142>, abgerufen am 05.05.2024.