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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Gobineau "Frankreichs Schicksale im Jahre 1870." Leipzig 1917; Reclams
Universal-Bibliothek Ur. 5941, 6942 (200 Seiten).

Gobineau, der Geburth- und Geistesaristokrat, wird von seinen Landsleuten,
den Gleichheitsfanatikern, nicht verstanden, als unbequem empfunden und als
Freund germanischen und deutschen Wesens mit Mißtrauen betrachtet. Deutschen
Gelehrten, vor allem Ludwig Schemann, dem die Gobineauforschung Lebensauf¬
gabe geworden ist, verdankt er es, daß sein vielbändiges Hauptwerk, sein Rassen¬
buch, wenigstens in Deutschland Boden gefaßt hat. Gelesen wird es freilich auch
hier nur von solchen, die es angeht, besonders von Historikern und Rassenforschern,
und auch wohl von einem Teil der wissenschaftlich interessierten Gebildeten. Die
Grundgedanken: Ungleichheit der Menschenrassen, Entartung durch Rassenmischung,
die Arier die Auserwählten, die Germanen ihre letzten kraftvollen Vertreter, hat
sich nur eine Minderheit zu eigen gemacht; was bei uns international gerichtet
ist und "im nationalen nur eine zu überwindende Vorstufe zur Menschheit sieht,"
oder sich durch die Presse der an den Schlagworten von 1793 hängenden Par¬
teien beeinflussen läßt, d. h. heute die große Mehrzahl, ist ihnen aus Prinzip
oder durch Suggestion abgeneigt. Trotzdem sind sie den meisten von uns nicht
ganz fremd; auch die Gegner wirken, indem sie sie bekämpfen, für ihre Verbreitung.
Weit verbreiteter sind freilich und in weit mehr Händen befinden sich die. ich
möchte sagen, exoterischen Schriften des geistreichen und hochgebildeten Franzosen,
wohl auch, weil sie sich dem Verständnis leichter erschließen. Das meiste davon
hat Schemann, der Hüter von Gobineaus schriftlichen Nachlaß, sei es im fran¬
zösischen Text oder auch in deutscher Übersetzung, herausgegeben; in billigen Reclam-
ausgaben z. B., von ihm selber oder auf seine Veranlassung von anderen über¬
setzt, die in Konzeption und Ausführung überwältigenden Se-eneZ nistoriques
"Die Renaissance", die treffend ein Epos in dramatischer Form genannt wird;
das Trauerspiel "Alexander von Macedonien"; die vielgelesenen "Asiatischen
Novellen"; die nicht minder lesenswerten "Reisefrüchte aus Kephalonia, Ncixos
und Neufundland" und den eigenartigen Roman "Das Siebengestirn", in dem der
Versasser "einen guten Teil seiner Lebenserfahrungen niedergelegt und viele Per¬
sonen seiner Bekanntschaft, auch sich selbst als Marquis de Candeuil ge¬
schildert hat."

Die in der Überschrift genannte, bisher unveröffentlichte Schrift hat Pro¬
fessor Schlösser vor kurzem in einer das Original getreu wiedergebenden Über¬
setzung gleichfalls bei Reclam erscheinen lassen; in der Einleitung gibt er dem
Leser das zur Einführung Notwendige, vor allem die Entstehungsgeschichte des
Buches, das heute, wo unsere Heere bereits im vierten Jahre auf französischem
Boden stehen, für uns von besonderem Interesse ist, zumal es unwillkürlich immer
wieder zu Parallelen anreizt. Gobineau, der vielgewanderte Diplomat, hatte 1867
im Departement Oise das Schloß Trye käuflich an sich gebracht, hielt sich dort
mehrfach, auch längere Zeit auf, bekleidete das Ehrenamt des Maire seiner Ge¬
meinde und hatte in den Kriegsnöten von 1870 reichlich Gelegenheit, werktätigen
Eifer zugunsten seines Kantons zu betätigen, vergleichend die deutschen "Barbaren",
die "weltordnende Rasse", hochschätzen und seine Volksgenossen in ihrer Minder¬
wertigkeit gering achten zu lernen. Im November des Kriegsjahres begann er
seine Erlebnisse aufzuzeichnen, führte sie auch rüstig fort, ohne aber ganz bis zum
Ende zu kommen. Von beiden Teilen fehlt der Schluß. Der erste, mehr allge¬
mein gehaltene spürt den tieferen Ursachen des großen Zusammenbruchs, geschicht¬
lich und gesellschaftskritisch weit ausholend, nach, legt dar, daß "die Revolution,
die Erbin des Zentralisationsgedankcns und des Staatsabsolutismus der Königs¬
zeit, keine neuen Gedanken in die Welt gebracht, sondern nur vollendet hat, was
vorher angebahnt worden war", deckt die Entstehung der französischen National¬
eitelkeit (erst unter Ludwig dem Vierzehnten!) und ihre Wurzeln auf und kritisiert
die drei stagnierenden, jedem wirklichen Fortschritt abgeneigten Hauptstände Frank-


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Gobineau „Frankreichs Schicksale im Jahre 1870." Leipzig 1917; Reclams
Universal-Bibliothek Ur. 5941, 6942 (200 Seiten).

Gobineau, der Geburth- und Geistesaristokrat, wird von seinen Landsleuten,
den Gleichheitsfanatikern, nicht verstanden, als unbequem empfunden und als
Freund germanischen und deutschen Wesens mit Mißtrauen betrachtet. Deutschen
Gelehrten, vor allem Ludwig Schemann, dem die Gobineauforschung Lebensauf¬
gabe geworden ist, verdankt er es, daß sein vielbändiges Hauptwerk, sein Rassen¬
buch, wenigstens in Deutschland Boden gefaßt hat. Gelesen wird es freilich auch
hier nur von solchen, die es angeht, besonders von Historikern und Rassenforschern,
und auch wohl von einem Teil der wissenschaftlich interessierten Gebildeten. Die
Grundgedanken: Ungleichheit der Menschenrassen, Entartung durch Rassenmischung,
die Arier die Auserwählten, die Germanen ihre letzten kraftvollen Vertreter, hat
sich nur eine Minderheit zu eigen gemacht; was bei uns international gerichtet
ist und „im nationalen nur eine zu überwindende Vorstufe zur Menschheit sieht,"
oder sich durch die Presse der an den Schlagworten von 1793 hängenden Par¬
teien beeinflussen läßt, d. h. heute die große Mehrzahl, ist ihnen aus Prinzip
oder durch Suggestion abgeneigt. Trotzdem sind sie den meisten von uns nicht
ganz fremd; auch die Gegner wirken, indem sie sie bekämpfen, für ihre Verbreitung.
Weit verbreiteter sind freilich und in weit mehr Händen befinden sich die. ich
möchte sagen, exoterischen Schriften des geistreichen und hochgebildeten Franzosen,
wohl auch, weil sie sich dem Verständnis leichter erschließen. Das meiste davon
hat Schemann, der Hüter von Gobineaus schriftlichen Nachlaß, sei es im fran¬
zösischen Text oder auch in deutscher Übersetzung, herausgegeben; in billigen Reclam-
ausgaben z. B., von ihm selber oder auf seine Veranlassung von anderen über¬
setzt, die in Konzeption und Ausführung überwältigenden Se-eneZ nistoriques
„Die Renaissance", die treffend ein Epos in dramatischer Form genannt wird;
das Trauerspiel „Alexander von Macedonien"; die vielgelesenen „Asiatischen
Novellen"; die nicht minder lesenswerten „Reisefrüchte aus Kephalonia, Ncixos
und Neufundland" und den eigenartigen Roman „Das Siebengestirn", in dem der
Versasser „einen guten Teil seiner Lebenserfahrungen niedergelegt und viele Per¬
sonen seiner Bekanntschaft, auch sich selbst als Marquis de Candeuil ge¬
schildert hat."

Die in der Überschrift genannte, bisher unveröffentlichte Schrift hat Pro¬
fessor Schlösser vor kurzem in einer das Original getreu wiedergebenden Über¬
setzung gleichfalls bei Reclam erscheinen lassen; in der Einleitung gibt er dem
Leser das zur Einführung Notwendige, vor allem die Entstehungsgeschichte des
Buches, das heute, wo unsere Heere bereits im vierten Jahre auf französischem
Boden stehen, für uns von besonderem Interesse ist, zumal es unwillkürlich immer
wieder zu Parallelen anreizt. Gobineau, der vielgewanderte Diplomat, hatte 1867
im Departement Oise das Schloß Trye käuflich an sich gebracht, hielt sich dort
mehrfach, auch längere Zeit auf, bekleidete das Ehrenamt des Maire seiner Ge¬
meinde und hatte in den Kriegsnöten von 1870 reichlich Gelegenheit, werktätigen
Eifer zugunsten seines Kantons zu betätigen, vergleichend die deutschen „Barbaren",
die „weltordnende Rasse", hochschätzen und seine Volksgenossen in ihrer Minder¬
wertigkeit gering achten zu lernen. Im November des Kriegsjahres begann er
seine Erlebnisse aufzuzeichnen, führte sie auch rüstig fort, ohne aber ganz bis zum
Ende zu kommen. Von beiden Teilen fehlt der Schluß. Der erste, mehr allge¬
mein gehaltene spürt den tieferen Ursachen des großen Zusammenbruchs, geschicht¬
lich und gesellschaftskritisch weit ausholend, nach, legt dar, daß „die Revolution,
die Erbin des Zentralisationsgedankcns und des Staatsabsolutismus der Königs¬
zeit, keine neuen Gedanken in die Welt gebracht, sondern nur vollendet hat, was
vorher angebahnt worden war", deckt die Entstehung der französischen National¬
eitelkeit (erst unter Ludwig dem Vierzehnten!) und ihre Wurzeln auf und kritisiert
die drei stagnierenden, jedem wirklichen Fortschritt abgeneigten Hauptstände Frank-


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[0113] Neue Bücher Neue Bücher Gobineau „Frankreichs Schicksale im Jahre 1870." Leipzig 1917; Reclams Universal-Bibliothek Ur. 5941, 6942 (200 Seiten). Gobineau, der Geburth- und Geistesaristokrat, wird von seinen Landsleuten, den Gleichheitsfanatikern, nicht verstanden, als unbequem empfunden und als Freund germanischen und deutschen Wesens mit Mißtrauen betrachtet. Deutschen Gelehrten, vor allem Ludwig Schemann, dem die Gobineauforschung Lebensauf¬ gabe geworden ist, verdankt er es, daß sein vielbändiges Hauptwerk, sein Rassen¬ buch, wenigstens in Deutschland Boden gefaßt hat. Gelesen wird es freilich auch hier nur von solchen, die es angeht, besonders von Historikern und Rassenforschern, und auch wohl von einem Teil der wissenschaftlich interessierten Gebildeten. Die Grundgedanken: Ungleichheit der Menschenrassen, Entartung durch Rassenmischung, die Arier die Auserwählten, die Germanen ihre letzten kraftvollen Vertreter, hat sich nur eine Minderheit zu eigen gemacht; was bei uns international gerichtet ist und „im nationalen nur eine zu überwindende Vorstufe zur Menschheit sieht," oder sich durch die Presse der an den Schlagworten von 1793 hängenden Par¬ teien beeinflussen läßt, d. h. heute die große Mehrzahl, ist ihnen aus Prinzip oder durch Suggestion abgeneigt. Trotzdem sind sie den meisten von uns nicht ganz fremd; auch die Gegner wirken, indem sie sie bekämpfen, für ihre Verbreitung. Weit verbreiteter sind freilich und in weit mehr Händen befinden sich die. ich möchte sagen, exoterischen Schriften des geistreichen und hochgebildeten Franzosen, wohl auch, weil sie sich dem Verständnis leichter erschließen. Das meiste davon hat Schemann, der Hüter von Gobineaus schriftlichen Nachlaß, sei es im fran¬ zösischen Text oder auch in deutscher Übersetzung, herausgegeben; in billigen Reclam- ausgaben z. B., von ihm selber oder auf seine Veranlassung von anderen über¬ setzt, die in Konzeption und Ausführung überwältigenden Se-eneZ nistoriques „Die Renaissance", die treffend ein Epos in dramatischer Form genannt wird; das Trauerspiel „Alexander von Macedonien"; die vielgelesenen „Asiatischen Novellen"; die nicht minder lesenswerten „Reisefrüchte aus Kephalonia, Ncixos und Neufundland" und den eigenartigen Roman „Das Siebengestirn", in dem der Versasser „einen guten Teil seiner Lebenserfahrungen niedergelegt und viele Per¬ sonen seiner Bekanntschaft, auch sich selbst als Marquis de Candeuil ge¬ schildert hat." Die in der Überschrift genannte, bisher unveröffentlichte Schrift hat Pro¬ fessor Schlösser vor kurzem in einer das Original getreu wiedergebenden Über¬ setzung gleichfalls bei Reclam erscheinen lassen; in der Einleitung gibt er dem Leser das zur Einführung Notwendige, vor allem die Entstehungsgeschichte des Buches, das heute, wo unsere Heere bereits im vierten Jahre auf französischem Boden stehen, für uns von besonderem Interesse ist, zumal es unwillkürlich immer wieder zu Parallelen anreizt. Gobineau, der vielgewanderte Diplomat, hatte 1867 im Departement Oise das Schloß Trye käuflich an sich gebracht, hielt sich dort mehrfach, auch längere Zeit auf, bekleidete das Ehrenamt des Maire seiner Ge¬ meinde und hatte in den Kriegsnöten von 1870 reichlich Gelegenheit, werktätigen Eifer zugunsten seines Kantons zu betätigen, vergleichend die deutschen „Barbaren", die „weltordnende Rasse", hochschätzen und seine Volksgenossen in ihrer Minder¬ wertigkeit gering achten zu lernen. Im November des Kriegsjahres begann er seine Erlebnisse aufzuzeichnen, führte sie auch rüstig fort, ohne aber ganz bis zum Ende zu kommen. Von beiden Teilen fehlt der Schluß. Der erste, mehr allge¬ mein gehaltene spürt den tieferen Ursachen des großen Zusammenbruchs, geschicht¬ lich und gesellschaftskritisch weit ausholend, nach, legt dar, daß „die Revolution, die Erbin des Zentralisationsgedankcns und des Staatsabsolutismus der Königs¬ zeit, keine neuen Gedanken in die Welt gebracht, sondern nur vollendet hat, was vorher angebahnt worden war", deckt die Entstehung der französischen National¬ eitelkeit (erst unter Ludwig dem Vierzehnten!) und ihre Wurzeln auf und kritisiert die drei stagnierenden, jedem wirklichen Fortschritt abgeneigten Hauptstände Frank-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/113>, abgerufen am 04.05.2024.