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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Staatssozialismus und kein Ende

Htaatssozialismus und kein Ende

Liegt Dir Gestern klar und offen, wirkst Du heute kräftig frei --

le Regierungsmaschine ist von einer unüberwindlichen Herrschgewalt,
gegen die es keine Auflehnung gibt. Der Beamtenstab wächst an-
! dauernd, der Steuerdruck steigt, die Wirtschaftskraft deS Volkes
! erlahmt. Alle Waren werden seltener und teurer, dadurch steigen
auch die Staatsausgaben. Das Höchstpreis-System erklärt das
... Steigen der Preise für Wucher. Für alle Waren, Brot, Fleisch,
Leder, Papier werden Höchstpreise aufgestellt, deren Nichtachtung schwere Strafe
nach sich zieht. Die Folge ist, daß die werteschaffende Arbeit so gut wie still steht.
Die Menschen hören aus, miteinander zu handeln, das Notwendige an Waren
und Diensten bereitzustellen. Eine große allgemeine Not entsteht.

Staats'Monopole rotten den Mittelstand ganz und gar aus. Das ganze
Reich verfällt dem Siechtum. Die Ländereien veröden, die Städte sterben aus,
das Volk verzweifelt. Es regt sich eine allgemeine Flucht aus dem Lande. Die
Bauern verlassen Haus und Hof und zerstreuen sich in die Wälder. Die Rasse
stirbt beinahe aus, an der Bureaukratie, an der allgemeinen Verstaatlichung. Die
Ausdehnung der Odäcker wird erschreckend. Kaufkräftig sind nur noch die Gro߬
grundbesitzer, denen jetzt das ganze Land gehört. Reich und Volk kommen so
herunter, daß sie die einmarschierten Feinde als Befreier begrüßen.

Dies war vorgestern, vor sechzehnhundert Jahren, als Diocleüans Höchst¬
preis-Edikt die Wirtschaftskraft des römischen Reiches ruiniert hatte.

Wer spät kommt, findet den Laden leer. Also kommt jeder früh und immer
früher, beim Erwachen des Tages, vor Tage, fünf oder sechs Stunden vor Tage.
Im Februar bilden sich an den Bäckertoren schon in aller Frühe Reihen, im April
verlängern sich die Reihen, im Juni werden sie enorm. Man bildet Kette für
Brot, Ol, Fleisch, Milch, Butter. Holz und Kohle oft von Mitternacht an. Nach
Auffassung der Regierenden gehört alles dem Staate, nichts den Bürgern. Der
Staat hat das Recht, Körnerfrüchte und Vieh, Kerzen und Zucker zu' dem ihm
Passenden Preise zu schätzen, ebenso die Arbeit des Schusters und Schneiders usw.
Alles in Beschlag zu nehmen ist daS Amt des Staates. Hohe Strafen treffen
den, der beim Verknus die Höchstpreise überschreitet. Der kleine Kaufmann hat
alle seine Bestände an die massenweise eindringenden Kunden zu niedrigen Preisen
verkaufen müssen. Er kann sich nicht mehr eindecken und muß den Laden schließen.
Der Bauer weigert sich, seine Erzeugnisse zum Höchstpreise auf den Markt zu
bringen- Er gräbt seine Körnerfrüchte ein oder füttert das Vieh damit. Auch
gibt er sie im Tauschhandel hin. Meilenweit bringt er sie bei Nacht in andere
Gegenden, wo die Höchstpreise höher stehen. Er verheimlicht seinen Überfluß,
verständigt sich mit den Dorfbehörden und schmiert. Von Woche zu Woche kommt
weniger Mehl, weniger Korn, weniger Vieh auf den Markt, Fleisch und Brot
wird immer seltener. Jede Gemeinde hält zurück, so viel sie kann. Sie gibt
weniger Getreide an. als vorhanden ist. Sie betrügt und besticht den Nahrungs¬
mittel-Kommissar, der die Verhältnisse nicht kennt und selbst Not leidet. Vergeb¬
lich macht der Staat den Bäcker, den Metzger und den Kolonialwarenhändler zum
Kommis und gestattet ihnen nur 6 bis' 10 Prozent Gewinn-Aufschlag beim Klein¬
verkauf. Die Bedarfsartikel wandern unter dem Mantel in Privaihäuser, die
jeden Preis dafür zahlen. Der Metzger behält seine besten Fleischstücke für die
großen Gasthäuser und für seine reichen Kunden zurück.

Dies war gestern, vor hundertfünfundzwanzig Jahren, in Frankreich zur
Zeit des roten Schreckens.¬

Und heute? Wer kann sagen, wieviel wir gelernt, wieviel wir ver
gessen haben?

Röscher, den wir mit Recht den Größten der klassischen deutschen Volks¬
wirtschaftslehrer nennen, schrieb vor langen Jahrzehnten: "Ein Staatsmann,


Staatssozialismus und kein Ende

Htaatssozialismus und kein Ende

Liegt Dir Gestern klar und offen, wirkst Du heute kräftig frei —

le Regierungsmaschine ist von einer unüberwindlichen Herrschgewalt,
gegen die es keine Auflehnung gibt. Der Beamtenstab wächst an-
! dauernd, der Steuerdruck steigt, die Wirtschaftskraft deS Volkes
! erlahmt. Alle Waren werden seltener und teurer, dadurch steigen
auch die Staatsausgaben. Das Höchstpreis-System erklärt das
... Steigen der Preise für Wucher. Für alle Waren, Brot, Fleisch,
Leder, Papier werden Höchstpreise aufgestellt, deren Nichtachtung schwere Strafe
nach sich zieht. Die Folge ist, daß die werteschaffende Arbeit so gut wie still steht.
Die Menschen hören aus, miteinander zu handeln, das Notwendige an Waren
und Diensten bereitzustellen. Eine große allgemeine Not entsteht.

Staats'Monopole rotten den Mittelstand ganz und gar aus. Das ganze
Reich verfällt dem Siechtum. Die Ländereien veröden, die Städte sterben aus,
das Volk verzweifelt. Es regt sich eine allgemeine Flucht aus dem Lande. Die
Bauern verlassen Haus und Hof und zerstreuen sich in die Wälder. Die Rasse
stirbt beinahe aus, an der Bureaukratie, an der allgemeinen Verstaatlichung. Die
Ausdehnung der Odäcker wird erschreckend. Kaufkräftig sind nur noch die Gro߬
grundbesitzer, denen jetzt das ganze Land gehört. Reich und Volk kommen so
herunter, daß sie die einmarschierten Feinde als Befreier begrüßen.

Dies war vorgestern, vor sechzehnhundert Jahren, als Diocleüans Höchst¬
preis-Edikt die Wirtschaftskraft des römischen Reiches ruiniert hatte.

Wer spät kommt, findet den Laden leer. Also kommt jeder früh und immer
früher, beim Erwachen des Tages, vor Tage, fünf oder sechs Stunden vor Tage.
Im Februar bilden sich an den Bäckertoren schon in aller Frühe Reihen, im April
verlängern sich die Reihen, im Juni werden sie enorm. Man bildet Kette für
Brot, Ol, Fleisch, Milch, Butter. Holz und Kohle oft von Mitternacht an. Nach
Auffassung der Regierenden gehört alles dem Staate, nichts den Bürgern. Der
Staat hat das Recht, Körnerfrüchte und Vieh, Kerzen und Zucker zu' dem ihm
Passenden Preise zu schätzen, ebenso die Arbeit des Schusters und Schneiders usw.
Alles in Beschlag zu nehmen ist daS Amt des Staates. Hohe Strafen treffen
den, der beim Verknus die Höchstpreise überschreitet. Der kleine Kaufmann hat
alle seine Bestände an die massenweise eindringenden Kunden zu niedrigen Preisen
verkaufen müssen. Er kann sich nicht mehr eindecken und muß den Laden schließen.
Der Bauer weigert sich, seine Erzeugnisse zum Höchstpreise auf den Markt zu
bringen- Er gräbt seine Körnerfrüchte ein oder füttert das Vieh damit. Auch
gibt er sie im Tauschhandel hin. Meilenweit bringt er sie bei Nacht in andere
Gegenden, wo die Höchstpreise höher stehen. Er verheimlicht seinen Überfluß,
verständigt sich mit den Dorfbehörden und schmiert. Von Woche zu Woche kommt
weniger Mehl, weniger Korn, weniger Vieh auf den Markt, Fleisch und Brot
wird immer seltener. Jede Gemeinde hält zurück, so viel sie kann. Sie gibt
weniger Getreide an. als vorhanden ist. Sie betrügt und besticht den Nahrungs¬
mittel-Kommissar, der die Verhältnisse nicht kennt und selbst Not leidet. Vergeb¬
lich macht der Staat den Bäcker, den Metzger und den Kolonialwarenhändler zum
Kommis und gestattet ihnen nur 6 bis' 10 Prozent Gewinn-Aufschlag beim Klein¬
verkauf. Die Bedarfsartikel wandern unter dem Mantel in Privaihäuser, die
jeden Preis dafür zahlen. Der Metzger behält seine besten Fleischstücke für die
großen Gasthäuser und für seine reichen Kunden zurück.

Dies war gestern, vor hundertfünfundzwanzig Jahren, in Frankreich zur
Zeit des roten Schreckens.¬

Und heute? Wer kann sagen, wieviel wir gelernt, wieviel wir ver
gessen haben?

Röscher, den wir mit Recht den Größten der klassischen deutschen Volks¬
wirtschaftslehrer nennen, schrieb vor langen Jahrzehnten: „Ein Staatsmann,


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[0177] Staatssozialismus und kein Ende Htaatssozialismus und kein Ende Liegt Dir Gestern klar und offen, wirkst Du heute kräftig frei — le Regierungsmaschine ist von einer unüberwindlichen Herrschgewalt, gegen die es keine Auflehnung gibt. Der Beamtenstab wächst an- ! dauernd, der Steuerdruck steigt, die Wirtschaftskraft deS Volkes ! erlahmt. Alle Waren werden seltener und teurer, dadurch steigen auch die Staatsausgaben. Das Höchstpreis-System erklärt das ... Steigen der Preise für Wucher. Für alle Waren, Brot, Fleisch, Leder, Papier werden Höchstpreise aufgestellt, deren Nichtachtung schwere Strafe nach sich zieht. Die Folge ist, daß die werteschaffende Arbeit so gut wie still steht. Die Menschen hören aus, miteinander zu handeln, das Notwendige an Waren und Diensten bereitzustellen. Eine große allgemeine Not entsteht. Staats'Monopole rotten den Mittelstand ganz und gar aus. Das ganze Reich verfällt dem Siechtum. Die Ländereien veröden, die Städte sterben aus, das Volk verzweifelt. Es regt sich eine allgemeine Flucht aus dem Lande. Die Bauern verlassen Haus und Hof und zerstreuen sich in die Wälder. Die Rasse stirbt beinahe aus, an der Bureaukratie, an der allgemeinen Verstaatlichung. Die Ausdehnung der Odäcker wird erschreckend. Kaufkräftig sind nur noch die Gro߬ grundbesitzer, denen jetzt das ganze Land gehört. Reich und Volk kommen so herunter, daß sie die einmarschierten Feinde als Befreier begrüßen. Dies war vorgestern, vor sechzehnhundert Jahren, als Diocleüans Höchst¬ preis-Edikt die Wirtschaftskraft des römischen Reiches ruiniert hatte. Wer spät kommt, findet den Laden leer. Also kommt jeder früh und immer früher, beim Erwachen des Tages, vor Tage, fünf oder sechs Stunden vor Tage. Im Februar bilden sich an den Bäckertoren schon in aller Frühe Reihen, im April verlängern sich die Reihen, im Juni werden sie enorm. Man bildet Kette für Brot, Ol, Fleisch, Milch, Butter. Holz und Kohle oft von Mitternacht an. Nach Auffassung der Regierenden gehört alles dem Staate, nichts den Bürgern. Der Staat hat das Recht, Körnerfrüchte und Vieh, Kerzen und Zucker zu' dem ihm Passenden Preise zu schätzen, ebenso die Arbeit des Schusters und Schneiders usw. Alles in Beschlag zu nehmen ist daS Amt des Staates. Hohe Strafen treffen den, der beim Verknus die Höchstpreise überschreitet. Der kleine Kaufmann hat alle seine Bestände an die massenweise eindringenden Kunden zu niedrigen Preisen verkaufen müssen. Er kann sich nicht mehr eindecken und muß den Laden schließen. Der Bauer weigert sich, seine Erzeugnisse zum Höchstpreise auf den Markt zu bringen- Er gräbt seine Körnerfrüchte ein oder füttert das Vieh damit. Auch gibt er sie im Tauschhandel hin. Meilenweit bringt er sie bei Nacht in andere Gegenden, wo die Höchstpreise höher stehen. Er verheimlicht seinen Überfluß, verständigt sich mit den Dorfbehörden und schmiert. Von Woche zu Woche kommt weniger Mehl, weniger Korn, weniger Vieh auf den Markt, Fleisch und Brot wird immer seltener. Jede Gemeinde hält zurück, so viel sie kann. Sie gibt weniger Getreide an. als vorhanden ist. Sie betrügt und besticht den Nahrungs¬ mittel-Kommissar, der die Verhältnisse nicht kennt und selbst Not leidet. Vergeb¬ lich macht der Staat den Bäcker, den Metzger und den Kolonialwarenhändler zum Kommis und gestattet ihnen nur 6 bis' 10 Prozent Gewinn-Aufschlag beim Klein¬ verkauf. Die Bedarfsartikel wandern unter dem Mantel in Privaihäuser, die jeden Preis dafür zahlen. Der Metzger behält seine besten Fleischstücke für die großen Gasthäuser und für seine reichen Kunden zurück. Dies war gestern, vor hundertfünfundzwanzig Jahren, in Frankreich zur Zeit des roten Schreckens.¬ Und heute? Wer kann sagen, wieviel wir gelernt, wieviel wir ver gessen haben? Röscher, den wir mit Recht den Größten der klassischen deutschen Volks¬ wirtschaftslehrer nennen, schrieb vor langen Jahrzehnten: „Ein Staatsmann,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/177>, abgerufen am 04.05.2024.