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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Wirtschaft, Horatiol

Wirtschaft, Horatio!

n einprägsamer und unauslöschlicher Flammenrundschrift sollten
in den Schreibstuben derer, die über uns walten, Weltgeschichte
machen und Verordnungen erlassen, die Grundsätze zu lesen sein,
MW^M" die niemals, unter keinen Umständen, verletzt werden dürfen. Als
da sind: "Fordere nie von anderen etwas, das durchzusetzen du
nicht die Macht und den festen Willen hast!" und: "Hüte dich vor
denen, die sich ohne Resonnanz schneuzen!" und "Versuche nie moralische
Eroberungen zu machen!" und: "Verzichte auf die schöne Geste!" und: "Erlaß nie
Verordnungen, die den Naturgesetzen widersprechen", so etwa: "Vom 1. Oktober
ab ist bis auf weiteres die Schwerkraft und die Kausalität aufgehoben. Zuwider¬
handelnde usw." oder: "Vom 15. September ab ist die Preisbildung verboten.
An ihre Stelle tritt die Preiserzwingung, Zuwiderhandelnde usw."

Dieser weise Rat kommt zu spät wie alles Gute. Von dem, was nach
außen wirkte und nicht wirkte an Forderungen ohne Macht und Willen des
Durchsetzens, von den schönen Gesten und moralischen Eroberungen, von allem
dem soll hier nicht die Rede sein, das gehört in das Gebiet der hohen Politik.
Es mag hier nur einiges gesagt fein über das einen Komparativ verdienende
Gebiet, ans dem bis heute 8400 Kriegsgesetze und 38 000 Verordnungen erwachsen
sind, und über dessen Organisation wir in der Nuß unterrichtet werden durch
den vierzehn Bogen starken "Wegweiser durch die Deutsche Kriegswirtschaft,
Systematisches Verzeichnis der deutschen amtlichen und privaten Kriegswiri-
schafts-Organisationen sowie der übergeordneten und zusammenfassenden Organi¬
sationen der Bundesstaaten". Uff!

Den üppigen Lenden der Zwangswirtschaft sind der Wucher, der Schleich¬
handel und die Schleichversorgung entsprossen, und anderes und mehr: ein
Sinken der öffentlichen Moral, eine beispiellose Korruption. Wer unsere
Friedens-Strafgesetze abfaßt, den Wucherer, den Dieb, den Betrüger zur Strecke
bringt, anklagt, verurteilt, der kann reinen Gewissens sich seiner Pflicht getrösten,
da er selbst nicht wuchert, stiehlt, betrügt. Welcher Gendarm aber, welcher
Staatsanwalt, welcher Richter, der sich mit Inkulpatcn des Schleichhandels zu
befassen hat, und wer von all den Unzähligen und Unseligen, die strenge Ver¬
ordnungen gelaicht haben, oder die mit erhabenem Schwulst in Wort und Schrift
auf die hehre sittliche Pflicht des Staatsbürgers hinweisen, dnrch Genügen an
den zugewiesenen Rationen ein Beispiel zu geben, wer von allen diesen, er sei
ein Hoher oder ein Geringer, ist nicht ein Uebeltäter, ein Heuchler, mindestens
ein Schleichversorger? Der und stolzem Bewußtsein an die tönende Brust
schlägt, Weil er der ihn betreuenden Mutter, Gattin, Haushälterin strengste
Beachtung aller Gesetze und Verordnungen ein für allemal empfohlen, ein¬
geschärft, geboten hat, und nunmehro viles Fette und Magere guten Gewissens
mit stillen oder lauten Lobgesängen ans die wohlgefügte Ordnung der Dinge
verzehrt, ohne Arg der reine Tor. Oder der wegen Gesundheit oder Krankheit,
oder Alter oder Jugend, wegen Arbeit oder Muße, wegen Schlaf oder Schlaf¬
losigkeit, wegen Ruhe oder Bewegung, wegen Hitze oder Kälte, wegen Trocknis
oder Feuchtnis, zur Erhaltung seines für das Gemeinwesen so kostbaren Lebens
Pfade der Versorgung einschlägt, deren Beschreiben zwar, wenn andere es tun,
in hohem Grade verwerflich, für ihn selber aber nach seiner tiefinnerster Ueber¬
zeugung unabweisbare sittliche Pflicht ist. Wir alten armen Sünder haben ja
stets recht, vor uns selber. Korrelat der Sittlichkeit sind hohe Preise, wenn wir
verkaufen, niedrige, wenn wir kaufen wollen. Wir entrüsten uns, wenn uns
die Schaffnerin nicht in den besetzten Wagen einsteigen lassen will; wir entrüsten
uns mit derselben so wohltätigen Inbrunst, wenn "dieses Weib" in den beengten
Wagen noch einen Unglückswurm zu uns hereinläßt. So sind wir. Im Krieg
wie im Frieden.


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n einprägsamer und unauslöschlicher Flammenrundschrift sollten
in den Schreibstuben derer, die über uns walten, Weltgeschichte
machen und Verordnungen erlassen, die Grundsätze zu lesen sein,
MW^M» die niemals, unter keinen Umständen, verletzt werden dürfen. Als
da sind: „Fordere nie von anderen etwas, das durchzusetzen du
nicht die Macht und den festen Willen hast!" und: „Hüte dich vor
denen, die sich ohne Resonnanz schneuzen!" und „Versuche nie moralische
Eroberungen zu machen!" und: „Verzichte auf die schöne Geste!" und: „Erlaß nie
Verordnungen, die den Naturgesetzen widersprechen", so etwa: „Vom 1. Oktober
ab ist bis auf weiteres die Schwerkraft und die Kausalität aufgehoben. Zuwider¬
handelnde usw." oder: „Vom 15. September ab ist die Preisbildung verboten.
An ihre Stelle tritt die Preiserzwingung, Zuwiderhandelnde usw."

Dieser weise Rat kommt zu spät wie alles Gute. Von dem, was nach
außen wirkte und nicht wirkte an Forderungen ohne Macht und Willen des
Durchsetzens, von den schönen Gesten und moralischen Eroberungen, von allem
dem soll hier nicht die Rede sein, das gehört in das Gebiet der hohen Politik.
Es mag hier nur einiges gesagt fein über das einen Komparativ verdienende
Gebiet, ans dem bis heute 8400 Kriegsgesetze und 38 000 Verordnungen erwachsen
sind, und über dessen Organisation wir in der Nuß unterrichtet werden durch
den vierzehn Bogen starken „Wegweiser durch die Deutsche Kriegswirtschaft,
Systematisches Verzeichnis der deutschen amtlichen und privaten Kriegswiri-
schafts-Organisationen sowie der übergeordneten und zusammenfassenden Organi¬
sationen der Bundesstaaten". Uff!

Den üppigen Lenden der Zwangswirtschaft sind der Wucher, der Schleich¬
handel und die Schleichversorgung entsprossen, und anderes und mehr: ein
Sinken der öffentlichen Moral, eine beispiellose Korruption. Wer unsere
Friedens-Strafgesetze abfaßt, den Wucherer, den Dieb, den Betrüger zur Strecke
bringt, anklagt, verurteilt, der kann reinen Gewissens sich seiner Pflicht getrösten,
da er selbst nicht wuchert, stiehlt, betrügt. Welcher Gendarm aber, welcher
Staatsanwalt, welcher Richter, der sich mit Inkulpatcn des Schleichhandels zu
befassen hat, und wer von all den Unzähligen und Unseligen, die strenge Ver¬
ordnungen gelaicht haben, oder die mit erhabenem Schwulst in Wort und Schrift
auf die hehre sittliche Pflicht des Staatsbürgers hinweisen, dnrch Genügen an
den zugewiesenen Rationen ein Beispiel zu geben, wer von allen diesen, er sei
ein Hoher oder ein Geringer, ist nicht ein Uebeltäter, ein Heuchler, mindestens
ein Schleichversorger? Der und stolzem Bewußtsein an die tönende Brust
schlägt, Weil er der ihn betreuenden Mutter, Gattin, Haushälterin strengste
Beachtung aller Gesetze und Verordnungen ein für allemal empfohlen, ein¬
geschärft, geboten hat, und nunmehro viles Fette und Magere guten Gewissens
mit stillen oder lauten Lobgesängen ans die wohlgefügte Ordnung der Dinge
verzehrt, ohne Arg der reine Tor. Oder der wegen Gesundheit oder Krankheit,
oder Alter oder Jugend, wegen Arbeit oder Muße, wegen Schlaf oder Schlaf¬
losigkeit, wegen Ruhe oder Bewegung, wegen Hitze oder Kälte, wegen Trocknis
oder Feuchtnis, zur Erhaltung seines für das Gemeinwesen so kostbaren Lebens
Pfade der Versorgung einschlägt, deren Beschreiben zwar, wenn andere es tun,
in hohem Grade verwerflich, für ihn selber aber nach seiner tiefinnerster Ueber¬
zeugung unabweisbare sittliche Pflicht ist. Wir alten armen Sünder haben ja
stets recht, vor uns selber. Korrelat der Sittlichkeit sind hohe Preise, wenn wir
verkaufen, niedrige, wenn wir kaufen wollen. Wir entrüsten uns, wenn uns
die Schaffnerin nicht in den besetzten Wagen einsteigen lassen will; wir entrüsten
uns mit derselben so wohltätigen Inbrunst, wenn „dieses Weib" in den beengten
Wagen noch einen Unglückswurm zu uns hereinläßt. So sind wir. Im Krieg
wie im Frieden.


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[0282] Wirtschaft, Horatiol Wirtschaft, Horatio! n einprägsamer und unauslöschlicher Flammenrundschrift sollten in den Schreibstuben derer, die über uns walten, Weltgeschichte machen und Verordnungen erlassen, die Grundsätze zu lesen sein, MW^M» die niemals, unter keinen Umständen, verletzt werden dürfen. Als da sind: „Fordere nie von anderen etwas, das durchzusetzen du nicht die Macht und den festen Willen hast!" und: „Hüte dich vor denen, die sich ohne Resonnanz schneuzen!" und „Versuche nie moralische Eroberungen zu machen!" und: „Verzichte auf die schöne Geste!" und: „Erlaß nie Verordnungen, die den Naturgesetzen widersprechen", so etwa: „Vom 1. Oktober ab ist bis auf weiteres die Schwerkraft und die Kausalität aufgehoben. Zuwider¬ handelnde usw." oder: „Vom 15. September ab ist die Preisbildung verboten. An ihre Stelle tritt die Preiserzwingung, Zuwiderhandelnde usw." Dieser weise Rat kommt zu spät wie alles Gute. Von dem, was nach außen wirkte und nicht wirkte an Forderungen ohne Macht und Willen des Durchsetzens, von den schönen Gesten und moralischen Eroberungen, von allem dem soll hier nicht die Rede sein, das gehört in das Gebiet der hohen Politik. Es mag hier nur einiges gesagt fein über das einen Komparativ verdienende Gebiet, ans dem bis heute 8400 Kriegsgesetze und 38 000 Verordnungen erwachsen sind, und über dessen Organisation wir in der Nuß unterrichtet werden durch den vierzehn Bogen starken „Wegweiser durch die Deutsche Kriegswirtschaft, Systematisches Verzeichnis der deutschen amtlichen und privaten Kriegswiri- schafts-Organisationen sowie der übergeordneten und zusammenfassenden Organi¬ sationen der Bundesstaaten". Uff! Den üppigen Lenden der Zwangswirtschaft sind der Wucher, der Schleich¬ handel und die Schleichversorgung entsprossen, und anderes und mehr: ein Sinken der öffentlichen Moral, eine beispiellose Korruption. Wer unsere Friedens-Strafgesetze abfaßt, den Wucherer, den Dieb, den Betrüger zur Strecke bringt, anklagt, verurteilt, der kann reinen Gewissens sich seiner Pflicht getrösten, da er selbst nicht wuchert, stiehlt, betrügt. Welcher Gendarm aber, welcher Staatsanwalt, welcher Richter, der sich mit Inkulpatcn des Schleichhandels zu befassen hat, und wer von all den Unzähligen und Unseligen, die strenge Ver¬ ordnungen gelaicht haben, oder die mit erhabenem Schwulst in Wort und Schrift auf die hehre sittliche Pflicht des Staatsbürgers hinweisen, dnrch Genügen an den zugewiesenen Rationen ein Beispiel zu geben, wer von allen diesen, er sei ein Hoher oder ein Geringer, ist nicht ein Uebeltäter, ein Heuchler, mindestens ein Schleichversorger? Der und stolzem Bewußtsein an die tönende Brust schlägt, Weil er der ihn betreuenden Mutter, Gattin, Haushälterin strengste Beachtung aller Gesetze und Verordnungen ein für allemal empfohlen, ein¬ geschärft, geboten hat, und nunmehro viles Fette und Magere guten Gewissens mit stillen oder lauten Lobgesängen ans die wohlgefügte Ordnung der Dinge verzehrt, ohne Arg der reine Tor. Oder der wegen Gesundheit oder Krankheit, oder Alter oder Jugend, wegen Arbeit oder Muße, wegen Schlaf oder Schlaf¬ losigkeit, wegen Ruhe oder Bewegung, wegen Hitze oder Kälte, wegen Trocknis oder Feuchtnis, zur Erhaltung seines für das Gemeinwesen so kostbaren Lebens Pfade der Versorgung einschlägt, deren Beschreiben zwar, wenn andere es tun, in hohem Grade verwerflich, für ihn selber aber nach seiner tiefinnerster Ueber¬ zeugung unabweisbare sittliche Pflicht ist. Wir alten armen Sünder haben ja stets recht, vor uns selber. Korrelat der Sittlichkeit sind hohe Preise, wenn wir verkaufen, niedrige, wenn wir kaufen wollen. Wir entrüsten uns, wenn uns die Schaffnerin nicht in den besetzten Wagen einsteigen lassen will; wir entrüsten uns mit derselben so wohltätigen Inbrunst, wenn „dieses Weib" in den beengten Wagen noch einen Unglückswurm zu uns hereinläßt. So sind wir. Im Krieg wie im Frieden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/282>, abgerufen am 04.05.2024.