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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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und sich bereit finden, die gerechten Fol¬
gerungen aus der Schuldverantwortlichkeit
zu ziehen und ziehen zu lassen" ("Vorwärts"
Vom 22. Oktober). Man sieht, Lichnvwski
macht Schule I

Wie lange wird es noch dauern, bis die
Legende vom armen verführten deutschen
Volle fertig ist, das der Wahnwitz und Ehr¬
geiz seiner Gewalthaber in den Abgrund des
Krieges stürzte. Mit welchem diabolischen
Grinsen mögen die Todfeinde dieses Volkes
an Seine und Themse zur Kentnis nehmen,
wie deutsche Zeitungen -- und es sind die
dem Auslande bekanntesten -- ihnen die
Arbeit der Geschichtsfälschung zu Ehren der
ententistischen Weltlüge erleichtern!

Wir zweifeln nicht an dem guten Glauben
der erwähnten Presse, aber um so verwerf¬
licher ist es, wenn sie anderen diesen guten
Glauben abstreitet und von vergangenen Er¬
eignissen in Wendungen redet, die gröbste
Mißdeutung geradezu herausfordern. Wie
weit soll denn die Umwertung aller Werte
ex eventu noch gehen? Soll vielleicht die
ganze preußisch-deutsche Geschichte mit ent¬
gegengesetzten Vorzeichen versehen werden,
weil der Bilanzstrich von heute nicht mit den
gewohnten Aktiven abschließt? Was Recht
ist, soll Recht bleiben und wenn die Irr¬
lichter des Erfolges die Sinne noch so be¬
tören möchten. Mag uns das Unglück tiefer
beugen, wir haben es nicht nötig den Glauben
abzuschwören; das, waS hell und rein in
unserer Erinnerung steht, durch Verdächtigung
zu trüben. ES ist zwar nicht mehr modern,
"rationalistisch" zu denken, wir wissen es:
die sogenannte quantitative Weltanschauung
mit ihrer Verwerfung der Artunterschied"
steht wieder in Blüte, trotzdem und dennoch:
wer heute die deutsche Kriegsstimmung von
1914 auch nur durch Ähnlichkeit des Aus-
drucks in Beziehung bringt zu den frivolen
Auftritten der Piazza, wer unsere durch und
durch integre "Obrigkeits"-regierung von ehe¬
mals in die Gesellschaft rumänischer Hoch¬
stapler und Intriganten rückt, der versündigt
sich an unserem Volk und an der geschicht¬
lichen Wahrheit. Was in der Sonne des
Glückes leuchtete, behält -- nur hysterische
Augen leugnen es -- auch im Dunkel der
Trübsal seine Farben. Furchtlos, wie unsere

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Truppen die Untersuchungen der neutralen
Kommission über angebliche "Verwüstungen"
im besetzten Gebiet abwarten konnten, sehen
wir dem Richtersprüche der Geschichte ent¬
gegen. Sie wird einst unparteiisch das Soll
und Haben der Völker "bwägen und nach
dem allein richtigen Grundsatz: a potiori
lit äeriomjnÄtio ihr Urteil zugunsten der
W Mittemächte Mer.

Schöffengericht oder Strafkammer?

Die
deutsche Reichs-Strafprozeßordnung kennt
drei Formen der ordentlichen Strafgerichte,
vor welche die Sachen, abgestuft nach ihrer
Schwere, gebracht werden. , Das niedrigste
Gericht, welches die in der Regel am leich¬
testen zu beurteilenden und durchschnittlich mit
den mildesten Strafen bedrohten Delikte be¬
handelt, ist das Schöffengericht, es folgen die
Strafkammer und daS Schwurgericht.

Nun ist ohne weiteres zuzugeben, > daß
Beleidigungen in der Regel zu den Bagatell¬
sachen gehören und daß man deshalb mit
Recht kein Gericht höherer Ordnung für ihre
Entscheidung bemüht. Aber für Fälle wie
den Fall Harden--GrafMoltke, Herr von Kühl¬
mann gegen "Deutsche Zeitung" und jetzt
"Frankfurter Zeitung"--Chamberlain u. a. in.
wird diese Regelung der Gerichtsbarkeit doch
als eine Unzulänglichkeit empfunden. Dieser
Eindruck verstärkt sich noch, wenn der Zufall
will, daß Vorsitzender des mit einer hochpoli¬
tischen Beleidigungsklage befaßten Schöffen¬
gerichtes ein ganz junger Amtsrichter (Fall
Harden) oder ein Assessor ist (Fall der "Frank¬
furter Zeitung"). Es liegt mir fern, die
Fähigkeiten dieser Herren anzweifeln zu
wollen, es gibt junge Juristen, die den ältesten
und gewiegtesten Landgerichtsdirektoren eben¬
bürtig sind, aber für den Regelfall bekommt
der Richter erst durch jahrelange Praxis die
Übung und Sicherheit, die ihn befähigen,
einen großen und schwierigen Prozeß zu leiten.
Im Falle Harden ist ja auch bekanntlich
seinerzeit die Führung des Prozesses dem
Vorsitzenden allmählich entglitten und auf die
Parteivertreter übergegangen. Ich weiß nicht,
welches Berufes und welches Bildungs¬
niveaus die beiden Schöffen waren, die im
Prozeß der "Frankfurter Zeitung" als Richter
mitgewirkt haben, es können ganz hervor-

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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und sich bereit finden, die gerechten Fol¬
gerungen aus der Schuldverantwortlichkeit
zu ziehen und ziehen zu lassen" („Vorwärts"
Vom 22. Oktober). Man sieht, Lichnvwski
macht Schule I

Wie lange wird es noch dauern, bis die
Legende vom armen verführten deutschen
Volle fertig ist, das der Wahnwitz und Ehr¬
geiz seiner Gewalthaber in den Abgrund des
Krieges stürzte. Mit welchem diabolischen
Grinsen mögen die Todfeinde dieses Volkes
an Seine und Themse zur Kentnis nehmen,
wie deutsche Zeitungen — und es sind die
dem Auslande bekanntesten — ihnen die
Arbeit der Geschichtsfälschung zu Ehren der
ententistischen Weltlüge erleichtern!

Wir zweifeln nicht an dem guten Glauben
der erwähnten Presse, aber um so verwerf¬
licher ist es, wenn sie anderen diesen guten
Glauben abstreitet und von vergangenen Er¬
eignissen in Wendungen redet, die gröbste
Mißdeutung geradezu herausfordern. Wie
weit soll denn die Umwertung aller Werte
ex eventu noch gehen? Soll vielleicht die
ganze preußisch-deutsche Geschichte mit ent¬
gegengesetzten Vorzeichen versehen werden,
weil der Bilanzstrich von heute nicht mit den
gewohnten Aktiven abschließt? Was Recht
ist, soll Recht bleiben und wenn die Irr¬
lichter des Erfolges die Sinne noch so be¬
tören möchten. Mag uns das Unglück tiefer
beugen, wir haben es nicht nötig den Glauben
abzuschwören; das, waS hell und rein in
unserer Erinnerung steht, durch Verdächtigung
zu trüben. ES ist zwar nicht mehr modern,
„rationalistisch" zu denken, wir wissen es:
die sogenannte quantitative Weltanschauung
mit ihrer Verwerfung der Artunterschied«
steht wieder in Blüte, trotzdem und dennoch:
wer heute die deutsche Kriegsstimmung von
1914 auch nur durch Ähnlichkeit des Aus-
drucks in Beziehung bringt zu den frivolen
Auftritten der Piazza, wer unsere durch und
durch integre „Obrigkeits"-regierung von ehe¬
mals in die Gesellschaft rumänischer Hoch¬
stapler und Intriganten rückt, der versündigt
sich an unserem Volk und an der geschicht¬
lichen Wahrheit. Was in der Sonne des
Glückes leuchtete, behält — nur hysterische
Augen leugnen es — auch im Dunkel der
Trübsal seine Farben. Furchtlos, wie unsere

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Truppen die Untersuchungen der neutralen
Kommission über angebliche „Verwüstungen"
im besetzten Gebiet abwarten konnten, sehen
wir dem Richtersprüche der Geschichte ent¬
gegen. Sie wird einst unparteiisch das Soll
und Haben der Völker «bwägen und nach
dem allein richtigen Grundsatz: a potiori
lit äeriomjnÄtio ihr Urteil zugunsten der
W Mittemächte Mer.

Schöffengericht oder Strafkammer?

Die
deutsche Reichs-Strafprozeßordnung kennt
drei Formen der ordentlichen Strafgerichte,
vor welche die Sachen, abgestuft nach ihrer
Schwere, gebracht werden. , Das niedrigste
Gericht, welches die in der Regel am leich¬
testen zu beurteilenden und durchschnittlich mit
den mildesten Strafen bedrohten Delikte be¬
handelt, ist das Schöffengericht, es folgen die
Strafkammer und daS Schwurgericht.

Nun ist ohne weiteres zuzugeben, > daß
Beleidigungen in der Regel zu den Bagatell¬
sachen gehören und daß man deshalb mit
Recht kein Gericht höherer Ordnung für ihre
Entscheidung bemüht. Aber für Fälle wie
den Fall Harden—GrafMoltke, Herr von Kühl¬
mann gegen „Deutsche Zeitung" und jetzt
„Frankfurter Zeitung"—Chamberlain u. a. in.
wird diese Regelung der Gerichtsbarkeit doch
als eine Unzulänglichkeit empfunden. Dieser
Eindruck verstärkt sich noch, wenn der Zufall
will, daß Vorsitzender des mit einer hochpoli¬
tischen Beleidigungsklage befaßten Schöffen¬
gerichtes ein ganz junger Amtsrichter (Fall
Harden) oder ein Assessor ist (Fall der „Frank¬
furter Zeitung"). Es liegt mir fern, die
Fähigkeiten dieser Herren anzweifeln zu
wollen, es gibt junge Juristen, die den ältesten
und gewiegtesten Landgerichtsdirektoren eben¬
bürtig sind, aber für den Regelfall bekommt
der Richter erst durch jahrelange Praxis die
Übung und Sicherheit, die ihn befähigen,
einen großen und schwierigen Prozeß zu leiten.
Im Falle Harden ist ja auch bekanntlich
seinerzeit die Führung des Prozesses dem
Vorsitzenden allmählich entglitten und auf die
Parteivertreter übergegangen. Ich weiß nicht,
welches Berufes und welches Bildungs¬
niveaus die beiden Schöffen waren, die im
Prozeß der „Frankfurter Zeitung" als Richter
mitgewirkt haben, es können ganz hervor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/139>, abgerufen am 05.05.2024.