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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.

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Kirchlicher Patriotismus

Airchlicher Patriotismus
Dr. Rarl Buchheim von

U^^^^U le Sozialdemokratie rüstet zu einem neuen Kulturkampf. Sie will
Wi^^^W Staat und Kirche trennen, und zwar, wenn sie es vermag, sicher
in einer Form, die nicht zum Borten der Kirche dient. Denn die
> Sozialdemokratie liebt die Kirche nicht. Dem Katholizismus wird
es nicht schwer fallen, den sozialistischen Machthabern in voller
Rüstung eurgegenzutreten. Nenn weite katholische Volkskveise von
oben ins unten sind längst wach und bereit. Vor allem werden auch die katho-
lischen Gebildeten, mögen sie sonst nicht immer mit allen Betätigungen des
Klerikalismus einverstanden sein, dann zu ihrer Kirche halten, wenn diese wirt¬
lich bedroht ist. Auch die freier gerichteten Katholiken bewahren ihrer Kirche
meistens ganz selbstverständlich eine Heimatliebe, die sich in Zeiten des Kampfes
bald für das bedrohte Heiligtum mobilisieren läßt.

Wie steht es mit solcher kirchlicher Heimatliebe unter uns gebildeten
Protestanten? Wir stehen meistens unsrer Kirche kritisch gegenüber. Viele von
uns vermögen große Teile der kirchlichen Lehre nicht mehr gläubig hinzunehmen,
andre Haben am Kultus oder an der Kirchenverfassung wesentliche Mängel aus¬
zustellen. Trotz alledem könnten wir aber die Kirche doch noch lieben als die
Heimat unsres religiösen Fühlens, vielfach gewiß auch unsres Denkens in Welt-
anschauungsdingen, als die Stätte, wo wir manche Feierstunden, vielleicht doch
die erhebendsten, erlebt haben. Aber das ist oben das Schlimmste an unsrer
brüchigen Kirchlichkeit, daß selbst diese Heimatliebe zur Kirche, die auch der noch
haben könnte, der das Dogma ablehnt, oder dem der Pastor nicht ideal, der
Gottesdienst nicht erbaulich, die Verfassung nicht volkstümlich genug vorkommt,
nicht mehr vorhanden zu sein scheint. Es ist nicht allein kalte oder denkscheue
Pietätlosigkeit bei uns, die schuld ist an diesem Mangel kirchlicher Heimatliebe:
leider hat uns auch die Wissenschaft, die wir mit Recht hoch schätzen, in diese"
Richtung erzogen. Unsre Geschichtsschreiber haben gar so viel von kirchlicher
Anmaßung und Bevormundung erzählt, sie haben uns für den Freiheitskampf
begeistert, den der deutsche und der moderne Staatsgedanke gegen die Kirchen
führen müßten. Unsere Philosophen haben mit Hegel den Staat als die Verwirk¬
lichung der kosmischen Vernunftidee, oder mit den Positivisten als die große
Machtorganisation zur Durchführung der wirtschaftlichen und kulturellen Auf¬
gaben der Menschheit gepriesen. In der modernen Wertüberzeugung wurden
Arbeit und sichtbare Leistung einseitig geschätzt. Welcher Wert blieb da neben
dem Staat für die Kirche übrig? Der Staat sei ja alles, so hat man uns erst in
den letzten Jahren, während des Krieges, ganz besonders eingeschärft; er könne
jedes Opfer verlangen, Patriotismus müsse die höchste, die beherrschende
Empfindung in jedes Mannes Brust sein. Nun, der Staat, für den wir
gekämpft haben, das neue Reich unter der Hohenzollernkrone, ist heute zerbrochen.
Klar ist heute vor allen Augen, daß überspanntes Vertrauen auf Staatsallmacht
ein Götzendienst ist, der ein'Menschenwerk auf den Thron der Ideale setzt. Wir
können heute wieder begreifen, daß diejenige Philosophie und Geschichtslehre im
Irrtum befangen sind, die vom Staat allein alles Heil erwarten. Der Kultur¬
mensch ist nicht allein im Staat sozial organisiert, sondern auch in andern kollek¬
tiven Mächten. Und eine wichtige von diesen äst die Kirche, in die wir hinein¬
geboren sind. Auch sie hat Anspruch auf onem Patriotismus, eine Heimatliebe,
so gut wie der Staat. Es ist an der Zeit, daß wir gebildeten Protestanten in die
Tiefen unsrer Herzen steigen und dort die alte Anhänglichkeit an die Kirche wieder
erwecken. Mögen wir vom lutherischen Dogma oder von den landeskirchlichen
Verfassungen, wie sie bisher waren, viel oder wenig gehalten haben; in dem
Augenblick, wo die Kirche vom siegreichen Sozialismus in ihrer Existenz bedroht
und die völlige Entchristlichung unsrer Volksbildung und unsres öffentlichen
-Lebens angekündigt ist, gehören wir an die Seite der Kirche. Als 1914 der


Kirchlicher Patriotismus

Airchlicher Patriotismus
Dr. Rarl Buchheim von

U^^^^U le Sozialdemokratie rüstet zu einem neuen Kulturkampf. Sie will
Wi^^^W Staat und Kirche trennen, und zwar, wenn sie es vermag, sicher
in einer Form, die nicht zum Borten der Kirche dient. Denn die
> Sozialdemokratie liebt die Kirche nicht. Dem Katholizismus wird
es nicht schwer fallen, den sozialistischen Machthabern in voller
Rüstung eurgegenzutreten. Nenn weite katholische Volkskveise von
oben ins unten sind längst wach und bereit. Vor allem werden auch die katho-
lischen Gebildeten, mögen sie sonst nicht immer mit allen Betätigungen des
Klerikalismus einverstanden sein, dann zu ihrer Kirche halten, wenn diese wirt¬
lich bedroht ist. Auch die freier gerichteten Katholiken bewahren ihrer Kirche
meistens ganz selbstverständlich eine Heimatliebe, die sich in Zeiten des Kampfes
bald für das bedrohte Heiligtum mobilisieren läßt.

Wie steht es mit solcher kirchlicher Heimatliebe unter uns gebildeten
Protestanten? Wir stehen meistens unsrer Kirche kritisch gegenüber. Viele von
uns vermögen große Teile der kirchlichen Lehre nicht mehr gläubig hinzunehmen,
andre Haben am Kultus oder an der Kirchenverfassung wesentliche Mängel aus¬
zustellen. Trotz alledem könnten wir aber die Kirche doch noch lieben als die
Heimat unsres religiösen Fühlens, vielfach gewiß auch unsres Denkens in Welt-
anschauungsdingen, als die Stätte, wo wir manche Feierstunden, vielleicht doch
die erhebendsten, erlebt haben. Aber das ist oben das Schlimmste an unsrer
brüchigen Kirchlichkeit, daß selbst diese Heimatliebe zur Kirche, die auch der noch
haben könnte, der das Dogma ablehnt, oder dem der Pastor nicht ideal, der
Gottesdienst nicht erbaulich, die Verfassung nicht volkstümlich genug vorkommt,
nicht mehr vorhanden zu sein scheint. Es ist nicht allein kalte oder denkscheue
Pietätlosigkeit bei uns, die schuld ist an diesem Mangel kirchlicher Heimatliebe:
leider hat uns auch die Wissenschaft, die wir mit Recht hoch schätzen, in diese»
Richtung erzogen. Unsre Geschichtsschreiber haben gar so viel von kirchlicher
Anmaßung und Bevormundung erzählt, sie haben uns für den Freiheitskampf
begeistert, den der deutsche und der moderne Staatsgedanke gegen die Kirchen
führen müßten. Unsere Philosophen haben mit Hegel den Staat als die Verwirk¬
lichung der kosmischen Vernunftidee, oder mit den Positivisten als die große
Machtorganisation zur Durchführung der wirtschaftlichen und kulturellen Auf¬
gaben der Menschheit gepriesen. In der modernen Wertüberzeugung wurden
Arbeit und sichtbare Leistung einseitig geschätzt. Welcher Wert blieb da neben
dem Staat für die Kirche übrig? Der Staat sei ja alles, so hat man uns erst in
den letzten Jahren, während des Krieges, ganz besonders eingeschärft; er könne
jedes Opfer verlangen, Patriotismus müsse die höchste, die beherrschende
Empfindung in jedes Mannes Brust sein. Nun, der Staat, für den wir
gekämpft haben, das neue Reich unter der Hohenzollernkrone, ist heute zerbrochen.
Klar ist heute vor allen Augen, daß überspanntes Vertrauen auf Staatsallmacht
ein Götzendienst ist, der ein'Menschenwerk auf den Thron der Ideale setzt. Wir
können heute wieder begreifen, daß diejenige Philosophie und Geschichtslehre im
Irrtum befangen sind, die vom Staat allein alles Heil erwarten. Der Kultur¬
mensch ist nicht allein im Staat sozial organisiert, sondern auch in andern kollek¬
tiven Mächten. Und eine wichtige von diesen äst die Kirche, in die wir hinein¬
geboren sind. Auch sie hat Anspruch auf onem Patriotismus, eine Heimatliebe,
so gut wie der Staat. Es ist an der Zeit, daß wir gebildeten Protestanten in die
Tiefen unsrer Herzen steigen und dort die alte Anhänglichkeit an die Kirche wieder
erwecken. Mögen wir vom lutherischen Dogma oder von den landeskirchlichen
Verfassungen, wie sie bisher waren, viel oder wenig gehalten haben; in dem
Augenblick, wo die Kirche vom siegreichen Sozialismus in ihrer Existenz bedroht
und die völlige Entchristlichung unsrer Volksbildung und unsres öffentlichen
-Lebens angekündigt ist, gehören wir an die Seite der Kirche. Als 1914 der


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[0086] Kirchlicher Patriotismus Airchlicher Patriotismus Dr. Rarl Buchheim von U^^^^U le Sozialdemokratie rüstet zu einem neuen Kulturkampf. Sie will Wi^^^W Staat und Kirche trennen, und zwar, wenn sie es vermag, sicher in einer Form, die nicht zum Borten der Kirche dient. Denn die > Sozialdemokratie liebt die Kirche nicht. Dem Katholizismus wird es nicht schwer fallen, den sozialistischen Machthabern in voller Rüstung eurgegenzutreten. Nenn weite katholische Volkskveise von oben ins unten sind längst wach und bereit. Vor allem werden auch die katho- lischen Gebildeten, mögen sie sonst nicht immer mit allen Betätigungen des Klerikalismus einverstanden sein, dann zu ihrer Kirche halten, wenn diese wirt¬ lich bedroht ist. Auch die freier gerichteten Katholiken bewahren ihrer Kirche meistens ganz selbstverständlich eine Heimatliebe, die sich in Zeiten des Kampfes bald für das bedrohte Heiligtum mobilisieren läßt. Wie steht es mit solcher kirchlicher Heimatliebe unter uns gebildeten Protestanten? Wir stehen meistens unsrer Kirche kritisch gegenüber. Viele von uns vermögen große Teile der kirchlichen Lehre nicht mehr gläubig hinzunehmen, andre Haben am Kultus oder an der Kirchenverfassung wesentliche Mängel aus¬ zustellen. Trotz alledem könnten wir aber die Kirche doch noch lieben als die Heimat unsres religiösen Fühlens, vielfach gewiß auch unsres Denkens in Welt- anschauungsdingen, als die Stätte, wo wir manche Feierstunden, vielleicht doch die erhebendsten, erlebt haben. Aber das ist oben das Schlimmste an unsrer brüchigen Kirchlichkeit, daß selbst diese Heimatliebe zur Kirche, die auch der noch haben könnte, der das Dogma ablehnt, oder dem der Pastor nicht ideal, der Gottesdienst nicht erbaulich, die Verfassung nicht volkstümlich genug vorkommt, nicht mehr vorhanden zu sein scheint. Es ist nicht allein kalte oder denkscheue Pietätlosigkeit bei uns, die schuld ist an diesem Mangel kirchlicher Heimatliebe: leider hat uns auch die Wissenschaft, die wir mit Recht hoch schätzen, in diese» Richtung erzogen. Unsre Geschichtsschreiber haben gar so viel von kirchlicher Anmaßung und Bevormundung erzählt, sie haben uns für den Freiheitskampf begeistert, den der deutsche und der moderne Staatsgedanke gegen die Kirchen führen müßten. Unsere Philosophen haben mit Hegel den Staat als die Verwirk¬ lichung der kosmischen Vernunftidee, oder mit den Positivisten als die große Machtorganisation zur Durchführung der wirtschaftlichen und kulturellen Auf¬ gaben der Menschheit gepriesen. In der modernen Wertüberzeugung wurden Arbeit und sichtbare Leistung einseitig geschätzt. Welcher Wert blieb da neben dem Staat für die Kirche übrig? Der Staat sei ja alles, so hat man uns erst in den letzten Jahren, während des Krieges, ganz besonders eingeschärft; er könne jedes Opfer verlangen, Patriotismus müsse die höchste, die beherrschende Empfindung in jedes Mannes Brust sein. Nun, der Staat, für den wir gekämpft haben, das neue Reich unter der Hohenzollernkrone, ist heute zerbrochen. Klar ist heute vor allen Augen, daß überspanntes Vertrauen auf Staatsallmacht ein Götzendienst ist, der ein'Menschenwerk auf den Thron der Ideale setzt. Wir können heute wieder begreifen, daß diejenige Philosophie und Geschichtslehre im Irrtum befangen sind, die vom Staat allein alles Heil erwarten. Der Kultur¬ mensch ist nicht allein im Staat sozial organisiert, sondern auch in andern kollek¬ tiven Mächten. Und eine wichtige von diesen äst die Kirche, in die wir hinein¬ geboren sind. Auch sie hat Anspruch auf onem Patriotismus, eine Heimatliebe, so gut wie der Staat. Es ist an der Zeit, daß wir gebildeten Protestanten in die Tiefen unsrer Herzen steigen und dort die alte Anhänglichkeit an die Kirche wieder erwecken. Mögen wir vom lutherischen Dogma oder von den landeskirchlichen Verfassungen, wie sie bisher waren, viel oder wenig gehalten haben; in dem Augenblick, wo die Kirche vom siegreichen Sozialismus in ihrer Existenz bedroht und die völlige Entchristlichung unsrer Volksbildung und unsres öffentlichen -Lebens angekündigt ist, gehören wir an die Seite der Kirche. Als 1914 der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335181/86>, abgerufen am 02.05.2024.