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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Winkel sind sie allzeit durchzogen von duftenden Blüten, in denen es wie im
Märchenwalde singt und klingt -- nicht nur, daß reale Tatsachen ihre Farbe vom
Künstler erhalten, sondern daß ebenso zwischen ihnen Werkstattarbeit aus der
Dichterschmiede greifbar wird. Storm war eine mitteilsame Natur. Seine Lieben
nutzten an allem teilnehmen, was ihn bewegte. Er war so innig mit ihnen
verwachsen, daß er eins seiner Kinder sein "literarisches Gewissen" nannte. Das
Wort vom "passionierten Vater" war keine Phrase, sondern Erlebnis. Einerseits
die Mitteilungen an die beiden Freunde Brinkmann und Petersen, andererseits
sein Briefwechsel mit Paul Heyse ergänzen das Bild vom Dichter nach der Seite
des öffentlichen Lebens. Geradezu überraschend sind oft die Schlaglichter, die des
Dichters Stellungnahme zu Menschen und Welt der Gegenwart in ihnen auf
seinen Charakter wirft. Da ist Storm ganz der aufrechte starke Mann, den die
Welt so manchmal hinter dein weichen verträumten Poeten nicht Hut sehen wollen
Und der er doch immer in seinein ganzen Lebenswerke gewesen ist.

Die beiden Briesbände an seine über alles geliebte Frau Konstanze umfassen
die Jahre von 1844--1846 und von 1852--1864, die Briefe an seine Kinoer die
Zeit nach dem Tode der Mutter bis 1888, die an die Freunde Brinkmann und
Petersen den Zeitraum von 1850--1887. Mit Paul Heyse hat er von 1854 bis
5" seinem Tode im Briefwechsel gestanden. Die weite Spanne dieser Jahre
schließt neben frohen Tagen schwere Lebenslagen für den Menschen und Künstler
M sich. Wir kennen vieles davon bereits aus den gemütsinnigen Darstellungen
seiner Tochter Gertrud und seiner Freunde und Biographen. Aber wir leben und
neben, sorgen und schaffen, streiten und freuen uns herzlicher mit dem Dichter,
wenn wir mit seinen eigenen Augen und Ohren sehen und hören. Viel Menschliches
steckt zwischen den Zeilen, auch Hart-alltägliches, das den Dichter scharf gepackt
hat. Doch niemand, der das Leben wie Storm liebt, kann sich dem Zauber ent-
Zlehen, der in seinem Bekenntnis liegt: "O das Leben ist sehr nüchtern, wenn
Man selbst nicht das bißchen Poesie hätte, womit mein's ansieht, das ist wie ein
farbiges Brillenglas."

Es bleibt zweifelhaft, ob die einzelne Natur der Persönlichkeit Storms von
der Dichtung oder vom Briefe aus nahekommt, so viel ist bei Storm aber gewiß,
daß zu seiner vollen Würdigung, zum Genießen sowohl wie zum Durchdringen
fernes Lebenswerkes beides gehört: Brief und Dichtung. Darum bedeutet es ein
Verdienst der Herausgeber und der Verleger, die Briefe dem deutschen Volk mit-
geteilt zu haben. Damit hat das Werk des Heidesängers eine überaus wertvolle
Ergänzung erfahren. "Und wimmert auch einmal das Herz, stoß an und laß
es klingen -- wir wissen's doch, ein rechtes Herz ist gar nicht umzubringen." So
fang Storm einst im Herbst. Mannhaft und aufrecht hat er sich durch schwere
stunden durchgerungen. Darum weiß er uns und unserm gesamten Volke heute
>" Viel tvaldemar Müsiner zu sagen.


Max Scheler, Die Ursache" des Deutschenhasses. Eine nationalpädagogische
Erörterung. 1. Aufl. K, Wolff. Leipzig. 192 S. 2. Aufl. Neue Geist-Verlag
ebenda. 158 S. Geh. 3,60 M.

b K wertvolle Bücher der Kriegszeit rühmlich bekannte Verfasser
behauptet: es ist zunächst unabhängig von dem deutschen Problem als Kom¬
plementärerscheinung unseres technischen Zeitalters, mit seinem Geiste ungehemmter
srner Konkurrenz, seiner Gewinnsucht, Genußsucht und tiefgehenden Verwilderung
r moralischen Lebensformen überhaupt, des Neides und Hasses zwischen Unter-
und Oberschichten desselben Volkes und zwischen den einzelnen Völkern eine Affekt-
menge, ein Haßkapital in der ganzen europäischen Seele aufgespeichert. Dieses
umverselle Haßkapital gewann aber einen gewissen Richtungs- und Neigungs¬
winkel auf die Mittemächte, wodurch der dispositionelle Hintergrund für die
vewndere Form des Deutschenhasses geschaffen wurde. Scheler glaubt die Mög-
uaikeit dieser Einstellung mit einer verschiedenen Druckverteilung begründen zu
<Kirisofern nämlich die erwähnten generellen Faktoren der europäischen
^eytesgeschichte innerhalb der Sphäre der Mittemächte weniger stark und weniger


Neue Lücher

Winkel sind sie allzeit durchzogen von duftenden Blüten, in denen es wie im
Märchenwalde singt und klingt — nicht nur, daß reale Tatsachen ihre Farbe vom
Künstler erhalten, sondern daß ebenso zwischen ihnen Werkstattarbeit aus der
Dichterschmiede greifbar wird. Storm war eine mitteilsame Natur. Seine Lieben
nutzten an allem teilnehmen, was ihn bewegte. Er war so innig mit ihnen
verwachsen, daß er eins seiner Kinder sein „literarisches Gewissen" nannte. Das
Wort vom „passionierten Vater" war keine Phrase, sondern Erlebnis. Einerseits
die Mitteilungen an die beiden Freunde Brinkmann und Petersen, andererseits
sein Briefwechsel mit Paul Heyse ergänzen das Bild vom Dichter nach der Seite
des öffentlichen Lebens. Geradezu überraschend sind oft die Schlaglichter, die des
Dichters Stellungnahme zu Menschen und Welt der Gegenwart in ihnen auf
seinen Charakter wirft. Da ist Storm ganz der aufrechte starke Mann, den die
Welt so manchmal hinter dein weichen verträumten Poeten nicht Hut sehen wollen
Und der er doch immer in seinein ganzen Lebenswerke gewesen ist.

Die beiden Briesbände an seine über alles geliebte Frau Konstanze umfassen
die Jahre von 1844—1846 und von 1852—1864, die Briefe an seine Kinoer die
Zeit nach dem Tode der Mutter bis 1888, die an die Freunde Brinkmann und
Petersen den Zeitraum von 1850—1887. Mit Paul Heyse hat er von 1854 bis
5» seinem Tode im Briefwechsel gestanden. Die weite Spanne dieser Jahre
schließt neben frohen Tagen schwere Lebenslagen für den Menschen und Künstler
M sich. Wir kennen vieles davon bereits aus den gemütsinnigen Darstellungen
seiner Tochter Gertrud und seiner Freunde und Biographen. Aber wir leben und
neben, sorgen und schaffen, streiten und freuen uns herzlicher mit dem Dichter,
wenn wir mit seinen eigenen Augen und Ohren sehen und hören. Viel Menschliches
steckt zwischen den Zeilen, auch Hart-alltägliches, das den Dichter scharf gepackt
hat. Doch niemand, der das Leben wie Storm liebt, kann sich dem Zauber ent-
Zlehen, der in seinem Bekenntnis liegt: „O das Leben ist sehr nüchtern, wenn
Man selbst nicht das bißchen Poesie hätte, womit mein's ansieht, das ist wie ein
farbiges Brillenglas."

Es bleibt zweifelhaft, ob die einzelne Natur der Persönlichkeit Storms von
der Dichtung oder vom Briefe aus nahekommt, so viel ist bei Storm aber gewiß,
daß zu seiner vollen Würdigung, zum Genießen sowohl wie zum Durchdringen
fernes Lebenswerkes beides gehört: Brief und Dichtung. Darum bedeutet es ein
Verdienst der Herausgeber und der Verleger, die Briefe dem deutschen Volk mit-
geteilt zu haben. Damit hat das Werk des Heidesängers eine überaus wertvolle
Ergänzung erfahren. „Und wimmert auch einmal das Herz, stoß an und laß
es klingen — wir wissen's doch, ein rechtes Herz ist gar nicht umzubringen." So
fang Storm einst im Herbst. Mannhaft und aufrecht hat er sich durch schwere
stunden durchgerungen. Darum weiß er uns und unserm gesamten Volke heute
>" Viel tvaldemar Müsiner zu sagen.


Max Scheler, Die Ursache» des Deutschenhasses. Eine nationalpädagogische
Erörterung. 1. Aufl. K, Wolff. Leipzig. 192 S. 2. Aufl. Neue Geist-Verlag
ebenda. 158 S. Geh. 3,60 M.

b K wertvolle Bücher der Kriegszeit rühmlich bekannte Verfasser
behauptet: es ist zunächst unabhängig von dem deutschen Problem als Kom¬
plementärerscheinung unseres technischen Zeitalters, mit seinem Geiste ungehemmter
srner Konkurrenz, seiner Gewinnsucht, Genußsucht und tiefgehenden Verwilderung
r moralischen Lebensformen überhaupt, des Neides und Hasses zwischen Unter-
und Oberschichten desselben Volkes und zwischen den einzelnen Völkern eine Affekt-
menge, ein Haßkapital in der ganzen europäischen Seele aufgespeichert. Dieses
umverselle Haßkapital gewann aber einen gewissen Richtungs- und Neigungs¬
winkel auf die Mittemächte, wodurch der dispositionelle Hintergrund für die
vewndere Form des Deutschenhasses geschaffen wurde. Scheler glaubt die Mög-
uaikeit dieser Einstellung mit einer verschiedenen Druckverteilung begründen zu
<Kirisofern nämlich die erwähnten generellen Faktoren der europäischen
^eytesgeschichte innerhalb der Sphäre der Mittemächte weniger stark und weniger


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[0107] Neue Lücher Winkel sind sie allzeit durchzogen von duftenden Blüten, in denen es wie im Märchenwalde singt und klingt — nicht nur, daß reale Tatsachen ihre Farbe vom Künstler erhalten, sondern daß ebenso zwischen ihnen Werkstattarbeit aus der Dichterschmiede greifbar wird. Storm war eine mitteilsame Natur. Seine Lieben nutzten an allem teilnehmen, was ihn bewegte. Er war so innig mit ihnen verwachsen, daß er eins seiner Kinder sein „literarisches Gewissen" nannte. Das Wort vom „passionierten Vater" war keine Phrase, sondern Erlebnis. Einerseits die Mitteilungen an die beiden Freunde Brinkmann und Petersen, andererseits sein Briefwechsel mit Paul Heyse ergänzen das Bild vom Dichter nach der Seite des öffentlichen Lebens. Geradezu überraschend sind oft die Schlaglichter, die des Dichters Stellungnahme zu Menschen und Welt der Gegenwart in ihnen auf seinen Charakter wirft. Da ist Storm ganz der aufrechte starke Mann, den die Welt so manchmal hinter dein weichen verträumten Poeten nicht Hut sehen wollen Und der er doch immer in seinein ganzen Lebenswerke gewesen ist. Die beiden Briesbände an seine über alles geliebte Frau Konstanze umfassen die Jahre von 1844—1846 und von 1852—1864, die Briefe an seine Kinoer die Zeit nach dem Tode der Mutter bis 1888, die an die Freunde Brinkmann und Petersen den Zeitraum von 1850—1887. Mit Paul Heyse hat er von 1854 bis 5» seinem Tode im Briefwechsel gestanden. Die weite Spanne dieser Jahre schließt neben frohen Tagen schwere Lebenslagen für den Menschen und Künstler M sich. Wir kennen vieles davon bereits aus den gemütsinnigen Darstellungen seiner Tochter Gertrud und seiner Freunde und Biographen. Aber wir leben und neben, sorgen und schaffen, streiten und freuen uns herzlicher mit dem Dichter, wenn wir mit seinen eigenen Augen und Ohren sehen und hören. Viel Menschliches steckt zwischen den Zeilen, auch Hart-alltägliches, das den Dichter scharf gepackt hat. Doch niemand, der das Leben wie Storm liebt, kann sich dem Zauber ent- Zlehen, der in seinem Bekenntnis liegt: „O das Leben ist sehr nüchtern, wenn Man selbst nicht das bißchen Poesie hätte, womit mein's ansieht, das ist wie ein farbiges Brillenglas." Es bleibt zweifelhaft, ob die einzelne Natur der Persönlichkeit Storms von der Dichtung oder vom Briefe aus nahekommt, so viel ist bei Storm aber gewiß, daß zu seiner vollen Würdigung, zum Genießen sowohl wie zum Durchdringen fernes Lebenswerkes beides gehört: Brief und Dichtung. Darum bedeutet es ein Verdienst der Herausgeber und der Verleger, die Briefe dem deutschen Volk mit- geteilt zu haben. Damit hat das Werk des Heidesängers eine überaus wertvolle Ergänzung erfahren. „Und wimmert auch einmal das Herz, stoß an und laß es klingen — wir wissen's doch, ein rechtes Herz ist gar nicht umzubringen." So fang Storm einst im Herbst. Mannhaft und aufrecht hat er sich durch schwere stunden durchgerungen. Darum weiß er uns und unserm gesamten Volke heute >" Viel tvaldemar Müsiner zu sagen. Max Scheler, Die Ursache» des Deutschenhasses. Eine nationalpädagogische Erörterung. 1. Aufl. K, Wolff. Leipzig. 192 S. 2. Aufl. Neue Geist-Verlag ebenda. 158 S. Geh. 3,60 M. b K wertvolle Bücher der Kriegszeit rühmlich bekannte Verfasser behauptet: es ist zunächst unabhängig von dem deutschen Problem als Kom¬ plementärerscheinung unseres technischen Zeitalters, mit seinem Geiste ungehemmter srner Konkurrenz, seiner Gewinnsucht, Genußsucht und tiefgehenden Verwilderung r moralischen Lebensformen überhaupt, des Neides und Hasses zwischen Unter- und Oberschichten desselben Volkes und zwischen den einzelnen Völkern eine Affekt- menge, ein Haßkapital in der ganzen europäischen Seele aufgespeichert. Dieses umverselle Haßkapital gewann aber einen gewissen Richtungs- und Neigungs¬ winkel auf die Mittemächte, wodurch der dispositionelle Hintergrund für die vewndere Form des Deutschenhasses geschaffen wurde. Scheler glaubt die Mög- uaikeit dieser Einstellung mit einer verschiedenen Druckverteilung begründen zu <Kirisofern nämlich die erwähnten generellen Faktoren der europäischen ^eytesgeschichte innerhalb der Sphäre der Mittemächte weniger stark und weniger

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/107>, abgerufen am 29.04.2024.