Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Aonservativismus, Äeutschnationale Volkspartei
und Weltrevolution
Dr. in"x Ljildebert Bochen von

is nach der Revolution die Erschütterung des gesamten politischen
Lebens er>f das Parteiwesen übergriff, mußten auch die Rechts¬
parteien in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Mode der neuen
Firmenschilder griff in allen bürgerlichen Parteien um sich, das
Bedürfnis nach taktischer Zusammenfassung war allgemein, und
so schlössen sich die beiden konservativen Parteien in einer neuen
Partei zusammen, die den nationalen Gedanken in den Vordergrund schob, hinter
dein inMeV'Tut die Parteidifferenzen im Augenblick stark zurücktreten mußten.
Das Losungswort zog noch weitere Kreise an sich, so daß in der Tat ein neues
Pi,rteibild entstand, das nicht als eine einfache Fortsetzung des alten Konservati¬
vismus angesprochen werden konnte.

Schon von vornherein machte die Deutschkonservative Partei bei ihrem
Anschluß an die Deutschnationale Volkspartei den Vorbehalt, daß sie ein völliges
Aufgehen vermeiden wolle. Jetzt nach über ein viertel Jahr Deutschnationaler
Volkspartei haben die Konservativen die Tagung des Hauptvorstandes der neuen
Partei zum Anlaß genommen, um jenen Vorbehalt noch einmal zu unterstreichen,
und die Kreuzzeitung bringt einen längeren Osterartikel des Grafen Westarp,
der nicht sowohl von taktischen als von ideellen Gesichtspunkt aus die innere
Selbständigkeit und den Fortbestand des reinen Konservativismus fordert. Man
darf annehmen, daß der bekannte konservative Parteiführer damit nicht sowohl
ein persönliches Bekenntnis ablegen, daß er vielmehr dem Grundempfinden breiter
Kreise seiner engeren FrnkiionSfreunde einen sichtbaren dokumentarischen Ausdruck
geben wollte. Es scheint damit nicht unangebracht, die von konservativer Seite
selber angeschnittene Diskussion aufzunehmen und sich aufs neue die Frage vor¬
zulegen: in welchem Sinne und in welchen: Ausmaße hat der Konservativismus
auch heute noch das Recht aus selbständige Existenz?

Es ist eine durchgängige Erscheinung, daß politische Parteibezeichnungen
Nur unvollkommen den'Jdeenbestcmd decken, der unter ihrer Flagge segelt. Es
ist aber mit einem solchen Auseinanderklaffen von Parteiname und Parteiidee
die Gefahr verknüpft, daß es nicht nur von der gegnerischen Polemik ausgenutzt
wird, sondern daß es darüber hinaus die Partei um diejenige Werbekraft bringt,
die sie haben könnte, wenn schon in ihrem Namen ihr Wille und ihre Wegrichtung
klar zum Ausdruck kämm. Es steht außer jedem Zweifel, daß die polnische
Mentalität, die sich konservativ nennt, nur zu einem Teil durch den Willen zur
E,Haltung des Bestehenden gekennzeichnet ist. Es wäre in der Tat traurig um
eine politische Gruppe bestellt, die in diesem engen Sinns lediglich festhalten


Grenzvotcn II 1919 S


Aonservativismus, Äeutschnationale Volkspartei
und Weltrevolution
Dr. in«x Ljildebert Bochen von

is nach der Revolution die Erschütterung des gesamten politischen
Lebens er>f das Parteiwesen übergriff, mußten auch die Rechts¬
parteien in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Mode der neuen
Firmenschilder griff in allen bürgerlichen Parteien um sich, das
Bedürfnis nach taktischer Zusammenfassung war allgemein, und
so schlössen sich die beiden konservativen Parteien in einer neuen
Partei zusammen, die den nationalen Gedanken in den Vordergrund schob, hinter
dein inMeV'Tut die Parteidifferenzen im Augenblick stark zurücktreten mußten.
Das Losungswort zog noch weitere Kreise an sich, so daß in der Tat ein neues
Pi,rteibild entstand, das nicht als eine einfache Fortsetzung des alten Konservati¬
vismus angesprochen werden konnte.

Schon von vornherein machte die Deutschkonservative Partei bei ihrem
Anschluß an die Deutschnationale Volkspartei den Vorbehalt, daß sie ein völliges
Aufgehen vermeiden wolle. Jetzt nach über ein viertel Jahr Deutschnationaler
Volkspartei haben die Konservativen die Tagung des Hauptvorstandes der neuen
Partei zum Anlaß genommen, um jenen Vorbehalt noch einmal zu unterstreichen,
und die Kreuzzeitung bringt einen längeren Osterartikel des Grafen Westarp,
der nicht sowohl von taktischen als von ideellen Gesichtspunkt aus die innere
Selbständigkeit und den Fortbestand des reinen Konservativismus fordert. Man
darf annehmen, daß der bekannte konservative Parteiführer damit nicht sowohl
ein persönliches Bekenntnis ablegen, daß er vielmehr dem Grundempfinden breiter
Kreise seiner engeren FrnkiionSfreunde einen sichtbaren dokumentarischen Ausdruck
geben wollte. Es scheint damit nicht unangebracht, die von konservativer Seite
selber angeschnittene Diskussion aufzunehmen und sich aufs neue die Frage vor¬
zulegen: in welchem Sinne und in welchen: Ausmaße hat der Konservativismus
auch heute noch das Recht aus selbständige Existenz?

Es ist eine durchgängige Erscheinung, daß politische Parteibezeichnungen
Nur unvollkommen den'Jdeenbestcmd decken, der unter ihrer Flagge segelt. Es
ist aber mit einem solchen Auseinanderklaffen von Parteiname und Parteiidee
die Gefahr verknüpft, daß es nicht nur von der gegnerischen Polemik ausgenutzt
wird, sondern daß es darüber hinaus die Partei um diejenige Werbekraft bringt,
die sie haben könnte, wenn schon in ihrem Namen ihr Wille und ihre Wegrichtung
klar zum Ausdruck kämm. Es steht außer jedem Zweifel, daß die polnische
Mentalität, die sich konservativ nennt, nur zu einem Teil durch den Willen zur
E,Haltung des Bestehenden gekennzeichnet ist. Es wäre in der Tat traurig um
eine politische Gruppe bestellt, die in diesem engen Sinns lediglich festhalten


Grenzvotcn II 1919 S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0109" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335519"/>
            <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341909_335407/figures/grenzboten_341909_335407_335519_000.jpg"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Aonservativismus, Äeutschnationale Volkspartei<lb/>
und Weltrevolution<lb/><note type="byline"> Dr. in«x Ljildebert Bochen</note> von </head><lb/>
          <p xml:id="ID_435"> is nach der Revolution die Erschütterung des gesamten politischen<lb/>
Lebens er&gt;f das Parteiwesen übergriff, mußten auch die Rechts¬<lb/>
parteien in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Mode der neuen<lb/>
Firmenschilder griff in allen bürgerlichen Parteien um sich, das<lb/>
Bedürfnis nach taktischer Zusammenfassung war allgemein, und<lb/>
so schlössen sich die beiden konservativen Parteien in einer neuen<lb/>
Partei zusammen, die den nationalen Gedanken in den Vordergrund schob, hinter<lb/>
dein inMeV'Tut die Parteidifferenzen im Augenblick stark zurücktreten mußten.<lb/>
Das Losungswort zog noch weitere Kreise an sich, so daß in der Tat ein neues<lb/>
Pi,rteibild entstand, das nicht als eine einfache Fortsetzung des alten Konservati¬<lb/>
vismus angesprochen werden konnte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_436"> Schon von vornherein machte die Deutschkonservative Partei bei ihrem<lb/>
Anschluß an die Deutschnationale Volkspartei den Vorbehalt, daß sie ein völliges<lb/>
Aufgehen vermeiden wolle. Jetzt nach über ein viertel Jahr Deutschnationaler<lb/>
Volkspartei haben die Konservativen die Tagung des Hauptvorstandes der neuen<lb/>
Partei zum Anlaß genommen, um jenen Vorbehalt noch einmal zu unterstreichen,<lb/>
und die Kreuzzeitung bringt einen längeren Osterartikel des Grafen Westarp,<lb/>
der nicht sowohl von taktischen als von ideellen Gesichtspunkt aus die innere<lb/>
Selbständigkeit und den Fortbestand des reinen Konservativismus fordert. Man<lb/>
darf annehmen, daß der bekannte konservative Parteiführer damit nicht sowohl<lb/>
ein persönliches Bekenntnis ablegen, daß er vielmehr dem Grundempfinden breiter<lb/>
Kreise seiner engeren FrnkiionSfreunde einen sichtbaren dokumentarischen Ausdruck<lb/>
geben wollte. Es scheint damit nicht unangebracht, die von konservativer Seite<lb/>
selber angeschnittene Diskussion aufzunehmen und sich aufs neue die Frage vor¬<lb/>
zulegen: in welchem Sinne und in welchen: Ausmaße hat der Konservativismus<lb/>
auch heute noch das Recht aus selbständige Existenz?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_437" next="#ID_438"> Es ist eine durchgängige Erscheinung, daß politische Parteibezeichnungen<lb/>
Nur unvollkommen den'Jdeenbestcmd decken, der unter ihrer Flagge segelt. Es<lb/>
ist aber mit einem solchen Auseinanderklaffen von Parteiname und Parteiidee<lb/>
die Gefahr verknüpft, daß es nicht nur von der gegnerischen Polemik ausgenutzt<lb/>
wird, sondern daß es darüber hinaus die Partei um diejenige Werbekraft bringt,<lb/>
die sie haben könnte, wenn schon in ihrem Namen ihr Wille und ihre Wegrichtung<lb/>
klar zum Ausdruck kämm. Es steht außer jedem Zweifel, daß die polnische<lb/>
Mentalität, die sich konservativ nennt, nur zu einem Teil durch den Willen zur<lb/>
E,Haltung des Bestehenden gekennzeichnet ist. Es wäre in der Tat traurig um<lb/>
eine politische Gruppe bestellt, die in diesem engen Sinns lediglich festhalten</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzvotcn II 1919 S</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0109] [Abbildung] Aonservativismus, Äeutschnationale Volkspartei und Weltrevolution Dr. in«x Ljildebert Bochen von is nach der Revolution die Erschütterung des gesamten politischen Lebens er>f das Parteiwesen übergriff, mußten auch die Rechts¬ parteien in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Mode der neuen Firmenschilder griff in allen bürgerlichen Parteien um sich, das Bedürfnis nach taktischer Zusammenfassung war allgemein, und so schlössen sich die beiden konservativen Parteien in einer neuen Partei zusammen, die den nationalen Gedanken in den Vordergrund schob, hinter dein inMeV'Tut die Parteidifferenzen im Augenblick stark zurücktreten mußten. Das Losungswort zog noch weitere Kreise an sich, so daß in der Tat ein neues Pi,rteibild entstand, das nicht als eine einfache Fortsetzung des alten Konservati¬ vismus angesprochen werden konnte. Schon von vornherein machte die Deutschkonservative Partei bei ihrem Anschluß an die Deutschnationale Volkspartei den Vorbehalt, daß sie ein völliges Aufgehen vermeiden wolle. Jetzt nach über ein viertel Jahr Deutschnationaler Volkspartei haben die Konservativen die Tagung des Hauptvorstandes der neuen Partei zum Anlaß genommen, um jenen Vorbehalt noch einmal zu unterstreichen, und die Kreuzzeitung bringt einen längeren Osterartikel des Grafen Westarp, der nicht sowohl von taktischen als von ideellen Gesichtspunkt aus die innere Selbständigkeit und den Fortbestand des reinen Konservativismus fordert. Man darf annehmen, daß der bekannte konservative Parteiführer damit nicht sowohl ein persönliches Bekenntnis ablegen, daß er vielmehr dem Grundempfinden breiter Kreise seiner engeren FrnkiionSfreunde einen sichtbaren dokumentarischen Ausdruck geben wollte. Es scheint damit nicht unangebracht, die von konservativer Seite selber angeschnittene Diskussion aufzunehmen und sich aufs neue die Frage vor¬ zulegen: in welchem Sinne und in welchen: Ausmaße hat der Konservativismus auch heute noch das Recht aus selbständige Existenz? Es ist eine durchgängige Erscheinung, daß politische Parteibezeichnungen Nur unvollkommen den'Jdeenbestcmd decken, der unter ihrer Flagge segelt. Es ist aber mit einem solchen Auseinanderklaffen von Parteiname und Parteiidee die Gefahr verknüpft, daß es nicht nur von der gegnerischen Polemik ausgenutzt wird, sondern daß es darüber hinaus die Partei um diejenige Werbekraft bringt, die sie haben könnte, wenn schon in ihrem Namen ihr Wille und ihre Wegrichtung klar zum Ausdruck kämm. Es steht außer jedem Zweifel, daß die polnische Mentalität, die sich konservativ nennt, nur zu einem Teil durch den Willen zur E,Haltung des Bestehenden gekennzeichnet ist. Es wäre in der Tat traurig um eine politische Gruppe bestellt, die in diesem engen Sinns lediglich festhalten Grenzvotcn II 1919 S

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/109
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/109>, abgerufen am 29.04.2024.