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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Formationen aus Drama, Xanthi werden zurückgezogen, deutsche und österreichische
Truppen nach Sofia gelebt, Vorbereitung zum Abtransport der Zivilbevölkerungen
werden getroffen. Bei Risch marschieren die deutschen Truppen aus Altbulgarien
auf. In Deutschland wird die Wendung der Dinge mit Ruhe aufgenommen,
der Reichstag erklärt sich einmütig für entschlossene Fortsetzung des Krieges. Am
(>, Oktober ist durch Besetzung Wranjas Risch direkt bedroht. Der von den bul¬
garischen Deputierten und dem französischen General Franchet d'ESpey unter¬
zeichnete Waffenstillstand wird von der Sobrcinje gebilligt. König Ferdinand
dankt zugunsten des Kronprinzen Boris ab, das Kabinett demissionier!; eine
Ententekontrollkommission übernimmt sämtliche Verkehrsmittel in Bulgarien; Be¬
setzung der wichtigsten strategischen Punkte. Am 7. Oktober ging der letzte Balkan-
zng nach der Heimat. Durch Einrichtung eines regelmäßigen Seeverkehrs zwischen
Vraila und Konstantinopel ist die Gesahr einer völligen Abtrennung vou Europa
zunächst vermieden. Bulgarien sucht nunmehr den Abiransport der Truppen und
Zivilisten direkt zu verhindern; am 12. Oktober läßt es keine Truppentransport-
züge mehr über die Grenze, deren Schutz Ententetruppen übernehmen. Am
13. Oktober stehen französische Truppen bei Küstendil. Es stellt sich heraus, daß Bul¬
garien schon seit dem Frühjahr in geheimen Verhandlungen mit der Entente gestanden
hat -- via amerikanische Botschafter Murphy (Sofia) -- und für den Ausfall an
serbisch-griechischem Geblök durch türkisches Gebiet bis zur Tschadn'-tschalinie ent¬
schädigt werden soll. Nunmehr erscheinen Konstantinopel und die Meerengen
ernstlich bedroht. Zur Verteidigung der Hauptstadt werden alle verfügbaren Armee-
streitkräfts herangezogen: die für Thrazien bestimmten Truppen und die durch
Einstellung der Kaukasusoperation freiwerdende Armee. Die Marine zieht ihre
Formationen aus Bulgarien und Syrien zurück. Es wird zunächst versucht werden,
Konstantinopel und die Meerengen unter allen Umständen zu halten. Sultan
Jawus Selim -- ex Gocben -- soll im Fall eines Sonderfriedensschlnsses der
Türkei zunächst nach dein Schwarzen Meer gehen, um Sebastopol, den einzigen
noch verbleibenden Stützpunkt, solange als möglich zu halten und den Kampf
gegen die Entente fortzusetzen. In Konstantinopel werden umfassende Maßnahmen
5" einer eventuellen Räumung der Stadt getroffen. Die österreichische Donau-
flottille sichert Schiffahrt Vraila, Turme-Severin. Da in Warna fünf Torpedo¬
boote und ein U-Boot liegen, die gegebenenfalls unsere Schwarzmeertransporte
stören könnten, ist vor Hafen und längs Küste zur Einschüchterung bulgarischer
Rolle Zeichen deutscher Kriegsflagge beabsichtigt.


Türkei.

Die türkische Neaierung hat seit Ausbruch der Krise sich Deutschland gegenüber
>vhal verbellten wohl weil man hoffte, im Falle eines gemeinsamen Friedens mit
Deutschland günstigere Bedingungen zu erlangen. Am t'. Oktober erfolgte gesondert
die türkische Friedensnote an Wilson. Man sagt, die Türkei habe bereits gehen"
mit der Entente verhandelt (Maki von Smyrna). Wilson habe jedoch Bedingungen
^stellt, n. a Auslieferung von 120 Hauptschuldigen der Armenierverfolgung, auf
die selbst die Türkei nicht habe eingehen können. Ein großer Teil der Presse
polemisierte anfangs scharf gegen das alte Kabinett, versteckt gegen den deutschen
Bundesgenossen. Mir wollen Frieden; es ist klar, daß dasselbe Kabinett, welches
Krieg geführt hat. nicht am Friedensschluß beteiligt sein darf." Das war der
Tenor sämtlicher Presseäußerungen. Am 7. Oktober-dcnnsstoinerte das Kabinett.
Talaat Pascha, Tewsik Pascha, dann Jzzet Pascha werden vom Sultan und
der Neubildung des Kabinetts betraut. Zugleich wurde die Parder "Union et
swUes" einer durchgreifenden Umbildung unterzogen. Die Kabinettsbildung
stoßt zunächst auf Schwierigkeiten; Tewsik tritt zurück und Jzzet ubermmmt allein
diese Aufgabe, die nach längerer Verzögerung am 13. Oktober dnrch Einsetzen des
neuen Kabinetts gelöst wird. In einer Programmrede betont Haut, der Kammer¬
präsident, das Mitwirken der Türkei in diesem Kriege und die Hoffnungen auf
Wien ehrenvollen Frieden. Einzelne Blätter polemisieren gegen dieses Kabinett


Grenzvoten II 1919 21
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Formationen aus Drama, Xanthi werden zurückgezogen, deutsche und österreichische
Truppen nach Sofia gelebt, Vorbereitung zum Abtransport der Zivilbevölkerungen
werden getroffen. Bei Risch marschieren die deutschen Truppen aus Altbulgarien
auf. In Deutschland wird die Wendung der Dinge mit Ruhe aufgenommen,
der Reichstag erklärt sich einmütig für entschlossene Fortsetzung des Krieges. Am
(>, Oktober ist durch Besetzung Wranjas Risch direkt bedroht. Der von den bul¬
garischen Deputierten und dem französischen General Franchet d'ESpey unter¬
zeichnete Waffenstillstand wird von der Sobrcinje gebilligt. König Ferdinand
dankt zugunsten des Kronprinzen Boris ab, das Kabinett demissionier!; eine
Ententekontrollkommission übernimmt sämtliche Verkehrsmittel in Bulgarien; Be¬
setzung der wichtigsten strategischen Punkte. Am 7. Oktober ging der letzte Balkan-
zng nach der Heimat. Durch Einrichtung eines regelmäßigen Seeverkehrs zwischen
Vraila und Konstantinopel ist die Gesahr einer völligen Abtrennung vou Europa
zunächst vermieden. Bulgarien sucht nunmehr den Abiransport der Truppen und
Zivilisten direkt zu verhindern; am 12. Oktober läßt es keine Truppentransport-
züge mehr über die Grenze, deren Schutz Ententetruppen übernehmen. Am
13. Oktober stehen französische Truppen bei Küstendil. Es stellt sich heraus, daß Bul¬
garien schon seit dem Frühjahr in geheimen Verhandlungen mit der Entente gestanden
hat — via amerikanische Botschafter Murphy (Sofia) — und für den Ausfall an
serbisch-griechischem Geblök durch türkisches Gebiet bis zur Tschadn'-tschalinie ent¬
schädigt werden soll. Nunmehr erscheinen Konstantinopel und die Meerengen
ernstlich bedroht. Zur Verteidigung der Hauptstadt werden alle verfügbaren Armee-
streitkräfts herangezogen: die für Thrazien bestimmten Truppen und die durch
Einstellung der Kaukasusoperation freiwerdende Armee. Die Marine zieht ihre
Formationen aus Bulgarien und Syrien zurück. Es wird zunächst versucht werden,
Konstantinopel und die Meerengen unter allen Umständen zu halten. Sultan
Jawus Selim — ex Gocben — soll im Fall eines Sonderfriedensschlnsses der
Türkei zunächst nach dein Schwarzen Meer gehen, um Sebastopol, den einzigen
noch verbleibenden Stützpunkt, solange als möglich zu halten und den Kampf
gegen die Entente fortzusetzen. In Konstantinopel werden umfassende Maßnahmen
5" einer eventuellen Räumung der Stadt getroffen. Die österreichische Donau-
flottille sichert Schiffahrt Vraila, Turme-Severin. Da in Warna fünf Torpedo¬
boote und ein U-Boot liegen, die gegebenenfalls unsere Schwarzmeertransporte
stören könnten, ist vor Hafen und längs Küste zur Einschüchterung bulgarischer
Rolle Zeichen deutscher Kriegsflagge beabsichtigt.


Türkei.

Die türkische Neaierung hat seit Ausbruch der Krise sich Deutschland gegenüber
>vhal verbellten wohl weil man hoffte, im Falle eines gemeinsamen Friedens mit
Deutschland günstigere Bedingungen zu erlangen. Am t'. Oktober erfolgte gesondert
die türkische Friedensnote an Wilson. Man sagt, die Türkei habe bereits gehen»
mit der Entente verhandelt (Maki von Smyrna). Wilson habe jedoch Bedingungen
^stellt, n. a Auslieferung von 120 Hauptschuldigen der Armenierverfolgung, auf
die selbst die Türkei nicht habe eingehen können. Ein großer Teil der Presse
polemisierte anfangs scharf gegen das alte Kabinett, versteckt gegen den deutschen
Bundesgenossen. Mir wollen Frieden; es ist klar, daß dasselbe Kabinett, welches
Krieg geführt hat. nicht am Friedensschluß beteiligt sein darf." Das war der
Tenor sämtlicher Presseäußerungen. Am 7. Oktober-dcnnsstoinerte das Kabinett.
Talaat Pascha, Tewsik Pascha, dann Jzzet Pascha werden vom Sultan und
der Neubildung des Kabinetts betraut. Zugleich wurde die Parder »Union et
swUes" einer durchgreifenden Umbildung unterzogen. Die Kabinettsbildung
stoßt zunächst auf Schwierigkeiten; Tewsik tritt zurück und Jzzet ubermmmt allein
diese Aufgabe, die nach längerer Verzögerung am 13. Oktober dnrch Einsetzen des
neuen Kabinetts gelöst wird. In einer Programmrede betont Haut, der Kammer¬
präsident, das Mitwirken der Türkei in diesem Kriege und die Hoffnungen auf
Wien ehrenvollen Frieden. Einzelne Blätter polemisieren gegen dieses Kabinett


Grenzvoten II 1919 21
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[0261] Uonstcintinopcler ^erbstennnornngcn Formationen aus Drama, Xanthi werden zurückgezogen, deutsche und österreichische Truppen nach Sofia gelebt, Vorbereitung zum Abtransport der Zivilbevölkerungen werden getroffen. Bei Risch marschieren die deutschen Truppen aus Altbulgarien auf. In Deutschland wird die Wendung der Dinge mit Ruhe aufgenommen, der Reichstag erklärt sich einmütig für entschlossene Fortsetzung des Krieges. Am (>, Oktober ist durch Besetzung Wranjas Risch direkt bedroht. Der von den bul¬ garischen Deputierten und dem französischen General Franchet d'ESpey unter¬ zeichnete Waffenstillstand wird von der Sobrcinje gebilligt. König Ferdinand dankt zugunsten des Kronprinzen Boris ab, das Kabinett demissionier!; eine Ententekontrollkommission übernimmt sämtliche Verkehrsmittel in Bulgarien; Be¬ setzung der wichtigsten strategischen Punkte. Am 7. Oktober ging der letzte Balkan- zng nach der Heimat. Durch Einrichtung eines regelmäßigen Seeverkehrs zwischen Vraila und Konstantinopel ist die Gesahr einer völligen Abtrennung vou Europa zunächst vermieden. Bulgarien sucht nunmehr den Abiransport der Truppen und Zivilisten direkt zu verhindern; am 12. Oktober läßt es keine Truppentransport- züge mehr über die Grenze, deren Schutz Ententetruppen übernehmen. Am 13. Oktober stehen französische Truppen bei Küstendil. Es stellt sich heraus, daß Bul¬ garien schon seit dem Frühjahr in geheimen Verhandlungen mit der Entente gestanden hat — via amerikanische Botschafter Murphy (Sofia) — und für den Ausfall an serbisch-griechischem Geblök durch türkisches Gebiet bis zur Tschadn'-tschalinie ent¬ schädigt werden soll. Nunmehr erscheinen Konstantinopel und die Meerengen ernstlich bedroht. Zur Verteidigung der Hauptstadt werden alle verfügbaren Armee- streitkräfts herangezogen: die für Thrazien bestimmten Truppen und die durch Einstellung der Kaukasusoperation freiwerdende Armee. Die Marine zieht ihre Formationen aus Bulgarien und Syrien zurück. Es wird zunächst versucht werden, Konstantinopel und die Meerengen unter allen Umständen zu halten. Sultan Jawus Selim — ex Gocben — soll im Fall eines Sonderfriedensschlnsses der Türkei zunächst nach dein Schwarzen Meer gehen, um Sebastopol, den einzigen noch verbleibenden Stützpunkt, solange als möglich zu halten und den Kampf gegen die Entente fortzusetzen. In Konstantinopel werden umfassende Maßnahmen 5" einer eventuellen Räumung der Stadt getroffen. Die österreichische Donau- flottille sichert Schiffahrt Vraila, Turme-Severin. Da in Warna fünf Torpedo¬ boote und ein U-Boot liegen, die gegebenenfalls unsere Schwarzmeertransporte stören könnten, ist vor Hafen und längs Küste zur Einschüchterung bulgarischer Rolle Zeichen deutscher Kriegsflagge beabsichtigt. Türkei. Die türkische Neaierung hat seit Ausbruch der Krise sich Deutschland gegenüber >vhal verbellten wohl weil man hoffte, im Falle eines gemeinsamen Friedens mit Deutschland günstigere Bedingungen zu erlangen. Am t'. Oktober erfolgte gesondert die türkische Friedensnote an Wilson. Man sagt, die Türkei habe bereits gehen» mit der Entente verhandelt (Maki von Smyrna). Wilson habe jedoch Bedingungen ^stellt, n. a Auslieferung von 120 Hauptschuldigen der Armenierverfolgung, auf die selbst die Türkei nicht habe eingehen können. Ein großer Teil der Presse polemisierte anfangs scharf gegen das alte Kabinett, versteckt gegen den deutschen Bundesgenossen. Mir wollen Frieden; es ist klar, daß dasselbe Kabinett, welches Krieg geführt hat. nicht am Friedensschluß beteiligt sein darf." Das war der Tenor sämtlicher Presseäußerungen. Am 7. Oktober-dcnnsstoinerte das Kabinett. Talaat Pascha, Tewsik Pascha, dann Jzzet Pascha werden vom Sultan und der Neubildung des Kabinetts betraut. Zugleich wurde die Parder »Union et swUes" einer durchgreifenden Umbildung unterzogen. Die Kabinettsbildung stoßt zunächst auf Schwierigkeiten; Tewsik tritt zurück und Jzzet ubermmmt allein diese Aufgabe, die nach längerer Verzögerung am 13. Oktober dnrch Einsetzen des neuen Kabinetts gelöst wird. In einer Programmrede betont Haut, der Kammer¬ präsident, das Mitwirken der Türkei in diesem Kriege und die Hoffnungen auf Wien ehrenvollen Frieden. Einzelne Blätter polemisieren gegen dieses Kabinett Grenzvoten II 1919 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/261>, abgerufen am 29.04.2024.