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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Materialien zur ostdeutschen Frage

Polen günstige militärische Grenzen gegen Deutschland oder wichtige Eisenbahn¬
knotenpunkte erhält. Unterschiedslos werden Gebiete, die in verschiedenen Jahr¬
hunderten von Polen losgelöst sind, oder in denen es überhaupt nie geherrscht
hat. jetzt ihm zugesprochen. Die Annahme der vorgeschlagenen Regelung würde
deshalb eine Vergewaltigung von großen, unbestreitbar deutschen Gebieten bedeuten.
Eine solche Regelung würde außerdem den Wilsonschcn Grundsätzen widersprechen,
daß bei Ordnung der nationalen Fragen vermieden werden soll, "neue Elemente
des Zwistes und der Gegnerschaft zu schassen oder alte derartige Elemente zu ver¬
ewigen, die wahrscheinlich mit der Zeit den Frieden Europas und somit der Welt
stören werden".

Oberschlesien.

Das gilt insbesondere zunächst für Oberschlesien. Die vorgesehene Ab¬
trennung des größten Teiles dieses Gebietes stellt einen dnrch nichts zu recht¬
fertigenden Einbruch in das geographische und wirtschaftliche Gefüge des Deutschen
Reiches dar.

Oberschlesien ist seit 1163 außer jedem Zusammenhang mit dem polnischen
Reich. Es gibt in Oberschlesien keine nationalpolnischen Traditionen oder Er¬
innerungen. Von polnischer Vorzeit und polnischer Geschichte weiß der Ober-
schlesier nichts. An den polnischen Freiheitskämpfen hat der Oberschlesier sich
nicht beteiligt. Er stand vielmehr diesen Bewegungen °fremd und teilncchmslos
gegenüber. Für die Abtretung Oberschlesiens kann Polen keinerlei Rechtsansprüche
geltend machen, namentlich nicht solche, die sich auf die Grundsätze des Präsidenten
Wilson stützen. Die für Polen geforderten Gebiete Oberschlesiens werden nicht
von unbestreitbar polnischer Bevölkerung bewohnt. Dementsprechend gaben über
die bisherige Haltung der Bevölkerung die Wahlen von 1903 und 1907 zum
Reichstag deutlich Ausdruck. Vor 1903 ist überhaupt kein polnischer Abgeordneter
gewählt worden. Im Jahre 1907 erhielten bei der allgemeinen gleichen direkten
und vollkommen geheimen Reichstagswahl die Polen 116 090 Stimmen, die
Deutschen 176 287 Stimmen, im Jahre 1912 die Polen 93 029 und die Deutschen
210 l00 Siinunen. Bei den Wahlen zu den Nationalversammlungen des Reiches
im Jahre 1919, an denen alle über 20 Jahre alten Staatsbürger beiderlei Ge¬
schlechts in allgemeiner gleicher direkter und streng geheimer Wahl gewählt haben,
hatten die Polen Wahlenthaltung proklamiert. Es haben trotzdem fast 60 Prozent
aller Wahlberechtigten gewählt und zwar die aufgestellten deutschen Kandidaten.
Da bei den deutschen Wahlen erfahrungsgemäß etwa 10 Prozent der Wähler
aus äußerlichen Gründen verhindert sind, können die Polen höchstens etwa ein
Drittel der wahlberechtigten Stimmen für sich in Anspruch nehmen.

Auch nach dem Zusammenbruch der deutschen Macht fehlten nicht Anzeichen
für den vorwiegend deutschen Charakter Oberschlesiens. Auf Grund der
neuen Bestimmungen konnten die Eltern von 250000 Schulkindern sich entscheiden,
ob sie ihre Kinder in deutscher, polnischer oder mährischer Sprache unterrichten
lassen wollten. Es haben sich die Eltern von nicht, ganz 22 Prozent der Schul¬
kinder für den Unterricht in nichtdcutscher Sprache erklärt. Die polnische Sprache
(das Hochpolnische) ist nicht die Sprache des einen polnischen Dialekt (wasscr-
polnisch) sprechenden Oberschlesiers. Dieser Dialekt, den neben Deutsch ein erheblicher
Teil der Oberschlesier spricht, ist eine deutschpolnische Mischsprache, die niemals
Schriftsprache und niemals Urknndensprache gewesen ist. Sie stellt kein Kennzeichen der
Nationcililät dar, namentlich zum deutschen Nationalbewußtsein. Der Anteil der
mährischen (tschechoslowakischen) Bevölkerung beträgt nach der letzten Volkszählung
un Kreise Ratibor 39,7 Prozent, im Kreise Leobschütz nur 7,6 Prozent. Es kann
also anch in diesen beiden Kreisen voll einer überwiegend tschechoslowakische
Bevölkerung nicht gesprochen werden.

Oberschlesien verdankt seine ganze Entwicklung in geistiger und kultureller
Beziehung deutscher Arbeit. Die Vertreter und Führer der Kunst und Wissenschaft,
me Führer des wirtschaftlichen Lebens im Handel und Gewerbe, in Landwirtschaft


Materialien zur ostdeutschen Frage

Polen günstige militärische Grenzen gegen Deutschland oder wichtige Eisenbahn¬
knotenpunkte erhält. Unterschiedslos werden Gebiete, die in verschiedenen Jahr¬
hunderten von Polen losgelöst sind, oder in denen es überhaupt nie geherrscht
hat. jetzt ihm zugesprochen. Die Annahme der vorgeschlagenen Regelung würde
deshalb eine Vergewaltigung von großen, unbestreitbar deutschen Gebieten bedeuten.
Eine solche Regelung würde außerdem den Wilsonschcn Grundsätzen widersprechen,
daß bei Ordnung der nationalen Fragen vermieden werden soll, „neue Elemente
des Zwistes und der Gegnerschaft zu schassen oder alte derartige Elemente zu ver¬
ewigen, die wahrscheinlich mit der Zeit den Frieden Europas und somit der Welt
stören werden".

Oberschlesien.

Das gilt insbesondere zunächst für Oberschlesien. Die vorgesehene Ab¬
trennung des größten Teiles dieses Gebietes stellt einen dnrch nichts zu recht¬
fertigenden Einbruch in das geographische und wirtschaftliche Gefüge des Deutschen
Reiches dar.

Oberschlesien ist seit 1163 außer jedem Zusammenhang mit dem polnischen
Reich. Es gibt in Oberschlesien keine nationalpolnischen Traditionen oder Er¬
innerungen. Von polnischer Vorzeit und polnischer Geschichte weiß der Ober-
schlesier nichts. An den polnischen Freiheitskämpfen hat der Oberschlesier sich
nicht beteiligt. Er stand vielmehr diesen Bewegungen °fremd und teilncchmslos
gegenüber. Für die Abtretung Oberschlesiens kann Polen keinerlei Rechtsansprüche
geltend machen, namentlich nicht solche, die sich auf die Grundsätze des Präsidenten
Wilson stützen. Die für Polen geforderten Gebiete Oberschlesiens werden nicht
von unbestreitbar polnischer Bevölkerung bewohnt. Dementsprechend gaben über
die bisherige Haltung der Bevölkerung die Wahlen von 1903 und 1907 zum
Reichstag deutlich Ausdruck. Vor 1903 ist überhaupt kein polnischer Abgeordneter
gewählt worden. Im Jahre 1907 erhielten bei der allgemeinen gleichen direkten
und vollkommen geheimen Reichstagswahl die Polen 116 090 Stimmen, die
Deutschen 176 287 Stimmen, im Jahre 1912 die Polen 93 029 und die Deutschen
210 l00 Siinunen. Bei den Wahlen zu den Nationalversammlungen des Reiches
im Jahre 1919, an denen alle über 20 Jahre alten Staatsbürger beiderlei Ge¬
schlechts in allgemeiner gleicher direkter und streng geheimer Wahl gewählt haben,
hatten die Polen Wahlenthaltung proklamiert. Es haben trotzdem fast 60 Prozent
aller Wahlberechtigten gewählt und zwar die aufgestellten deutschen Kandidaten.
Da bei den deutschen Wahlen erfahrungsgemäß etwa 10 Prozent der Wähler
aus äußerlichen Gründen verhindert sind, können die Polen höchstens etwa ein
Drittel der wahlberechtigten Stimmen für sich in Anspruch nehmen.

Auch nach dem Zusammenbruch der deutschen Macht fehlten nicht Anzeichen
für den vorwiegend deutschen Charakter Oberschlesiens. Auf Grund der
neuen Bestimmungen konnten die Eltern von 250000 Schulkindern sich entscheiden,
ob sie ihre Kinder in deutscher, polnischer oder mährischer Sprache unterrichten
lassen wollten. Es haben sich die Eltern von nicht, ganz 22 Prozent der Schul¬
kinder für den Unterricht in nichtdcutscher Sprache erklärt. Die polnische Sprache
(das Hochpolnische) ist nicht die Sprache des einen polnischen Dialekt (wasscr-
polnisch) sprechenden Oberschlesiers. Dieser Dialekt, den neben Deutsch ein erheblicher
Teil der Oberschlesier spricht, ist eine deutschpolnische Mischsprache, die niemals
Schriftsprache und niemals Urknndensprache gewesen ist. Sie stellt kein Kennzeichen der
Nationcililät dar, namentlich zum deutschen Nationalbewußtsein. Der Anteil der
mährischen (tschechoslowakischen) Bevölkerung beträgt nach der letzten Volkszählung
un Kreise Ratibor 39,7 Prozent, im Kreise Leobschütz nur 7,6 Prozent. Es kann
also anch in diesen beiden Kreisen voll einer überwiegend tschechoslowakische
Bevölkerung nicht gesprochen werden.

Oberschlesien verdankt seine ganze Entwicklung in geistiger und kultureller
Beziehung deutscher Arbeit. Die Vertreter und Führer der Kunst und Wissenschaft,
me Führer des wirtschaftlichen Lebens im Handel und Gewerbe, in Landwirtschaft


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[0273] Materialien zur ostdeutschen Frage Polen günstige militärische Grenzen gegen Deutschland oder wichtige Eisenbahn¬ knotenpunkte erhält. Unterschiedslos werden Gebiete, die in verschiedenen Jahr¬ hunderten von Polen losgelöst sind, oder in denen es überhaupt nie geherrscht hat. jetzt ihm zugesprochen. Die Annahme der vorgeschlagenen Regelung würde deshalb eine Vergewaltigung von großen, unbestreitbar deutschen Gebieten bedeuten. Eine solche Regelung würde außerdem den Wilsonschcn Grundsätzen widersprechen, daß bei Ordnung der nationalen Fragen vermieden werden soll, „neue Elemente des Zwistes und der Gegnerschaft zu schassen oder alte derartige Elemente zu ver¬ ewigen, die wahrscheinlich mit der Zeit den Frieden Europas und somit der Welt stören werden". Oberschlesien. Das gilt insbesondere zunächst für Oberschlesien. Die vorgesehene Ab¬ trennung des größten Teiles dieses Gebietes stellt einen dnrch nichts zu recht¬ fertigenden Einbruch in das geographische und wirtschaftliche Gefüge des Deutschen Reiches dar. Oberschlesien ist seit 1163 außer jedem Zusammenhang mit dem polnischen Reich. Es gibt in Oberschlesien keine nationalpolnischen Traditionen oder Er¬ innerungen. Von polnischer Vorzeit und polnischer Geschichte weiß der Ober- schlesier nichts. An den polnischen Freiheitskämpfen hat der Oberschlesier sich nicht beteiligt. Er stand vielmehr diesen Bewegungen °fremd und teilncchmslos gegenüber. Für die Abtretung Oberschlesiens kann Polen keinerlei Rechtsansprüche geltend machen, namentlich nicht solche, die sich auf die Grundsätze des Präsidenten Wilson stützen. Die für Polen geforderten Gebiete Oberschlesiens werden nicht von unbestreitbar polnischer Bevölkerung bewohnt. Dementsprechend gaben über die bisherige Haltung der Bevölkerung die Wahlen von 1903 und 1907 zum Reichstag deutlich Ausdruck. Vor 1903 ist überhaupt kein polnischer Abgeordneter gewählt worden. Im Jahre 1907 erhielten bei der allgemeinen gleichen direkten und vollkommen geheimen Reichstagswahl die Polen 116 090 Stimmen, die Deutschen 176 287 Stimmen, im Jahre 1912 die Polen 93 029 und die Deutschen 210 l00 Siinunen. Bei den Wahlen zu den Nationalversammlungen des Reiches im Jahre 1919, an denen alle über 20 Jahre alten Staatsbürger beiderlei Ge¬ schlechts in allgemeiner gleicher direkter und streng geheimer Wahl gewählt haben, hatten die Polen Wahlenthaltung proklamiert. Es haben trotzdem fast 60 Prozent aller Wahlberechtigten gewählt und zwar die aufgestellten deutschen Kandidaten. Da bei den deutschen Wahlen erfahrungsgemäß etwa 10 Prozent der Wähler aus äußerlichen Gründen verhindert sind, können die Polen höchstens etwa ein Drittel der wahlberechtigten Stimmen für sich in Anspruch nehmen. Auch nach dem Zusammenbruch der deutschen Macht fehlten nicht Anzeichen für den vorwiegend deutschen Charakter Oberschlesiens. Auf Grund der neuen Bestimmungen konnten die Eltern von 250000 Schulkindern sich entscheiden, ob sie ihre Kinder in deutscher, polnischer oder mährischer Sprache unterrichten lassen wollten. Es haben sich die Eltern von nicht, ganz 22 Prozent der Schul¬ kinder für den Unterricht in nichtdcutscher Sprache erklärt. Die polnische Sprache (das Hochpolnische) ist nicht die Sprache des einen polnischen Dialekt (wasscr- polnisch) sprechenden Oberschlesiers. Dieser Dialekt, den neben Deutsch ein erheblicher Teil der Oberschlesier spricht, ist eine deutschpolnische Mischsprache, die niemals Schriftsprache und niemals Urknndensprache gewesen ist. Sie stellt kein Kennzeichen der Nationcililät dar, namentlich zum deutschen Nationalbewußtsein. Der Anteil der mährischen (tschechoslowakischen) Bevölkerung beträgt nach der letzten Volkszählung un Kreise Ratibor 39,7 Prozent, im Kreise Leobschütz nur 7,6 Prozent. Es kann also anch in diesen beiden Kreisen voll einer überwiegend tschechoslowakische Bevölkerung nicht gesprochen werden. Oberschlesien verdankt seine ganze Entwicklung in geistiger und kultureller Beziehung deutscher Arbeit. Die Vertreter und Führer der Kunst und Wissenschaft, me Führer des wirtschaftlichen Lebens im Handel und Gewerbe, in Landwirtschaft

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/273>, abgerufen am 29.04.2024.