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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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[Beginn Spaltensatz]

Die deutschon Delegierten sind gestern
abend hier eingetroffen. Heute vormittag
fand in? Regierungsgebäude eine längere
Besprechung statt, an der auch Vertreter
anderer Behörden teilnehmen und die bei
Schlich der Redaktion noch fortdauerte. Über
den Gegenstand der Besprechung und ihr
Ergebnis sind wir heute nicht in der Lage,
etwas mitzuteilen.

Die Posener Rede von Nimlcns kritisiert
die Osto. Rundschau Vom ö. März in
folgenden Ausführungen:

Bei der Würdigung dieser Worte, die
sich im Munde des'Führers einer Friedens¬
misston recht sonderbar nusnehmen, wird
mau zunächst gut tun, die französischen Sym¬
pathien für die Polen in Betracht zu ziehen,
immerhin sind sie für uns Deutsche -- ge¬
sprochen auf deutschem Boden -- von einer
Unfreundlichkeit, die jede Hoffnung auf eine
gerechte Behandlung durch unsere Feinde
ausschließt. Als erschwerend fällt dabei ins
Gewicht, das der Botschafter bei diesem
offiziellen Anlasse nicht nur seine eigene An¬
sicht, sondern auch die der französischen Re¬
gierung zum Ausdruck gebracht hat. Be¬
niner solchen Denkungsart müßte man alle
weiteren Verhandlungen von vornherein für
völlig nutzlos halten, wenn es nicht den
oeuischeu Behörden in Bromberg gelingen
wird, durch mannhaftes Auftreten' unsere
Gegner eines Besseren zu belehren.

Daß die Entente üoer Polen in vielen
Dingen vollkommen falsch und einseitig
unterrichtet ist, ist längst bekannt, und die
Posener Rede des Botschafters Noulens be¬
stätigt dies nur. Schon die geschichtliche
Erinnerung an die "große Familie der
Piaster", vermag, so schmeichelhaft sie auch
den polnischen Zuhörern ins Ohr geklungen
haben mag, der neueren Forschung nicht
standzuhalten, denn Piast, der "Hirte" und
Landmann, ist nichts weiter als eine Sagen¬
gestalt und eine Erfindung der höfischen
"olksphantasie. Das Herrschergeschlecht der
^nöten ist erst mit Mieslo I. in das Licht
der polnischen Geschichte getreten, der es
uicht gelungen ist, die polnische Herkunft der
Piaster nachzuweisen, denn wir wissen längst
emwmidfrei, das Mieslo einen zweiten, ge-
lchlchtlich beglaubigten deutschen Namen hatte:
Bcigo, der "Taghelle". Mieslo war land¬
enden Ursprungs. Germane, wahrscheinlich
^paue oder Normanne. Noch bis in das
1^- Jahrhundert ist die Kunde von dem
Doppelnamen des Begründers des Polen-
reiches erhalten geblieben. Mit fremden
^Negern hat also der germanische MieSko,
n^^lec Pvleniönig und Stammvater der
' ^ Land an der Oder und Weichsel
5/ ""Zwölfen. Mit dem polnischen Ur-
,pu ng der Piaster ist es somit nichts, und
""ente daher angesichts der obigen Worte

[Spaltenumbruch]

des französischen Botschafters nichts schaden,
wenn die Entente von deutscher Seite etwas
mehr über die geschichtliche und kulturelle
Entwickelung Polens aufgeklärt würde, um
zu erkennen, daß der deutsche Einfluß, der
schon machtvoll an die Eingangspforte der
Geschichte Polens gepocht hat, sich durch alle
Jahrhunderte bis' zur Gegenwart lebens¬
kräftig erhalten hat. Ihm' verdankten die
Polen ihre geschichtliche Blütezeit in den ver¬
gangenen Jahrhunderten, ihm verdanken sie
auch ihre heutige kulturelle und wirtschasi-
lichs Erstarkung. Darüber sollten sich vor
allen Dingen diejenigen klar sein, die jetzt
berufen sind,' über die politischen und win-
schafllichen Verhältnisse dieses heiß um¬
strittenen Landesteiles zu entscheiden und
ihm Ruhe und Frieden wiederzngeven.

2. Presse im Reich

An der Führung der Verhandlungen in
Posen übt die "Deutsche Tnneszcitn"^" vom
Z5. März folgende scharfe Kritik. Die amt¬
liche Darstellung über die Behandlung
unserer deutschen Unterhändler ergeht sich in
beweglichen Klagen und bekundet ungemischte
Entrüstung. So wenig wir auch nur im
entferntesten das Verhalten der alliizrten
Vertreter im Bunde mit den polnischen Land¬
friedensbrechern rechtfertigen wollen, so nn-
nmgätiglich scheint es uns doch, schon jetzt
die Frage auszuwerfen, ob auch von feiten
unserer Unterhändler tatsächlich alles ge¬
schehen ist, was in ihren Kräften steht, um
ein derart schamloses Umspringen mit der
deutschen Würde und den deutschen Lebens-
notwendigkeiteu von feiten unserer Feinde
zu verhindern. Recht bemerkenswert ist in
diesem Zusammenhang eine Meldung der
"Deutschen Allgemeinen Zeitung" aus Broni-
berg, wonach der Vorsitzende des Bromberger
Soldatenrates im Namen des Vollzugsaus¬
schusses erklärte, daß dieser bei einer neu-
lichen Konferenz mit der jetzt in Posen be¬
findlichen Kommission den Eindruck gewonnen
habe, daß die sür die Kommission bestimmten
Männer nicht genügend Sachkenntnis besitzen,
um die deutschen Forderungen den Polen
gegenüber zur Geltung zu bringen. Dieses
Urteil kann nicht weiter verwundern, wenn
man bedenkt, daß der Vorsitzende der Kom¬
mission, Freiherr von Rechenberg, bekannilich
ein Günstling des vielgewandten Herrn Erz^
berger, süddeutscher Kaiholik, und dem Ver¬
neinen nach sogar Sohn einer Polnischen
Mutter ist. Die Schwächlichkeit der deutschen
Abordnung wurde bereits offenbar, als sie
sich entgegen den ursprünglichen Verein¬
barungen dem Wunsche der Gegenseite fügte,
die Verhandlungen nach Posen, zu verlegen.
Dem Befremden darüber gibt auch ein Protest¬
telegramm Ausdruck, das die Berliner Ver-

[Ende Spaltensatz]
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[Beginn Spaltensatz]

Die deutschon Delegierten sind gestern
abend hier eingetroffen. Heute vormittag
fand in? Regierungsgebäude eine längere
Besprechung statt, an der auch Vertreter
anderer Behörden teilnehmen und die bei
Schlich der Redaktion noch fortdauerte. Über
den Gegenstand der Besprechung und ihr
Ergebnis sind wir heute nicht in der Lage,
etwas mitzuteilen.

Die Posener Rede von Nimlcns kritisiert
die Osto. Rundschau Vom ö. März in
folgenden Ausführungen:

Bei der Würdigung dieser Worte, die
sich im Munde des'Führers einer Friedens¬
misston recht sonderbar nusnehmen, wird
mau zunächst gut tun, die französischen Sym¬
pathien für die Polen in Betracht zu ziehen,
immerhin sind sie für uns Deutsche — ge¬
sprochen auf deutschem Boden — von einer
Unfreundlichkeit, die jede Hoffnung auf eine
gerechte Behandlung durch unsere Feinde
ausschließt. Als erschwerend fällt dabei ins
Gewicht, das der Botschafter bei diesem
offiziellen Anlasse nicht nur seine eigene An¬
sicht, sondern auch die der französischen Re¬
gierung zum Ausdruck gebracht hat. Be¬
niner solchen Denkungsart müßte man alle
weiteren Verhandlungen von vornherein für
völlig nutzlos halten, wenn es nicht den
oeuischeu Behörden in Bromberg gelingen
wird, durch mannhaftes Auftreten' unsere
Gegner eines Besseren zu belehren.

Daß die Entente üoer Polen in vielen
Dingen vollkommen falsch und einseitig
unterrichtet ist, ist längst bekannt, und die
Posener Rede des Botschafters Noulens be¬
stätigt dies nur. Schon die geschichtliche
Erinnerung an die „große Familie der
Piaster", vermag, so schmeichelhaft sie auch
den polnischen Zuhörern ins Ohr geklungen
haben mag, der neueren Forschung nicht
standzuhalten, denn Piast, der „Hirte" und
Landmann, ist nichts weiter als eine Sagen¬
gestalt und eine Erfindung der höfischen
«olksphantasie. Das Herrschergeschlecht der
^nöten ist erst mit Mieslo I. in das Licht
der polnischen Geschichte getreten, der es
uicht gelungen ist, die polnische Herkunft der
Piaster nachzuweisen, denn wir wissen längst
emwmidfrei, das Mieslo einen zweiten, ge-
lchlchtlich beglaubigten deutschen Namen hatte:
Bcigo, der „Taghelle". Mieslo war land¬
enden Ursprungs. Germane, wahrscheinlich
^paue oder Normanne. Noch bis in das
1^- Jahrhundert ist die Kunde von dem
Doppelnamen des Begründers des Polen-
reiches erhalten geblieben. Mit fremden
^Negern hat also der germanische MieSko,
n^^lec Pvleniönig und Stammvater der
' ^ Land an der Oder und Weichsel
5/ ""Zwölfen. Mit dem polnischen Ur-
,pu ng der Piaster ist es somit nichts, und
"»ente daher angesichts der obigen Worte

[Spaltenumbruch]

des französischen Botschafters nichts schaden,
wenn die Entente von deutscher Seite etwas
mehr über die geschichtliche und kulturelle
Entwickelung Polens aufgeklärt würde, um
zu erkennen, daß der deutsche Einfluß, der
schon machtvoll an die Eingangspforte der
Geschichte Polens gepocht hat, sich durch alle
Jahrhunderte bis' zur Gegenwart lebens¬
kräftig erhalten hat. Ihm' verdankten die
Polen ihre geschichtliche Blütezeit in den ver¬
gangenen Jahrhunderten, ihm verdanken sie
auch ihre heutige kulturelle und wirtschasi-
lichs Erstarkung. Darüber sollten sich vor
allen Dingen diejenigen klar sein, die jetzt
berufen sind,' über die politischen und win-
schafllichen Verhältnisse dieses heiß um¬
strittenen Landesteiles zu entscheiden und
ihm Ruhe und Frieden wiederzngeven.

2. Presse im Reich

An der Führung der Verhandlungen in
Posen übt die „Deutsche Tnneszcitn»^" vom
Z5. März folgende scharfe Kritik. Die amt¬
liche Darstellung über die Behandlung
unserer deutschen Unterhändler ergeht sich in
beweglichen Klagen und bekundet ungemischte
Entrüstung. So wenig wir auch nur im
entferntesten das Verhalten der alliizrten
Vertreter im Bunde mit den polnischen Land¬
friedensbrechern rechtfertigen wollen, so nn-
nmgätiglich scheint es uns doch, schon jetzt
die Frage auszuwerfen, ob auch von feiten
unserer Unterhändler tatsächlich alles ge¬
schehen ist, was in ihren Kräften steht, um
ein derart schamloses Umspringen mit der
deutschen Würde und den deutschen Lebens-
notwendigkeiteu von feiten unserer Feinde
zu verhindern. Recht bemerkenswert ist in
diesem Zusammenhang eine Meldung der
„Deutschen Allgemeinen Zeitung" aus Broni-
berg, wonach der Vorsitzende des Bromberger
Soldatenrates im Namen des Vollzugsaus¬
schusses erklärte, daß dieser bei einer neu-
lichen Konferenz mit der jetzt in Posen be¬
findlichen Kommission den Eindruck gewonnen
habe, daß die sür die Kommission bestimmten
Männer nicht genügend Sachkenntnis besitzen,
um die deutschen Forderungen den Polen
gegenüber zur Geltung zu bringen. Dieses
Urteil kann nicht weiter verwundern, wenn
man bedenkt, daß der Vorsitzende der Kom¬
mission, Freiherr von Rechenberg, bekannilich
ein Günstling des vielgewandten Herrn Erz^
berger, süddeutscher Kaiholik, und dem Ver¬
neinen nach sogar Sohn einer Polnischen
Mutter ist. Die Schwächlichkeit der deutschen
Abordnung wurde bereits offenbar, als sie
sich entgegen den ursprünglichen Verein¬
barungen dem Wunsche der Gegenseite fügte,
die Verhandlungen nach Posen, zu verlegen.
Dem Befremden darüber gibt auch ein Protest¬
telegramm Ausdruck, das die Berliner Ver-

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Das Herrschergeschlecht der ^nöten ist erst mit Mieslo I. in das Licht der polnischen Geschichte getreten, der es uicht gelungen ist, die polnische Herkunft der Piaster nachzuweisen, denn wir wissen längst emwmidfrei, das Mieslo einen zweiten, ge- lchlchtlich beglaubigten deutschen Namen hatte: Bcigo, der „Taghelle". Mieslo war land¬ enden Ursprungs. Germane, wahrscheinlich ^paue oder Normanne. Noch bis in das 1^- Jahrhundert ist die Kunde von dem Doppelnamen des Begründers des Polen- reiches erhalten geblieben. Mit fremden ^Negern hat also der germanische MieSko, n^^lec Pvleniönig und Stammvater der ' ^ Land an der Oder und Weichsel 5/ ""Zwölfen. Mit dem polnischen Ur- ,pu ng der Piaster ist es somit nichts, und "»ente daher angesichts der obigen Worte des französischen Botschafters nichts schaden, wenn die Entente von deutscher Seite etwas mehr über die geschichtliche und kulturelle Entwickelung Polens aufgeklärt würde, um zu erkennen, daß der deutsche Einfluß, der schon machtvoll an die Eingangspforte der Geschichte Polens gepocht hat, sich durch alle Jahrhunderte bis' zur Gegenwart lebens¬ kräftig erhalten hat. Ihm' verdankten die Polen ihre geschichtliche Blütezeit in den ver¬ gangenen Jahrhunderten, ihm verdanken sie auch ihre heutige kulturelle und wirtschasi- lichs Erstarkung. Darüber sollten sich vor allen Dingen diejenigen klar sein, die jetzt berufen sind,' über die politischen und win- schafllichen Verhältnisse dieses heiß um¬ strittenen Landesteiles zu entscheiden und ihm Ruhe und Frieden wiederzngeven. 2. Presse im Reich An der Führung der Verhandlungen in Posen übt die „Deutsche Tnneszcitn»^" vom Z5. März folgende scharfe Kritik. Die amt¬ liche Darstellung über die Behandlung unserer deutschen Unterhändler ergeht sich in beweglichen Klagen und bekundet ungemischte Entrüstung. So wenig wir auch nur im entferntesten das Verhalten der alliizrten Vertreter im Bunde mit den polnischen Land¬ friedensbrechern rechtfertigen wollen, so nn- nmgätiglich scheint es uns doch, schon jetzt die Frage auszuwerfen, ob auch von feiten unserer Unterhändler tatsächlich alles ge¬ schehen ist, was in ihren Kräften steht, um ein derart schamloses Umspringen mit der deutschen Würde und den deutschen Lebens- notwendigkeiteu von feiten unserer Feinde zu verhindern. Recht bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang eine Meldung der „Deutschen Allgemeinen Zeitung" aus Broni- berg, wonach der Vorsitzende des Bromberger Soldatenrates im Namen des Vollzugsaus¬ schusses erklärte, daß dieser bei einer neu- lichen Konferenz mit der jetzt in Posen be¬ findlichen Kommission den Eindruck gewonnen habe, daß die sür die Kommission bestimmten Männer nicht genügend Sachkenntnis besitzen, um die deutschen Forderungen den Polen gegenüber zur Geltung zu bringen. Dieses Urteil kann nicht weiter verwundern, wenn man bedenkt, daß der Vorsitzende der Kom¬ mission, Freiherr von Rechenberg, bekannilich ein Günstling des vielgewandten Herrn Erz^ berger, süddeutscher Kaiholik, und dem Ver¬ neinen nach sogar Sohn einer Polnischen Mutter ist. Die Schwächlichkeit der deutschen Abordnung wurde bereits offenbar, als sie sich entgegen den ursprünglichen Verein¬ barungen dem Wunsche der Gegenseite fügte, die Verhandlungen nach Posen, zu verlegen. Dem Befremden darüber gibt auch ein Protest¬ telegramm Ausdruck, das die Berliner Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/383>, abgerufen am 29.04.2024.