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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Materialien zur ostdeutschen Frage

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der südlichste Teil des Gebietes, ein Stück
der Woiwodschaft Inowraclaw, das Friedrich
erst 1774 besetzt und für das er erst am
22. Mai 1776 die Huldigung empfängt.
Auch dieser Besitz ist aber von Polen später
nicht angefochten worden. Für den größten,
südlichen Teil des Netzedistrikts gibt nun
Preußen im Tilsiter Frieden sein Besitzrecht
wieder auf. Er fällt mit Süd- und Reu¬
ostpreußen an das neu gebildete Großherzog¬
tum Warschau. Bei der Neuordnung der
europäischen Verhältnisse durch den Wiener
Kongreß wünscht Preußen die vorzugsweise
Von Polen bevölkerten Teile seines früheren
Polnischen Besitzes nicht zurückzunehmen und
fordert nur den Netzedistrikt als überwiegend
deutsch bevölkertes Gebiet. Es sollte heute
nicht unerwähnt bleiben, daß eS damals
gerade England und Frankreich sind, die,
um eine zu große Stärkung Rußlands be¬
sorgt, Preußen damals drängen, mehr Pol¬
nisches Gebiet zurückzunehmen. Im Oktober
1814 äußerte der englische Bevollmächtigte,
Lord Castlereagh, in einer Note, er begreife
nicht, warum Preußen sich nicht auf Kosten
eines Gegners schadlos halte, der nach den
Prinzipien des Völkerrechts die Gesamtheit
seiner politischen Rechte eingebüßt habe.
Der Franzose Tolleyrand meinte in einer
Note vom 19. Dezember 1314, die Polnische
Frage sei nur eine einfache Angelegenheit
der Teilung und Grenzfestsetzungen, die die
beteiligten Staaten unter sich abzumachen
hätten. Friedrich Wilhelm der Dritte gibt
schließlich widerwillig nach, und so kommt
bereits am 31. Dezember 1814 ein Beschluß
sämtlicher Großmächte zustande, Polen unter
Osterreich, Preußen und Nußland zu teilen.
In der Kongreß-Hauptakte vom 9. Juli 181S
wird dann der 1807 abgetretene Teil des
alten Netzedistrikts und das übrige Gebiet
der heutigen Provinz Posen zu "voll¬
kommenem Eigentum" zugesprochen. Es
handelte sich also nicht, wie von polnischer
Seite später behauptet wurde, um die
Schaffung einer Personalunion, sondern um
<une völlige Einverleibung in das "Eigen¬
tum" des Königs, d. h. in den preußischen
Staat, denn nach der Auffassung der ab¬
solutistischen Zeit, die auf dem Wiener
Kongreß noch rein vertreten ist, ist das

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Staatsgebiet Eigentum des Fürsten. Der
König hat allerdings später den Titel eines
"Großherzogs von Posen" angenommen, das
konnte aber staatsrechtlich nichts anderes be¬
deuten, als die Führung des Herzogtitsls
Von Preußen oder des Titels des Grafen
von der Mark. Die Führung solcher Unter¬
titel hat bei den Preußischen Königen immer
nur historische Bedeutung gehabt. Auch daß
Friedrich Wilhelm in dem Fürsten Radziwill
einen Statthalter für Posen ernannte, hatte
keinen anderen Sinn als den eines freund¬
lichen Entgegenkommens ohne weitere Folge¬
rungen, denn neben den Statthalter wurde
ein Oberpräsident gesetzt und somit das neue
Gebiet ganz als Provinz des preußischen
Staates behandelt. Auch daß an den
Staatsgebäuden Posens der preußische Adler
den Weißen polnischen Adler im Biustschilde
trägt, ändert nichts daran. Das Wappen¬
zeichen ist eben der preußische Adler, und
der Polnische im Brustschild hat heraldisch
nur den Sinn, daß Polnisches Gebiet in
Preußisches einverleibt ist.

So ist die durch die Wiener^ Kongreß-
Hauptalte bestimmte Einverleibung tatsächlich
vollzogen und damit rechtskräftig geworden.
Auch der 1807 verloren gegangene Teil des
Netzedistrikts ist damit in aller Form des
gültigen Staatsrechtes aufs neue ein Be¬
standteil des Preußischen Staates geworden.
Auf zwei Titeln ruht mithin das Besitzrecht
Preußens am Netzedistrikt: für den kleineren
nördlichen Teil auf dem Beschluß des Pol¬
nischen Reichstages vom 1. September 1773,
für den größeren südlichen auf der Wiener
Kongreß-Hauptakte vom 9. Juli 1815. Beide
Beschlüsse sind ihrerzeit von allen Beteiligten
als rechtskräftig und rechtsverbindlich be¬
trachtet und von keiner befugten Seite an¬
gefochten worden. Die Bevölkerung des
Netzedistrikts hat beide Male die Huldigung
ohne Vorbehalt geleistet. Nach formalen
Recht kann mithin nur der preußische Staat
als Besitzer dieses Gebietes in Frage kommen.

(Fortsetzung folgt.)

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In der Nummer 1/2 der Mitteilungen
brachten wir auf Seite 7 eine Karte der im

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der südlichste Teil des Gebietes, ein Stück
der Woiwodschaft Inowraclaw, das Friedrich
erst 1774 besetzt und für das er erst am
22. Mai 1776 die Huldigung empfängt.
Auch dieser Besitz ist aber von Polen später
nicht angefochten worden. Für den größten,
südlichen Teil des Netzedistrikts gibt nun
Preußen im Tilsiter Frieden sein Besitzrecht
wieder auf. Er fällt mit Süd- und Reu¬
ostpreußen an das neu gebildete Großherzog¬
tum Warschau. Bei der Neuordnung der
europäischen Verhältnisse durch den Wiener
Kongreß wünscht Preußen die vorzugsweise
Von Polen bevölkerten Teile seines früheren
Polnischen Besitzes nicht zurückzunehmen und
fordert nur den Netzedistrikt als überwiegend
deutsch bevölkertes Gebiet. Es sollte heute
nicht unerwähnt bleiben, daß eS damals
gerade England und Frankreich sind, die,
um eine zu große Stärkung Rußlands be¬
sorgt, Preußen damals drängen, mehr Pol¬
nisches Gebiet zurückzunehmen. Im Oktober
1814 äußerte der englische Bevollmächtigte,
Lord Castlereagh, in einer Note, er begreife
nicht, warum Preußen sich nicht auf Kosten
eines Gegners schadlos halte, der nach den
Prinzipien des Völkerrechts die Gesamtheit
seiner politischen Rechte eingebüßt habe.
Der Franzose Tolleyrand meinte in einer
Note vom 19. Dezember 1314, die Polnische
Frage sei nur eine einfache Angelegenheit
der Teilung und Grenzfestsetzungen, die die
beteiligten Staaten unter sich abzumachen
hätten. Friedrich Wilhelm der Dritte gibt
schließlich widerwillig nach, und so kommt
bereits am 31. Dezember 1814 ein Beschluß
sämtlicher Großmächte zustande, Polen unter
Osterreich, Preußen und Nußland zu teilen.
In der Kongreß-Hauptakte vom 9. Juli 181S
wird dann der 1807 abgetretene Teil des
alten Netzedistrikts und das übrige Gebiet
der heutigen Provinz Posen zu „voll¬
kommenem Eigentum" zugesprochen. Es
handelte sich also nicht, wie von polnischer
Seite später behauptet wurde, um die
Schaffung einer Personalunion, sondern um
<une völlige Einverleibung in das „Eigen¬
tum" des Königs, d. h. in den preußischen
Staat, denn nach der Auffassung der ab¬
solutistischen Zeit, die auf dem Wiener
Kongreß noch rein vertreten ist, ist das

[Spaltenumbruch]

Staatsgebiet Eigentum des Fürsten. Der
König hat allerdings später den Titel eines
„Großherzogs von Posen" angenommen, das
konnte aber staatsrechtlich nichts anderes be¬
deuten, als die Führung des Herzogtitsls
Von Preußen oder des Titels des Grafen
von der Mark. Die Führung solcher Unter¬
titel hat bei den Preußischen Königen immer
nur historische Bedeutung gehabt. Auch daß
Friedrich Wilhelm in dem Fürsten Radziwill
einen Statthalter für Posen ernannte, hatte
keinen anderen Sinn als den eines freund¬
lichen Entgegenkommens ohne weitere Folge¬
rungen, denn neben den Statthalter wurde
ein Oberpräsident gesetzt und somit das neue
Gebiet ganz als Provinz des preußischen
Staates behandelt. Auch daß an den
Staatsgebäuden Posens der preußische Adler
den Weißen polnischen Adler im Biustschilde
trägt, ändert nichts daran. Das Wappen¬
zeichen ist eben der preußische Adler, und
der Polnische im Brustschild hat heraldisch
nur den Sinn, daß Polnisches Gebiet in
Preußisches einverleibt ist.

So ist die durch die Wiener^ Kongreß-
Hauptalte bestimmte Einverleibung tatsächlich
vollzogen und damit rechtskräftig geworden.
Auch der 1807 verloren gegangene Teil des
Netzedistrikts ist damit in aller Form des
gültigen Staatsrechtes aufs neue ein Be¬
standteil des Preußischen Staates geworden.
Auf zwei Titeln ruht mithin das Besitzrecht
Preußens am Netzedistrikt: für den kleineren
nördlichen Teil auf dem Beschluß des Pol¬
nischen Reichstages vom 1. September 1773,
für den größeren südlichen auf der Wiener
Kongreß-Hauptakte vom 9. Juli 1815. Beide
Beschlüsse sind ihrerzeit von allen Beteiligten
als rechtskräftig und rechtsverbindlich be¬
trachtet und von keiner befugten Seite an¬
gefochten worden. Die Bevölkerung des
Netzedistrikts hat beide Male die Huldigung
ohne Vorbehalt geleistet. Nach formalen
Recht kann mithin nur der preußische Staat
als Besitzer dieses Gebietes in Frage kommen.

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[0437] Materialien zur ostdeutschen Frage der südlichste Teil des Gebietes, ein Stück der Woiwodschaft Inowraclaw, das Friedrich erst 1774 besetzt und für das er erst am 22. Mai 1776 die Huldigung empfängt. Auch dieser Besitz ist aber von Polen später nicht angefochten worden. Für den größten, südlichen Teil des Netzedistrikts gibt nun Preußen im Tilsiter Frieden sein Besitzrecht wieder auf. Er fällt mit Süd- und Reu¬ ostpreußen an das neu gebildete Großherzog¬ tum Warschau. Bei der Neuordnung der europäischen Verhältnisse durch den Wiener Kongreß wünscht Preußen die vorzugsweise Von Polen bevölkerten Teile seines früheren Polnischen Besitzes nicht zurückzunehmen und fordert nur den Netzedistrikt als überwiegend deutsch bevölkertes Gebiet. Es sollte heute nicht unerwähnt bleiben, daß eS damals gerade England und Frankreich sind, die, um eine zu große Stärkung Rußlands be¬ sorgt, Preußen damals drängen, mehr Pol¬ nisches Gebiet zurückzunehmen. Im Oktober 1814 äußerte der englische Bevollmächtigte, Lord Castlereagh, in einer Note, er begreife nicht, warum Preußen sich nicht auf Kosten eines Gegners schadlos halte, der nach den Prinzipien des Völkerrechts die Gesamtheit seiner politischen Rechte eingebüßt habe. Der Franzose Tolleyrand meinte in einer Note vom 19. Dezember 1314, die Polnische Frage sei nur eine einfache Angelegenheit der Teilung und Grenzfestsetzungen, die die beteiligten Staaten unter sich abzumachen hätten. Friedrich Wilhelm der Dritte gibt schließlich widerwillig nach, und so kommt bereits am 31. Dezember 1814 ein Beschluß sämtlicher Großmächte zustande, Polen unter Osterreich, Preußen und Nußland zu teilen. In der Kongreß-Hauptakte vom 9. Juli 181S wird dann der 1807 abgetretene Teil des alten Netzedistrikts und das übrige Gebiet der heutigen Provinz Posen zu „voll¬ kommenem Eigentum" zugesprochen. Es handelte sich also nicht, wie von polnischer Seite später behauptet wurde, um die Schaffung einer Personalunion, sondern um <une völlige Einverleibung in das „Eigen¬ tum" des Königs, d. h. in den preußischen Staat, denn nach der Auffassung der ab¬ solutistischen Zeit, die auf dem Wiener Kongreß noch rein vertreten ist, ist das Staatsgebiet Eigentum des Fürsten. Der König hat allerdings später den Titel eines „Großherzogs von Posen" angenommen, das konnte aber staatsrechtlich nichts anderes be¬ deuten, als die Führung des Herzogtitsls Von Preußen oder des Titels des Grafen von der Mark. Die Führung solcher Unter¬ titel hat bei den Preußischen Königen immer nur historische Bedeutung gehabt. Auch daß Friedrich Wilhelm in dem Fürsten Radziwill einen Statthalter für Posen ernannte, hatte keinen anderen Sinn als den eines freund¬ lichen Entgegenkommens ohne weitere Folge¬ rungen, denn neben den Statthalter wurde ein Oberpräsident gesetzt und somit das neue Gebiet ganz als Provinz des preußischen Staates behandelt. Auch daß an den Staatsgebäuden Posens der preußische Adler den Weißen polnischen Adler im Biustschilde trägt, ändert nichts daran. Das Wappen¬ zeichen ist eben der preußische Adler, und der Polnische im Brustschild hat heraldisch nur den Sinn, daß Polnisches Gebiet in Preußisches einverleibt ist. So ist die durch die Wiener^ Kongreß- Hauptalte bestimmte Einverleibung tatsächlich vollzogen und damit rechtskräftig geworden. Auch der 1807 verloren gegangene Teil des Netzedistrikts ist damit in aller Form des gültigen Staatsrechtes aufs neue ein Be¬ standteil des Preußischen Staates geworden. Auf zwei Titeln ruht mithin das Besitzrecht Preußens am Netzedistrikt: für den kleineren nördlichen Teil auf dem Beschluß des Pol¬ nischen Reichstages vom 1. September 1773, für den größeren südlichen auf der Wiener Kongreß-Hauptakte vom 9. Juli 1815. Beide Beschlüsse sind ihrerzeit von allen Beteiligten als rechtskräftig und rechtsverbindlich be¬ trachtet und von keiner befugten Seite an¬ gefochten worden. Die Bevölkerung des Netzedistrikts hat beide Male die Huldigung ohne Vorbehalt geleistet. Nach formalen Recht kann mithin nur der preußische Staat als Besitzer dieses Gebietes in Frage kommen. (Fortsetzung folgt.) Berichtigung In der Nummer 1/2 der Mitteilungen brachten wir auf Seite 7 eine Karte der im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/437>, abgerufen am 29.04.2024.