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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Materialien zur ostdeutschen Frage

Wie jetzt die reichen preußischen Westprovinzen die ärmeren Ostprovinzen
stützen, so müßten, wenn polnisch, die deutschen Ostprovinzen das noch ärmere Polen
stützen. Deshalb hauptsächlich begehren die Polen Westpreußen, unser Land.

Durch deutsche Arbeit ist es in fast ISO Jahren zu hoher Blüte gelangt.
Jetzt kommt der Pole, setzt sich ins warme Nest und gibt euch einen Fußtritt.
Ihr durftet säen, die Polen wollen ernten.


Wohin gehört der Netzedistrikt?
(Fortsetzung und Schluß aus Ur. 8)

[Beginn Spaltensatz]
II.

Ratinrcchtliche Zugehörigkeit. Seit Aus¬
gang des achtzehnten Jahrhunderts tritt
neben die staatsrechtliche Auffassung der
absolutistischen Zeit, die das Staatsgebiet
als freies Eigentum deS Fürsten ansah,
"me neue naturrechtliche, die ihren Aus"
druck findet, in der Formel, daß die Be¬
völkerung eines Landgebietes über ihre staat¬
liche Zugehörigkeit selbst zu bestimmen habe.
Es ist die Formel, die sich Wilson für die
Friedensverhandlungen zu eigen gemacht.
Wohin würde der Netzedistrikl danach ge¬
hören? Die Frage ließe sich genau nur
durch eine Volksabstimmung beantworten.
Eine solche hat bisher nicht stattgefunden.
Es läßt sich aber ohne Schwierigkeit mit
Ziemlicher Sicherheit berechnen, wie sie aus¬
fallen würde. Nach der letzten Volkszählung
vor dem Kriege, der von 1910, zählt der
Regierungsbezirk Bromberg SO Prozent
Deutsche, 49,!) l Prozent Polen. Nun fällt
5er Regierungsbezirk Bromberg nicht ganz
wie dem eigentlichen Netzedistrikt zusammen,
umfaßt vielniehr erhebliche südlich davon ge¬
legene Gebietsteile, die eine stärkere polnische
Bevölkerung aufweisen als die nördlichen.
Es würde sich also für den eigentlichen Netze-
distr'le das Prozentverhältnis zugunsten der
Deutschen verschieben. Das voraussichtliche
Ergebnis einer Abstimmung darf nun aber
nicht aus der Bevölkerungszahl schlechthin
berechnet werden, sondern aus der Zahl der
Stimmberechtigten. Danach ergibt sich noch
e>ne weitere Verschiebung zugunsten des
Deutschtums. Im Jahre 1900 kamen ans
^as Tausend der in Preußen noch Nationali¬
st gezählten Bevölkerung Personen unter
16 Jahren bei den Deutschen 652,1, bei den
Polen 407,5. Die Polen haben also hier

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einen Vorsprung von 56,4. Im Alter von
15 bis 80 Jahren sind auf je 1000 vor¬
handen 643,0 Deutsche, 58S.3 Polen. Hier
haben die Deutschen also einen Vorsprung
von 56,2 gewonnen, der bei der Stimmab¬
gabe naturgemäß zum Ausdruck kommen muß
und auch tatsächlich zum Ausdruck kam. Es
Waren bei der letzten Reichstagswahl im
Jahre 1912 im Regierungsbezirk Bromberg
vorhanden Wahlberechtigte 146061, abgegeben
wurden deutsche Stimmen 68 704, polnische
50 856. Bon der Gesamtzahl der abgegebenen
Stimmen entfallen mithin auf die Deutschen
57,4 Prozent gegen 60 Prozent der Bevölke¬
rung, auf die Polen 42,5 Prozent gegen
49,91 Prozent der Bevölkerung. Eine
Fälschung des Wahlergebnisses ist niemals er¬
wiesen, der Beweis dafür auch nicht einmal
versucht worden. Eine Wahlbeeinflussung
mußte bei den 1912 schon vorhandenen weitest-
gehenden Sicherungen der geheimen Stimm¬
abgabe wirkungslos bleiben. Die Erscheinung
erklärt sich auch ohne weiteres aus der durch
die Volkszählung erwiesenen Tatsache, daß
die Polnische Bevölkerung bis zur Erreichung
des Stimmrechlsalters wesentlich stärker ab¬
nimmt als die deutsche, und diese Tatsache
wieder findet ihre Erklärung darin, daß ein
großer Teil der Polnischen Bevölkerung eine
wesentlich ungünstigere Lebenshaltung hat als
die deutsche, daß infolgedessen bei jener die
Kindersterblichkeit großer ist als bei der
deutsche". Wird das Stimmrechtsalier bis
zuni vollendeten zwanzigsten Lebensjahre
herabgesetzt, so würde allerdings wieder eine
Verschiebung zugunsten der Polen eintreten.
Sie würde aber nur geringfügig sein. Die
Erteilung des Stimmrechts an die Frauen
dürfte an dem Prozentverhältnis kaum etwas
ändern. Geboren werden ja allgemein mehr

[Ende Spaltensatz]
Materialien zur ostdeutschen Frage

Wie jetzt die reichen preußischen Westprovinzen die ärmeren Ostprovinzen
stützen, so müßten, wenn polnisch, die deutschen Ostprovinzen das noch ärmere Polen
stützen. Deshalb hauptsächlich begehren die Polen Westpreußen, unser Land.

Durch deutsche Arbeit ist es in fast ISO Jahren zu hoher Blüte gelangt.
Jetzt kommt der Pole, setzt sich ins warme Nest und gibt euch einen Fußtritt.
Ihr durftet säen, die Polen wollen ernten.


Wohin gehört der Netzedistrikt?
(Fortsetzung und Schluß aus Ur. 8)

[Beginn Spaltensatz]
II.

Ratinrcchtliche Zugehörigkeit. Seit Aus¬
gang des achtzehnten Jahrhunderts tritt
neben die staatsrechtliche Auffassung der
absolutistischen Zeit, die das Staatsgebiet
als freies Eigentum deS Fürsten ansah,
«me neue naturrechtliche, die ihren Aus"
druck findet, in der Formel, daß die Be¬
völkerung eines Landgebietes über ihre staat¬
liche Zugehörigkeit selbst zu bestimmen habe.
Es ist die Formel, die sich Wilson für die
Friedensverhandlungen zu eigen gemacht.
Wohin würde der Netzedistrikl danach ge¬
hören? Die Frage ließe sich genau nur
durch eine Volksabstimmung beantworten.
Eine solche hat bisher nicht stattgefunden.
Es läßt sich aber ohne Schwierigkeit mit
Ziemlicher Sicherheit berechnen, wie sie aus¬
fallen würde. Nach der letzten Volkszählung
vor dem Kriege, der von 1910, zählt der
Regierungsbezirk Bromberg SO Prozent
Deutsche, 49,!) l Prozent Polen. Nun fällt
5er Regierungsbezirk Bromberg nicht ganz
wie dem eigentlichen Netzedistrikt zusammen,
umfaßt vielniehr erhebliche südlich davon ge¬
legene Gebietsteile, die eine stärkere polnische
Bevölkerung aufweisen als die nördlichen.
Es würde sich also für den eigentlichen Netze-
distr'le das Prozentverhältnis zugunsten der
Deutschen verschieben. Das voraussichtliche
Ergebnis einer Abstimmung darf nun aber
nicht aus der Bevölkerungszahl schlechthin
berechnet werden, sondern aus der Zahl der
Stimmberechtigten. Danach ergibt sich noch
e>ne weitere Verschiebung zugunsten des
Deutschtums. Im Jahre 1900 kamen ans
^as Tausend der in Preußen noch Nationali¬
st gezählten Bevölkerung Personen unter
16 Jahren bei den Deutschen 652,1, bei den
Polen 407,5. Die Polen haben also hier

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einen Vorsprung von 56,4. Im Alter von
15 bis 80 Jahren sind auf je 1000 vor¬
handen 643,0 Deutsche, 58S.3 Polen. Hier
haben die Deutschen also einen Vorsprung
von 56,2 gewonnen, der bei der Stimmab¬
gabe naturgemäß zum Ausdruck kommen muß
und auch tatsächlich zum Ausdruck kam. Es
Waren bei der letzten Reichstagswahl im
Jahre 1912 im Regierungsbezirk Bromberg
vorhanden Wahlberechtigte 146061, abgegeben
wurden deutsche Stimmen 68 704, polnische
50 856. Bon der Gesamtzahl der abgegebenen
Stimmen entfallen mithin auf die Deutschen
57,4 Prozent gegen 60 Prozent der Bevölke¬
rung, auf die Polen 42,5 Prozent gegen
49,91 Prozent der Bevölkerung. Eine
Fälschung des Wahlergebnisses ist niemals er¬
wiesen, der Beweis dafür auch nicht einmal
versucht worden. Eine Wahlbeeinflussung
mußte bei den 1912 schon vorhandenen weitest-
gehenden Sicherungen der geheimen Stimm¬
abgabe wirkungslos bleiben. Die Erscheinung
erklärt sich auch ohne weiteres aus der durch
die Volkszählung erwiesenen Tatsache, daß
die Polnische Bevölkerung bis zur Erreichung
des Stimmrechlsalters wesentlich stärker ab¬
nimmt als die deutsche, und diese Tatsache
wieder findet ihre Erklärung darin, daß ein
großer Teil der Polnischen Bevölkerung eine
wesentlich ungünstigere Lebenshaltung hat als
die deutsche, daß infolgedessen bei jener die
Kindersterblichkeit großer ist als bei der
deutsche». Wird das Stimmrechtsalier bis
zuni vollendeten zwanzigsten Lebensjahre
herabgesetzt, so würde allerdings wieder eine
Verschiebung zugunsten der Polen eintreten.
Sie würde aber nur geringfügig sein. Die
Erteilung des Stimmrechts an die Frauen
dürfte an dem Prozentverhältnis kaum etwas
ändern. Geboren werden ja allgemein mehr

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[0485] Materialien zur ostdeutschen Frage Wie jetzt die reichen preußischen Westprovinzen die ärmeren Ostprovinzen stützen, so müßten, wenn polnisch, die deutschen Ostprovinzen das noch ärmere Polen stützen. Deshalb hauptsächlich begehren die Polen Westpreußen, unser Land. Durch deutsche Arbeit ist es in fast ISO Jahren zu hoher Blüte gelangt. Jetzt kommt der Pole, setzt sich ins warme Nest und gibt euch einen Fußtritt. Ihr durftet säen, die Polen wollen ernten. Wohin gehört der Netzedistrikt? (Fortsetzung und Schluß aus Ur. 8) II. Ratinrcchtliche Zugehörigkeit. Seit Aus¬ gang des achtzehnten Jahrhunderts tritt neben die staatsrechtliche Auffassung der absolutistischen Zeit, die das Staatsgebiet als freies Eigentum deS Fürsten ansah, «me neue naturrechtliche, die ihren Aus" druck findet, in der Formel, daß die Be¬ völkerung eines Landgebietes über ihre staat¬ liche Zugehörigkeit selbst zu bestimmen habe. Es ist die Formel, die sich Wilson für die Friedensverhandlungen zu eigen gemacht. Wohin würde der Netzedistrikl danach ge¬ hören? Die Frage ließe sich genau nur durch eine Volksabstimmung beantworten. Eine solche hat bisher nicht stattgefunden. Es läßt sich aber ohne Schwierigkeit mit Ziemlicher Sicherheit berechnen, wie sie aus¬ fallen würde. Nach der letzten Volkszählung vor dem Kriege, der von 1910, zählt der Regierungsbezirk Bromberg SO Prozent Deutsche, 49,!) l Prozent Polen. Nun fällt 5er Regierungsbezirk Bromberg nicht ganz wie dem eigentlichen Netzedistrikt zusammen, umfaßt vielniehr erhebliche südlich davon ge¬ legene Gebietsteile, die eine stärkere polnische Bevölkerung aufweisen als die nördlichen. Es würde sich also für den eigentlichen Netze- distr'le das Prozentverhältnis zugunsten der Deutschen verschieben. Das voraussichtliche Ergebnis einer Abstimmung darf nun aber nicht aus der Bevölkerungszahl schlechthin berechnet werden, sondern aus der Zahl der Stimmberechtigten. Danach ergibt sich noch e>ne weitere Verschiebung zugunsten des Deutschtums. Im Jahre 1900 kamen ans ^as Tausend der in Preußen noch Nationali¬ st gezählten Bevölkerung Personen unter 16 Jahren bei den Deutschen 652,1, bei den Polen 407,5. Die Polen haben also hier einen Vorsprung von 56,4. Im Alter von 15 bis 80 Jahren sind auf je 1000 vor¬ handen 643,0 Deutsche, 58S.3 Polen. Hier haben die Deutschen also einen Vorsprung von 56,2 gewonnen, der bei der Stimmab¬ gabe naturgemäß zum Ausdruck kommen muß und auch tatsächlich zum Ausdruck kam. Es Waren bei der letzten Reichstagswahl im Jahre 1912 im Regierungsbezirk Bromberg vorhanden Wahlberechtigte 146061, abgegeben wurden deutsche Stimmen 68 704, polnische 50 856. Bon der Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen entfallen mithin auf die Deutschen 57,4 Prozent gegen 60 Prozent der Bevölke¬ rung, auf die Polen 42,5 Prozent gegen 49,91 Prozent der Bevölkerung. Eine Fälschung des Wahlergebnisses ist niemals er¬ wiesen, der Beweis dafür auch nicht einmal versucht worden. Eine Wahlbeeinflussung mußte bei den 1912 schon vorhandenen weitest- gehenden Sicherungen der geheimen Stimm¬ abgabe wirkungslos bleiben. Die Erscheinung erklärt sich auch ohne weiteres aus der durch die Volkszählung erwiesenen Tatsache, daß die Polnische Bevölkerung bis zur Erreichung des Stimmrechlsalters wesentlich stärker ab¬ nimmt als die deutsche, und diese Tatsache wieder findet ihre Erklärung darin, daß ein großer Teil der Polnischen Bevölkerung eine wesentlich ungünstigere Lebenshaltung hat als die deutsche, daß infolgedessen bei jener die Kindersterblichkeit großer ist als bei der deutsche». Wird das Stimmrechtsalier bis zuni vollendeten zwanzigsten Lebensjahre herabgesetzt, so würde allerdings wieder eine Verschiebung zugunsten der Polen eintreten. Sie würde aber nur geringfügig sein. Die Erteilung des Stimmrechts an die Frauen dürfte an dem Prozentverhältnis kaum etwas ändern. Geboren werden ja allgemein mehr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/485>, abgerufen am 29.04.2024.