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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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nur wenig zu leisten vermocht, haben sich
mehr aufnehmend als schöpferisch verhalten
müssen. So ist auch ganz naturgemäß die
Kultur des Netzedistrikts bis heute rein deutsch
geblieben. Deutsch sind die Bauformen der
Häuser, deutsch die Formen des Hausgerätes,
deutsch ist das ganze geistige Leben dieses
Gebietes. Selbst dem zweifellos begabten
polnischen Handwerker ist es bisher nicht
gelungen, die alten Formen slawischen Kunst¬
handwerks neu zu beleben und zu verwerten.
Überall im Netzedistrikt trifft man deutsches
und nur deutsches Kulturgut. Er gehört
kulturell zu Deutschland.

IV.

Wirtschaftliche Zugehörigkeit. Für die
Bestimmung der wirtschaftlichen Zugehörig¬
keit kommt ein Mehrfaches in Betracht:
erstens der Besitz an Grund und Boden,
zweitens der Besitz an beweglichem Ver¬
mögen, drittens der wirtschaftliche Zu¬
sammenhang mit den Grenzgebieten. Der
ländliche Grundbesitz im Regierungsbezirk
Bromberg umfaßte im Jahre 1914 insgesamt
1 086 346 Hektar. Davon waren in deut¬
schem Besitz 714 905 Hektar ^ 6S.81 Prozent,
in Polnischen 371441 Hektar ^ 34,19 Pro¬
zent. Auch dieses Zahlenverhältnis verschiebt
sich, wenn man die früher nicht zum Netze¬
distrikt gehörigen Kreise ab- und Deutsch-
Krone und Flatow zurechnet, wesentlich zu¬
gunsten des Deutschtums, würde dann etwa
75 Prozent gegen 25 Prozent betragen; selbst
im Kreise Hohensalza beträgt der deutsche
Besitz noch 68,33 Prozent. Es ist gerade
von polnischer Seite mit Rücksicht auf die
litauischen und ostgalizischen Verhältnisse der
Grundsatz aufgestellt worden, daß für die
Zugehörigkeit eines Gebietes der Grundbesitz
mit, ja in erster Linie entscheidend sei. Auf
den Netzedistrikt angewendet, ergibt dieser
Grundsatz mithin ein ihnen sehr ungünstiges
Resultat. Noch ungünstiger wird es bei Be¬
trachtung des privaten Grundbesitzes. Für
ihn ergibt sich in den einzelnen Kreisen des
Netzedistriktes ein Verhältnis von 36,84 bis
K5,69 Prozent in deutscher und 12,73 bis
4l,93 Prozent in polnischer Hand, dabei das
den Deutschen ungünstigste Verhältnis im
Kreise Schubin mit 48,11 Prozent in deutscher

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und 41,93 Prozent in polnischer Hand. Nach
dem Maßstabe des ländlichen Grundbesitzes
ist also der ganze Netzedistrikt zweifellos
überwiegend deutsch; dabei ist noch zu be¬
achten, daß der deutsche Grundbesitz sich über¬
wiegend in bäuerlicher Hand, der Polnische
übel wiegend in der Hand von Großgrund¬
besitzern befindet. In den Städten des
Regierungsbezirks befinden sich 67 Prozent
der Grundstücke in deutscher Hand, im
eigentlichen Netzedistrikt wiederum entsprechend
mehr, selbst in Gnesen aber noch 51,3 Pro¬
zent. Die wirtschaftliche Bedeutung beider
Nationalitäten für den Bezirk ergibt sich noch
klarer aus den Steuerverhältnissen. Es
brachten 1914 im ganzen Regierungsbezirk
die Deutschen an Einkommensteuer auf
3 918 359 Mark 80,65 Prozent, die Polen
940 037 Mark ^ 19,35 Prozent. Es zeigt
sich somit eine ganz gewaltige Überlegenheit
der deutschen Bevölkerung in finanzieller
Leistungsfähigkeit. Das Verhältnis dürfte
sich während des Krieges dadurch etwas ver¬
schoben haben, daß die Polen nach Möglich¬
keit deutsches Metallgeld zurückhielten, das
heute einen größeren Wert hat als dus Pnpier.
Dem steht aber gegenüber eine größere Be¬
teiligung der Deutschen an den KriegS-
geschäften und damit ein Hereinbringen aller¬
dings nicht so wertvoller, aber größerer
Mengen von Zahlungsmitteln. Die Ver¬
schiebung dürfte also tatsächlich nur un¬
wesentlich sein. Es zeigt sich auch selbst im
Grundstückshandel noch keine Überlegenheit
der polnischen Kaufkraft trotz des starken
nationalen Antriebs zum Grunderwerb.

Die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit
mit den Nachbargebieten ergibt sich für den
Netzedistrikt aus dem Weichsel-Oder-Wasserweg
und der ihm parallel laufenden Bahnstrecke
Thorn--Schneidemühl. Fast die gesamte
Personen- und Güterüewegung verläuft in
der Richtung Ost-West und umgekehrt, kettet
also den Distrikt wirtschaftlich an das west¬
liche deutsche Gebiet an. Die von Süde"
heranführenden Bahnstrecken haben eigentlich
nur die Bedeutung von örtlichen Zuführungs¬
strecken für die Hnuplliuie. Einzig von
Bromberg aus findet ein lebhafterer Verkehr
nach Süden statt, der sich aber in der Haupt¬
sache auch nur bis Kujawien erstreckt, da"

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nur wenig zu leisten vermocht, haben sich
mehr aufnehmend als schöpferisch verhalten
müssen. So ist auch ganz naturgemäß die
Kultur des Netzedistrikts bis heute rein deutsch
geblieben. Deutsch sind die Bauformen der
Häuser, deutsch die Formen des Hausgerätes,
deutsch ist das ganze geistige Leben dieses
Gebietes. Selbst dem zweifellos begabten
polnischen Handwerker ist es bisher nicht
gelungen, die alten Formen slawischen Kunst¬
handwerks neu zu beleben und zu verwerten.
Überall im Netzedistrikt trifft man deutsches
und nur deutsches Kulturgut. Er gehört
kulturell zu Deutschland.

IV.

Wirtschaftliche Zugehörigkeit. Für die
Bestimmung der wirtschaftlichen Zugehörig¬
keit kommt ein Mehrfaches in Betracht:
erstens der Besitz an Grund und Boden,
zweitens der Besitz an beweglichem Ver¬
mögen, drittens der wirtschaftliche Zu¬
sammenhang mit den Grenzgebieten. Der
ländliche Grundbesitz im Regierungsbezirk
Bromberg umfaßte im Jahre 1914 insgesamt
1 086 346 Hektar. Davon waren in deut¬
schem Besitz 714 905 Hektar ^ 6S.81 Prozent,
in Polnischen 371441 Hektar ^ 34,19 Pro¬
zent. Auch dieses Zahlenverhältnis verschiebt
sich, wenn man die früher nicht zum Netze¬
distrikt gehörigen Kreise ab- und Deutsch-
Krone und Flatow zurechnet, wesentlich zu¬
gunsten des Deutschtums, würde dann etwa
75 Prozent gegen 25 Prozent betragen; selbst
im Kreise Hohensalza beträgt der deutsche
Besitz noch 68,33 Prozent. Es ist gerade
von polnischer Seite mit Rücksicht auf die
litauischen und ostgalizischen Verhältnisse der
Grundsatz aufgestellt worden, daß für die
Zugehörigkeit eines Gebietes der Grundbesitz
mit, ja in erster Linie entscheidend sei. Auf
den Netzedistrikt angewendet, ergibt dieser
Grundsatz mithin ein ihnen sehr ungünstiges
Resultat. Noch ungünstiger wird es bei Be¬
trachtung des privaten Grundbesitzes. Für
ihn ergibt sich in den einzelnen Kreisen des
Netzedistriktes ein Verhältnis von 36,84 bis
K5,69 Prozent in deutscher und 12,73 bis
4l,93 Prozent in polnischer Hand, dabei das
den Deutschen ungünstigste Verhältnis im
Kreise Schubin mit 48,11 Prozent in deutscher

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und 41,93 Prozent in polnischer Hand. Nach
dem Maßstabe des ländlichen Grundbesitzes
ist also der ganze Netzedistrikt zweifellos
überwiegend deutsch; dabei ist noch zu be¬
achten, daß der deutsche Grundbesitz sich über¬
wiegend in bäuerlicher Hand, der Polnische
übel wiegend in der Hand von Großgrund¬
besitzern befindet. In den Städten des
Regierungsbezirks befinden sich 67 Prozent
der Grundstücke in deutscher Hand, im
eigentlichen Netzedistrikt wiederum entsprechend
mehr, selbst in Gnesen aber noch 51,3 Pro¬
zent. Die wirtschaftliche Bedeutung beider
Nationalitäten für den Bezirk ergibt sich noch
klarer aus den Steuerverhältnissen. Es
brachten 1914 im ganzen Regierungsbezirk
die Deutschen an Einkommensteuer auf
3 918 359 Mark 80,65 Prozent, die Polen
940 037 Mark ^ 19,35 Prozent. Es zeigt
sich somit eine ganz gewaltige Überlegenheit
der deutschen Bevölkerung in finanzieller
Leistungsfähigkeit. Das Verhältnis dürfte
sich während des Krieges dadurch etwas ver¬
schoben haben, daß die Polen nach Möglich¬
keit deutsches Metallgeld zurückhielten, das
heute einen größeren Wert hat als dus Pnpier.
Dem steht aber gegenüber eine größere Be¬
teiligung der Deutschen an den KriegS-
geschäften und damit ein Hereinbringen aller¬
dings nicht so wertvoller, aber größerer
Mengen von Zahlungsmitteln. Die Ver¬
schiebung dürfte also tatsächlich nur un¬
wesentlich sein. Es zeigt sich auch selbst im
Grundstückshandel noch keine Überlegenheit
der polnischen Kaufkraft trotz des starken
nationalen Antriebs zum Grunderwerb.

Die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit
mit den Nachbargebieten ergibt sich für den
Netzedistrikt aus dem Weichsel-Oder-Wasserweg
und der ihm parallel laufenden Bahnstrecke
Thorn—Schneidemühl. Fast die gesamte
Personen- und Güterüewegung verläuft in
der Richtung Ost-West und umgekehrt, kettet
also den Distrikt wirtschaftlich an das west¬
liche deutsche Gebiet an. Die von Süde«
heranführenden Bahnstrecken haben eigentlich
nur die Bedeutung von örtlichen Zuführungs¬
strecken für die Hnuplliuie. Einzig von
Bromberg aus findet ein lebhafterer Verkehr
nach Süden statt, der sich aber in der Haupt¬
sache auch nur bis Kujawien erstreckt, da»

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[0488] Materialien zur ostdeutschen Frage nur wenig zu leisten vermocht, haben sich mehr aufnehmend als schöpferisch verhalten müssen. So ist auch ganz naturgemäß die Kultur des Netzedistrikts bis heute rein deutsch geblieben. Deutsch sind die Bauformen der Häuser, deutsch die Formen des Hausgerätes, deutsch ist das ganze geistige Leben dieses Gebietes. Selbst dem zweifellos begabten polnischen Handwerker ist es bisher nicht gelungen, die alten Formen slawischen Kunst¬ handwerks neu zu beleben und zu verwerten. Überall im Netzedistrikt trifft man deutsches und nur deutsches Kulturgut. Er gehört kulturell zu Deutschland. IV. Wirtschaftliche Zugehörigkeit. Für die Bestimmung der wirtschaftlichen Zugehörig¬ keit kommt ein Mehrfaches in Betracht: erstens der Besitz an Grund und Boden, zweitens der Besitz an beweglichem Ver¬ mögen, drittens der wirtschaftliche Zu¬ sammenhang mit den Grenzgebieten. Der ländliche Grundbesitz im Regierungsbezirk Bromberg umfaßte im Jahre 1914 insgesamt 1 086 346 Hektar. Davon waren in deut¬ schem Besitz 714 905 Hektar ^ 6S.81 Prozent, in Polnischen 371441 Hektar ^ 34,19 Pro¬ zent. Auch dieses Zahlenverhältnis verschiebt sich, wenn man die früher nicht zum Netze¬ distrikt gehörigen Kreise ab- und Deutsch- Krone und Flatow zurechnet, wesentlich zu¬ gunsten des Deutschtums, würde dann etwa 75 Prozent gegen 25 Prozent betragen; selbst im Kreise Hohensalza beträgt der deutsche Besitz noch 68,33 Prozent. Es ist gerade von polnischer Seite mit Rücksicht auf die litauischen und ostgalizischen Verhältnisse der Grundsatz aufgestellt worden, daß für die Zugehörigkeit eines Gebietes der Grundbesitz mit, ja in erster Linie entscheidend sei. Auf den Netzedistrikt angewendet, ergibt dieser Grundsatz mithin ein ihnen sehr ungünstiges Resultat. Noch ungünstiger wird es bei Be¬ trachtung des privaten Grundbesitzes. Für ihn ergibt sich in den einzelnen Kreisen des Netzedistriktes ein Verhältnis von 36,84 bis K5,69 Prozent in deutscher und 12,73 bis 4l,93 Prozent in polnischer Hand, dabei das den Deutschen ungünstigste Verhältnis im Kreise Schubin mit 48,11 Prozent in deutscher und 41,93 Prozent in polnischer Hand. Nach dem Maßstabe des ländlichen Grundbesitzes ist also der ganze Netzedistrikt zweifellos überwiegend deutsch; dabei ist noch zu be¬ achten, daß der deutsche Grundbesitz sich über¬ wiegend in bäuerlicher Hand, der Polnische übel wiegend in der Hand von Großgrund¬ besitzern befindet. In den Städten des Regierungsbezirks befinden sich 67 Prozent der Grundstücke in deutscher Hand, im eigentlichen Netzedistrikt wiederum entsprechend mehr, selbst in Gnesen aber noch 51,3 Pro¬ zent. Die wirtschaftliche Bedeutung beider Nationalitäten für den Bezirk ergibt sich noch klarer aus den Steuerverhältnissen. Es brachten 1914 im ganzen Regierungsbezirk die Deutschen an Einkommensteuer auf 3 918 359 Mark 80,65 Prozent, die Polen 940 037 Mark ^ 19,35 Prozent. Es zeigt sich somit eine ganz gewaltige Überlegenheit der deutschen Bevölkerung in finanzieller Leistungsfähigkeit. Das Verhältnis dürfte sich während des Krieges dadurch etwas ver¬ schoben haben, daß die Polen nach Möglich¬ keit deutsches Metallgeld zurückhielten, das heute einen größeren Wert hat als dus Pnpier. Dem steht aber gegenüber eine größere Be¬ teiligung der Deutschen an den KriegS- geschäften und damit ein Hereinbringen aller¬ dings nicht so wertvoller, aber größerer Mengen von Zahlungsmitteln. Die Ver¬ schiebung dürfte also tatsächlich nur un¬ wesentlich sein. Es zeigt sich auch selbst im Grundstückshandel noch keine Überlegenheit der polnischen Kaufkraft trotz des starken nationalen Antriebs zum Grunderwerb. Die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit mit den Nachbargebieten ergibt sich für den Netzedistrikt aus dem Weichsel-Oder-Wasserweg und der ihm parallel laufenden Bahnstrecke Thorn—Schneidemühl. Fast die gesamte Personen- und Güterüewegung verläuft in der Richtung Ost-West und umgekehrt, kettet also den Distrikt wirtschaftlich an das west¬ liche deutsche Gebiet an. Die von Süde« heranführenden Bahnstrecken haben eigentlich nur die Bedeutung von örtlichen Zuführungs¬ strecken für die Hnuplliuie. Einzig von Bromberg aus findet ein lebhafterer Verkehr nach Süden statt, der sich aber in der Haupt¬ sache auch nur bis Kujawien erstreckt, da»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/488>, abgerufen am 29.04.2024.