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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Internationale oder interalliierte Wissenschaft?

Internationale oder interalliierte Wissenschaft?
v Regieruttgsrat Dr. Willy Bein on

n der deutschen Öffentlichkeit ist gelegentlich schon auf die Ab¬
sichten der Wissenschaftler und führenden Techniker der alliierten
und assoziierten Länder hingewiesen worden, die naturwissenschaft¬
liche deutsche Arbeit zu blockieren. Unter dem Vorwande, dasz die
Deutschen ein wissenschaftliches Weltmonopol angestrebt und die
Unabhängigkeit der anderen Völker auch auf diesem Gebiete bedroht Hütten, soll
künftig der deutschen Arbeit die Möglichkeit genommen werden, außerhalb der
Heimat einen Boden zu finden. Künftig sollen auch all die zuverlässigen Hilfs
Mittel, das Rüstzeug für wissenschaftliche und technische Arbeiten, die Deutschland
in großem Maßstabe der ganzen Welt zur Verfügung stellte, nicht mehr aus
Deutschland bezogen werden. Auf die wissenschaftliche und damit auch aus die
wirtschaftliche Entwicklung soll Deutschland keinen Einfluß mehr üben. Dieser
Ausschluß Deutschlands soll durch einen neuen großzügigen Organisationsplan
erreicht werden. Auf einer Reihe von Gebieten (der reinen und angewandten
Chemie, der Astronomie und der Erdphysik) ist bereits besonders unter Mit
Wirkung von amerikanischen Forschern, die früher in enger Beziehung zu Deutsch¬
land standen, alles in den Einzelheiten festgelegt.

Am l. Januar 1920 sollte nach einjähriger Vorbereitung die geplante
"internationale" Gliederung der gesamten Naturwissenschaft, von der Medizin,
der Ethnologie, Biologie bis zur Fuukentelegraphie und Bibliographie in Kraft
gesetzt werden. An der Spitze des Ganzen steht der allgemeine Forschungsrat
(resesrcm council), an den sich mehr oder weniger selbständige internationale
Forschungsräte der einzelnen Fachwissenschaften angliedern. In jedem Lande
find entsprechende allgemeine und besonders Forschungsräte gebildet. Diese stäw
tigem wissenschaftlichen Organe haben ihr Bureau und Beamtenpersonal. Über
die Arbeiten und Aufgaben dieser wissenschaftlichen Betriebsräte soll einer alle
drei Jahre zusammentretender Vollversammlung (Union) der Gelehrten jedes ein-
zslnen Faches berichtet und neue Aufgaben festgesetzt werden, ein Verfahren wie
es bisher auf dem Gebiete des Maß- und Gewichtswesens und der Erdmessung
üblich war.

Diese Unionen sollen aber auch die bisherigen nur locker gegliederten
internationalen Kongresse ersetzen. An ihnen dürfen vorläufig nur die Gelehrten
der uns feindlichen Länder (einschließlich Polens) teilnehmen. Uber die Zuziehung
russischer Gelehrter ist bisher nichts beschlossen worden. Auf die Neutralen hat
man zunächst verzichtet, da man nicht sicher ist, ob sie die ohne ihre Zustimmung
erfolgte Aufhebung der bisherigen wirklich internationalen Institutionen aner¬
kennen werden oder ob sie nicht infolgedessen weiter mit den Deutschen in dem
bisherigen Nahmen, so z. V. auf dein Gebiete der Erdmessung oder Meeres-
forschung, weiter arbeiten werden.

Auf die Teilnahme an den Unionen werden die Deutschen nach den
Erfahrungen mit den bisherigen internationalen Kongressen gern verzichten. Den
einzelnen Teilnehmern, sowie den Ländern, in denen die Versammlungen tagten,
wurden große Kosten auferlegt, die in keinem rechten Verhältnis zu dem erziel-


Internationale oder interalliierte Wissenschaft?

Internationale oder interalliierte Wissenschaft?
v Regieruttgsrat Dr. Willy Bein on

n der deutschen Öffentlichkeit ist gelegentlich schon auf die Ab¬
sichten der Wissenschaftler und führenden Techniker der alliierten
und assoziierten Länder hingewiesen worden, die naturwissenschaft¬
liche deutsche Arbeit zu blockieren. Unter dem Vorwande, dasz die
Deutschen ein wissenschaftliches Weltmonopol angestrebt und die
Unabhängigkeit der anderen Völker auch auf diesem Gebiete bedroht Hütten, soll
künftig der deutschen Arbeit die Möglichkeit genommen werden, außerhalb der
Heimat einen Boden zu finden. Künftig sollen auch all die zuverlässigen Hilfs
Mittel, das Rüstzeug für wissenschaftliche und technische Arbeiten, die Deutschland
in großem Maßstabe der ganzen Welt zur Verfügung stellte, nicht mehr aus
Deutschland bezogen werden. Auf die wissenschaftliche und damit auch aus die
wirtschaftliche Entwicklung soll Deutschland keinen Einfluß mehr üben. Dieser
Ausschluß Deutschlands soll durch einen neuen großzügigen Organisationsplan
erreicht werden. Auf einer Reihe von Gebieten (der reinen und angewandten
Chemie, der Astronomie und der Erdphysik) ist bereits besonders unter Mit
Wirkung von amerikanischen Forschern, die früher in enger Beziehung zu Deutsch¬
land standen, alles in den Einzelheiten festgelegt.

Am l. Januar 1920 sollte nach einjähriger Vorbereitung die geplante
„internationale" Gliederung der gesamten Naturwissenschaft, von der Medizin,
der Ethnologie, Biologie bis zur Fuukentelegraphie und Bibliographie in Kraft
gesetzt werden. An der Spitze des Ganzen steht der allgemeine Forschungsrat
(resesrcm council), an den sich mehr oder weniger selbständige internationale
Forschungsräte der einzelnen Fachwissenschaften angliedern. In jedem Lande
find entsprechende allgemeine und besonders Forschungsräte gebildet. Diese stäw
tigem wissenschaftlichen Organe haben ihr Bureau und Beamtenpersonal. Über
die Arbeiten und Aufgaben dieser wissenschaftlichen Betriebsräte soll einer alle
drei Jahre zusammentretender Vollversammlung (Union) der Gelehrten jedes ein-
zslnen Faches berichtet und neue Aufgaben festgesetzt werden, ein Verfahren wie
es bisher auf dem Gebiete des Maß- und Gewichtswesens und der Erdmessung
üblich war.

Diese Unionen sollen aber auch die bisherigen nur locker gegliederten
internationalen Kongresse ersetzen. An ihnen dürfen vorläufig nur die Gelehrten
der uns feindlichen Länder (einschließlich Polens) teilnehmen. Uber die Zuziehung
russischer Gelehrter ist bisher nichts beschlossen worden. Auf die Neutralen hat
man zunächst verzichtet, da man nicht sicher ist, ob sie die ohne ihre Zustimmung
erfolgte Aufhebung der bisherigen wirklich internationalen Institutionen aner¬
kennen werden oder ob sie nicht infolgedessen weiter mit den Deutschen in dem
bisherigen Nahmen, so z. V. auf dein Gebiete der Erdmessung oder Meeres-
forschung, weiter arbeiten werden.

Auf die Teilnahme an den Unionen werden die Deutschen nach den
Erfahrungen mit den bisherigen internationalen Kongressen gern verzichten. Den
einzelnen Teilnehmern, sowie den Ländern, in denen die Versammlungen tagten,
wurden große Kosten auferlegt, die in keinem rechten Verhältnis zu dem erziel-


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[0222] Internationale oder interalliierte Wissenschaft? Internationale oder interalliierte Wissenschaft? v Regieruttgsrat Dr. Willy Bein on n der deutschen Öffentlichkeit ist gelegentlich schon auf die Ab¬ sichten der Wissenschaftler und führenden Techniker der alliierten und assoziierten Länder hingewiesen worden, die naturwissenschaft¬ liche deutsche Arbeit zu blockieren. Unter dem Vorwande, dasz die Deutschen ein wissenschaftliches Weltmonopol angestrebt und die Unabhängigkeit der anderen Völker auch auf diesem Gebiete bedroht Hütten, soll künftig der deutschen Arbeit die Möglichkeit genommen werden, außerhalb der Heimat einen Boden zu finden. Künftig sollen auch all die zuverlässigen Hilfs Mittel, das Rüstzeug für wissenschaftliche und technische Arbeiten, die Deutschland in großem Maßstabe der ganzen Welt zur Verfügung stellte, nicht mehr aus Deutschland bezogen werden. Auf die wissenschaftliche und damit auch aus die wirtschaftliche Entwicklung soll Deutschland keinen Einfluß mehr üben. Dieser Ausschluß Deutschlands soll durch einen neuen großzügigen Organisationsplan erreicht werden. Auf einer Reihe von Gebieten (der reinen und angewandten Chemie, der Astronomie und der Erdphysik) ist bereits besonders unter Mit Wirkung von amerikanischen Forschern, die früher in enger Beziehung zu Deutsch¬ land standen, alles in den Einzelheiten festgelegt. Am l. Januar 1920 sollte nach einjähriger Vorbereitung die geplante „internationale" Gliederung der gesamten Naturwissenschaft, von der Medizin, der Ethnologie, Biologie bis zur Fuukentelegraphie und Bibliographie in Kraft gesetzt werden. An der Spitze des Ganzen steht der allgemeine Forschungsrat (resesrcm council), an den sich mehr oder weniger selbständige internationale Forschungsräte der einzelnen Fachwissenschaften angliedern. In jedem Lande find entsprechende allgemeine und besonders Forschungsräte gebildet. Diese stäw tigem wissenschaftlichen Organe haben ihr Bureau und Beamtenpersonal. Über die Arbeiten und Aufgaben dieser wissenschaftlichen Betriebsräte soll einer alle drei Jahre zusammentretender Vollversammlung (Union) der Gelehrten jedes ein- zslnen Faches berichtet und neue Aufgaben festgesetzt werden, ein Verfahren wie es bisher auf dem Gebiete des Maß- und Gewichtswesens und der Erdmessung üblich war. Diese Unionen sollen aber auch die bisherigen nur locker gegliederten internationalen Kongresse ersetzen. An ihnen dürfen vorläufig nur die Gelehrten der uns feindlichen Länder (einschließlich Polens) teilnehmen. Uber die Zuziehung russischer Gelehrter ist bisher nichts beschlossen worden. Auf die Neutralen hat man zunächst verzichtet, da man nicht sicher ist, ob sie die ohne ihre Zustimmung erfolgte Aufhebung der bisherigen wirklich internationalen Institutionen aner¬ kennen werden oder ob sie nicht infolgedessen weiter mit den Deutschen in dem bisherigen Nahmen, so z. V. auf dein Gebiete der Erdmessung oder Meeres- forschung, weiter arbeiten werden. Auf die Teilnahme an den Unionen werden die Deutschen nach den Erfahrungen mit den bisherigen internationalen Kongressen gern verzichten. Den einzelnen Teilnehmern, sowie den Ländern, in denen die Versammlungen tagten, wurden große Kosten auferlegt, die in keinem rechten Verhältnis zu dem erziel-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/222>, abgerufen am 02.05.2024.