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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Auf die übrigen Kardinalbegriffe Laotses,
vor allem auf die des Rechten Menschen und
des NichtHandelns (welch letzterer geradezu ein
praktisch-ethisches Gegenstück des Nichtwissens
bei Sokrates und Nikolaus von Cues dar¬
stellt) kann hier nicht mehr eingegangen
werden. -- Die Übersetzung empfiehlt sich,
inmitten der zahlreichen, durch ihre Ab¬
weichungen voneinander den Laien voll¬
kommen verwirrenden Übertragungen des
Werkes, durch ihre Schlichtheit und ihren
Verzicht auf falsche Modernität, sowie durch
gut orientierende Einleitungen und zahl¬
reiche Anmerkungen.

.,.
Die Besprechung dieses Buches kann un¬
gezwungen an die vorhergehende anschließen.
Denn die Besinnung, das Nicht-Widerstreben,
d>e Hingabe an daS starke Gesetz deS
Himmels und der Erde.wieLaotse sie forderte,
bestimmen unausgesprochen das Leben des jun¬
gen Sinclair, soweit es in diesem Buche ge¬
geben wird. Wie grosz ist der Abstand, der es
von den Jugendbüchern der Vorkriegszeit
scheidet, wie viel weiter ist Sinclair ge¬

[Spaltenumbruch]

kommen, weit hinaus auch über das schönste
jener früheren Werke, Friedrich Huchs Mao,
und über das klügste, Robert Musils Ver¬
wirrungen des Zöglings Törlesz. An die,
Stelle des Sich-Verströmens, der Selbst¬
aufgabe an die bunte, flutende Erscheinung
ist die Rückkehr, das Horchen auf die
innersten Bildekräfte des eigenen Selbst und
ihre unbedingte Bejahung getreten, -- eine
Bejahung, die allein Wachstum und Reife
dieses Selbst herbeiführen kann. Es lohnt
nicht zu wiederholen, welche Stationen
Sinclair durchläuft: sie werden innerhalb
des Kunstwerks zu Motiven, die mit großer
Zartheit aufgenommen, zusammengefügt und
erneuert werden. Wichtig sind vor allem die
ins Mythische erhobenen Gestalten des
Freundes, dessen Namen das Buch trägt,
und seiner Mutter sowie die mit beiden
aufs engste verbundenen religiösen Intui¬
tionen, deren Sinn eS ist, über die Gegen¬
sätzlichkeit des Guten und Bösen, des Reinen
und Unreinen, des Lichten und Dunklen
hinauszugehen und die Gegensätzein der über¬
greifenden Einheit Gottes zusammenzufassen.
Hält man neben ein Wort, das zu Sinclair
gesagt wird: "Heim kommt man nie"

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Bücherschau

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Auf die übrigen Kardinalbegriffe Laotses,
vor allem auf die des Rechten Menschen und
des NichtHandelns (welch letzterer geradezu ein
praktisch-ethisches Gegenstück des Nichtwissens
bei Sokrates und Nikolaus von Cues dar¬
stellt) kann hier nicht mehr eingegangen
werden. — Die Übersetzung empfiehlt sich,
inmitten der zahlreichen, durch ihre Ab¬
weichungen voneinander den Laien voll¬
kommen verwirrenden Übertragungen des
Werkes, durch ihre Schlichtheit und ihren
Verzicht auf falsche Modernität, sowie durch
gut orientierende Einleitungen und zahl¬
reiche Anmerkungen.

.,.
Die Besprechung dieses Buches kann un¬
gezwungen an die vorhergehende anschließen.
Denn die Besinnung, das Nicht-Widerstreben,
d>e Hingabe an daS starke Gesetz deS
Himmels und der Erde.wieLaotse sie forderte,
bestimmen unausgesprochen das Leben des jun¬
gen Sinclair, soweit es in diesem Buche ge¬
geben wird. Wie grosz ist der Abstand, der es
von den Jugendbüchern der Vorkriegszeit
scheidet, wie viel weiter ist Sinclair ge¬

[Spaltenumbruch]

kommen, weit hinaus auch über das schönste
jener früheren Werke, Friedrich Huchs Mao,
und über das klügste, Robert Musils Ver¬
wirrungen des Zöglings Törlesz. An die,
Stelle des Sich-Verströmens, der Selbst¬
aufgabe an die bunte, flutende Erscheinung
ist die Rückkehr, das Horchen auf die
innersten Bildekräfte des eigenen Selbst und
ihre unbedingte Bejahung getreten, — eine
Bejahung, die allein Wachstum und Reife
dieses Selbst herbeiführen kann. Es lohnt
nicht zu wiederholen, welche Stationen
Sinclair durchläuft: sie werden innerhalb
des Kunstwerks zu Motiven, die mit großer
Zartheit aufgenommen, zusammengefügt und
erneuert werden. Wichtig sind vor allem die
ins Mythische erhobenen Gestalten des
Freundes, dessen Namen das Buch trägt,
und seiner Mutter sowie die mit beiden
aufs engste verbundenen religiösen Intui¬
tionen, deren Sinn eS ist, über die Gegen¬
sätzlichkeit des Guten und Bösen, des Reinen
und Unreinen, des Lichten und Dunklen
hinauszugehen und die Gegensätzein der über¬
greifenden Einheit Gottes zusammenzufassen.
Hält man neben ein Wort, das zu Sinclair
gesagt wird: „Heim kommt man nie"

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[0387] Bücherschau Auf die übrigen Kardinalbegriffe Laotses, vor allem auf die des Rechten Menschen und des NichtHandelns (welch letzterer geradezu ein praktisch-ethisches Gegenstück des Nichtwissens bei Sokrates und Nikolaus von Cues dar¬ stellt) kann hier nicht mehr eingegangen werden. — Die Übersetzung empfiehlt sich, inmitten der zahlreichen, durch ihre Ab¬ weichungen voneinander den Laien voll¬ kommen verwirrenden Übertragungen des Werkes, durch ihre Schlichtheit und ihren Verzicht auf falsche Modernität, sowie durch gut orientierende Einleitungen und zahl¬ reiche Anmerkungen. .,. Die Besprechung dieses Buches kann un¬ gezwungen an die vorhergehende anschließen. Denn die Besinnung, das Nicht-Widerstreben, d>e Hingabe an daS starke Gesetz deS Himmels und der Erde.wieLaotse sie forderte, bestimmen unausgesprochen das Leben des jun¬ gen Sinclair, soweit es in diesem Buche ge¬ geben wird. Wie grosz ist der Abstand, der es von den Jugendbüchern der Vorkriegszeit scheidet, wie viel weiter ist Sinclair ge¬ kommen, weit hinaus auch über das schönste jener früheren Werke, Friedrich Huchs Mao, und über das klügste, Robert Musils Ver¬ wirrungen des Zöglings Törlesz. An die, Stelle des Sich-Verströmens, der Selbst¬ aufgabe an die bunte, flutende Erscheinung ist die Rückkehr, das Horchen auf die innersten Bildekräfte des eigenen Selbst und ihre unbedingte Bejahung getreten, — eine Bejahung, die allein Wachstum und Reife dieses Selbst herbeiführen kann. Es lohnt nicht zu wiederholen, welche Stationen Sinclair durchläuft: sie werden innerhalb des Kunstwerks zu Motiven, die mit großer Zartheit aufgenommen, zusammengefügt und erneuert werden. Wichtig sind vor allem die ins Mythische erhobenen Gestalten des Freundes, dessen Namen das Buch trägt, und seiner Mutter sowie die mit beiden aufs engste verbundenen religiösen Intui¬ tionen, deren Sinn eS ist, über die Gegen¬ sätzlichkeit des Guten und Bösen, des Reinen und Unreinen, des Lichten und Dunklen hinauszugehen und die Gegensätzein der über¬ greifenden Einheit Gottes zusammenzufassen. Hält man neben ein Wort, das zu Sinclair gesagt wird: „Heim kommt man nie"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/387>, abgerufen am 02.05.2024.