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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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Reichswirtschaftsrat und Reichstag

überwinden vermag und durch weitgehende Heranbildung der Arbeiterschaft zur
Beteiligung an der wirtschaftlichen Verantwortung der positive Beweis geliefert
wird, daß nicht vom Marxismus und der von ihm bestimmten Arbeiterbewegung,
sondern in der Fortbildung der wertvollsten Gedanken des Preußentums und des
alten deutschen Wirtschaftsrechtes die Zukunft der breiten Schichten des Volkes ihre
Sicherung hat.

Zunächst jedoch soll die neue Regierung zusehen, daß sie alle staatlichen
Machtmittel so schnell und so sest wie irgend möglich in die Hand nimmt. Nichts
erwartet man so sehr von ihr, als die endliche Wiederaufrichtung der Autorität
des Rechtsstaates. Allen Unbesonnenheiten und allem Terror trete sie darum mit
Entschlossenheit entgegen. Die ersten Wochen werden in der Beziehung ent¬
scheidend sein, sie zeigen allen unruhigen Elementen, was sie von der neuen
Regierung zu erwarten haben.

Möchte die Sachlichkeit und Nüchternheit der neugewählten jenseits der
Schlagworte und der schematischen Parteischablone endlich die Besten und Zu¬
verlässigsten an die Spitze des Staates bringen. Solche Entsagung würde wie
nichts anderes den Rechtsparteien das Vertrauen des Volkes gewinnen. Ver¬
mittler, nicht Organe des Volkswillens sind die Parteien, wenn sie ihren Sinn
im Staatsleben recht verstehen.




Reichswirtschaftsrat und Reichstag
v Max Hildebcrt Bochen on

le Zeitungen verkünden mit Riesenlettern den Ausgang der Wahl¬
schlacht, tagelang ist das Leserinteresse auf nichts anderes gerichtet.
Die neuen Abgeordneten des Deutschen Reichstages sind die unbe¬
strittenen Helden des Tages. Dies das Bild. Und nun das
Gegenbild. An bescheidener Stelle bringen dieselben Zeitungen die
fortlaufende Liste der Entsendungen in den Reichswirtschaftsrat. Man erinnert
sich unwillkürlich, baß auch die Beförderung unserer alten tüchtigen und gewissen¬
haften Beamtenschaft in unscheinbaren trockenen Listen in der Beilage der Zeitung
angezeigt wurde. Der parlamentaristisch zerrüttete Regierungsapparat schafft es
heute nicht mehr, die lebendigen Kräfte des arbeitenden Volkes werden zur
Sanierung unserer Wirtschaftspolitik aufgerufen. Aber während durch Wahlkampf
und Wahlsensation die Leidenschaften demokratisch nivellierter und zerpulverter
Urwühlermassen zu ungeheuren Staubwolken aufgewirbelt werden, entsenden die
schaffenden Stände auf eine vornehm ruhige Weise ihre Boten in das neue
Wirtschaftsparlament. Daß es ungefähr gleichzeitig mit dem neuen Reichstag
zusammentritt, daß damit eine neue Unbekannte in die kombinatorischen Gleichungen
der politischen Prognose eintritt, wird fast völlig übersehen. Wie mißtrauisch die
herrschende Parlamentsregierung dein neuen Akteur auf der politischen Bühne


Reichswirtschaftsrat und Reichstag

überwinden vermag und durch weitgehende Heranbildung der Arbeiterschaft zur
Beteiligung an der wirtschaftlichen Verantwortung der positive Beweis geliefert
wird, daß nicht vom Marxismus und der von ihm bestimmten Arbeiterbewegung,
sondern in der Fortbildung der wertvollsten Gedanken des Preußentums und des
alten deutschen Wirtschaftsrechtes die Zukunft der breiten Schichten des Volkes ihre
Sicherung hat.

Zunächst jedoch soll die neue Regierung zusehen, daß sie alle staatlichen
Machtmittel so schnell und so sest wie irgend möglich in die Hand nimmt. Nichts
erwartet man so sehr von ihr, als die endliche Wiederaufrichtung der Autorität
des Rechtsstaates. Allen Unbesonnenheiten und allem Terror trete sie darum mit
Entschlossenheit entgegen. Die ersten Wochen werden in der Beziehung ent¬
scheidend sein, sie zeigen allen unruhigen Elementen, was sie von der neuen
Regierung zu erwarten haben.

Möchte die Sachlichkeit und Nüchternheit der neugewählten jenseits der
Schlagworte und der schematischen Parteischablone endlich die Besten und Zu¬
verlässigsten an die Spitze des Staates bringen. Solche Entsagung würde wie
nichts anderes den Rechtsparteien das Vertrauen des Volkes gewinnen. Ver¬
mittler, nicht Organe des Volkswillens sind die Parteien, wenn sie ihren Sinn
im Staatsleben recht verstehen.




Reichswirtschaftsrat und Reichstag
v Max Hildebcrt Bochen on

le Zeitungen verkünden mit Riesenlettern den Ausgang der Wahl¬
schlacht, tagelang ist das Leserinteresse auf nichts anderes gerichtet.
Die neuen Abgeordneten des Deutschen Reichstages sind die unbe¬
strittenen Helden des Tages. Dies das Bild. Und nun das
Gegenbild. An bescheidener Stelle bringen dieselben Zeitungen die
fortlaufende Liste der Entsendungen in den Reichswirtschaftsrat. Man erinnert
sich unwillkürlich, baß auch die Beförderung unserer alten tüchtigen und gewissen¬
haften Beamtenschaft in unscheinbaren trockenen Listen in der Beilage der Zeitung
angezeigt wurde. Der parlamentaristisch zerrüttete Regierungsapparat schafft es
heute nicht mehr, die lebendigen Kräfte des arbeitenden Volkes werden zur
Sanierung unserer Wirtschaftspolitik aufgerufen. Aber während durch Wahlkampf
und Wahlsensation die Leidenschaften demokratisch nivellierter und zerpulverter
Urwühlermassen zu ungeheuren Staubwolken aufgewirbelt werden, entsenden die
schaffenden Stände auf eine vornehm ruhige Weise ihre Boten in das neue
Wirtschaftsparlament. Daß es ungefähr gleichzeitig mit dem neuen Reichstag
zusammentritt, daß damit eine neue Unbekannte in die kombinatorischen Gleichungen
der politischen Prognose eintritt, wird fast völlig übersehen. Wie mißtrauisch die
herrschende Parlamentsregierung dein neuen Akteur auf der politischen Bühne


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/290>, abgerufen am 05.05.2024.