Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Drinnen und draußen

[Beginn Spaltensatz]

Teiles der Bevölkerung Zeugnis ablegen, da
ja in der Tat nur ein ganz geringer Teil
nationalpvlnisch gesinnt ist und sich zum Träger
des großpolnischen Gedankens zu machen sucht.
Ich sagte es offen: Wer in diesem Lande von
einer polnischen Kultur spricht, begeht eine
Fälschung, indem er nicht nur durch Lügen
die Tatsachen der gegenwärtigen Zeit verdreht,
sondern auch die Geschichte entstellt, die klar
beweist, daß alles, was auf dem Boden des
Weichscllandes und der an sie anschließenden
Ostgebiete entstanden ist, der kulturschaffenden
Kraft der Deutsch-Herrcnritter entsproß und
zu verdanken ist. Solange die das Land aus¬
schließende und aufbauende deutsche Arbeit
nicht unterbrochen wurde, zeigte die kulturelle
Entwicklungsstufe einen dauernden Aufstieg.
Nur die traurigen Zeiten brachten Rückschläge,
die das Land zwischendurch vorübergehend
unter polnische Herrschaft gelangen ließen,
und erst, nachdem diese Lande wieder erneut
in den preußisch-deutschen Staatsverband ein¬
gegliedert wurden, entstand jene hohe Kultur,
die heute in allen Teilen des Landes offen
ersichtlich ist. Und so forderte ich die volle
Gerechtigkeit der Anerkenntnis des Volks-
urtciles, das sich am Tage der Abstimmung
sicher für Deutschland bekennen werde. Und
es ist gewiß nicht uninteressant zu erfahren,
daß Exzellenz Pavia in seiner Erwiderung
darauf hervorhob, daß er eS sich als Präsident
der Interalliierten Kommission zusammen mit
den Mitgliedern der anderen Nationen zur
strikten Aufgabe gemacht habe, diese geforderte
Gerechtigkeit in der Beurteilung der Lage zu
befolgen. Er sagte wörtlich: "Die Kommission
wird so handeln, daß sowohl die einen wie
die anderen nur siegen können/ wenn sie ihre
Rechte derart ausüben, daß jeder, der seine
Stimme abgibt, ohne Furcht und nach besten.
Gewissen an die Urne treten kann." -- In
Privaten Gespräch ging Exzellenz Pavia aber
"och weiter; denn er erklärte mir nachher,
daß er sagen müsse, Paris sei durch falsche
Polnische Informationen irregeführt, und auch
er glaube an den Sieg der deutschen Sache.

Wird man dem Deutschtum also die ge¬
forderte und zugesagte volle Gerechtigkeit bei
der Abstimmung gewähren, so glaube ich fest
hoffen zu dürfen, daß wir im Reiche ebenso
wie die Bevölkerung dieser umstrittenen Land¬

[Spaltenumbruch]

striche mit voller Zuversicht dem Wahlresultat
entgegensehen können. Die dort gebildete deutsche
Front wird die Belastung ertragen; der Wille
des Volkes wird den unverrückbaren Beweis
bringei,, daß das Deutschtum hier heimisch
und unverdrängbar ist. Von feiten des Reiches
aber wird es darum um so mehr notwendig
sein, diese Treue mit Treue zu vergelten und
der Ostmark zu beweisen, daß sie schließlich
doch nicht auf sich allein angewiesen ist. So
wie das Reich die kriegsvcrwüstete Provinz
wieder mit aufbauen half, so wird es auch in
Zukunft zu ihr stehen.

Wilhelm Lonrad Gomoll
Brief aus Polen

.....Sie wollen einiges
über die wirtschaft liebe Lage der neuen Republik
Polen wissen. Soweit ich es nach meinem
jüngsten Aufenthalt beurteilen kann, ist dieselbe
äußerst schwierig und sicherlich unhaltbar,
wenn nicht irgendwelche weitgehenden Ab¬
machungen auf Lieferung der notwendigsten
Bedürfnisse des täglichen Lebens aus dem
benachbarten Auslande hereinkommen. Die
Industrie ist, soweit sie in der früheren Posener
Provinz vorhanden ist, noch reichlich beschäftigt.
Es handelt sich da hauptsächlich um die Dampf¬
und Ölmühlen, Sägewerke, Ziegeleien und
ähnliche Fabriken, die ihre Rohprodukte: Ge¬
treide, Holz, Lehm im Lande haben. Aber
auch bei diesen zeigen sich schon groß" Schwierig¬
keiten bei der Beschaffung von Heizmaterial,
namentlich aber durch den Mangel anMaschinen-
ersatzteilcn, Treibriemen und geschulten Per¬
sonal. Noch viel schlimmer ist der Handel
dran. Die Verkaufsräume sind fast leer. Seit
Deutschland die Ausfuhr von Textil- und
Schuhwaren unterbunden hat, fehlen diese not¬
wendigen Bekleidungsariikel fast vollständig.
Die alten Vorräte sind aufgebraucht, und man
ist darauf angewiesen, aus Kongreßpolen (Lodz)
zu dörrenden Preisen meistens nicht sehr gute
Ware zu beziehen. Aber auch dazu ist noch
die Einfuhrgenehmigung von der Behörde not¬
wendig, denn, so eigenartig es klingen mag,
das heutige Polen hat die alte Grenze zwischen
Posen und Kongrcßpolen aufrechterhalten;
dieselbe wird noch viel schärfer als in Vor¬
kriegszeiten bewacht, und der Schmuggel, trotz¬
dem sehr hohe Belohnungen auf die Ergreifung
von Schmugglern stehen, blüht wie nie zuvor.

[Ende Spaltensatz]
Drinnen und draußen

[Beginn Spaltensatz]

Teiles der Bevölkerung Zeugnis ablegen, da
ja in der Tat nur ein ganz geringer Teil
nationalpvlnisch gesinnt ist und sich zum Träger
des großpolnischen Gedankens zu machen sucht.
Ich sagte es offen: Wer in diesem Lande von
einer polnischen Kultur spricht, begeht eine
Fälschung, indem er nicht nur durch Lügen
die Tatsachen der gegenwärtigen Zeit verdreht,
sondern auch die Geschichte entstellt, die klar
beweist, daß alles, was auf dem Boden des
Weichscllandes und der an sie anschließenden
Ostgebiete entstanden ist, der kulturschaffenden
Kraft der Deutsch-Herrcnritter entsproß und
zu verdanken ist. Solange die das Land aus¬
schließende und aufbauende deutsche Arbeit
nicht unterbrochen wurde, zeigte die kulturelle
Entwicklungsstufe einen dauernden Aufstieg.
Nur die traurigen Zeiten brachten Rückschläge,
die das Land zwischendurch vorübergehend
unter polnische Herrschaft gelangen ließen,
und erst, nachdem diese Lande wieder erneut
in den preußisch-deutschen Staatsverband ein¬
gegliedert wurden, entstand jene hohe Kultur,
die heute in allen Teilen des Landes offen
ersichtlich ist. Und so forderte ich die volle
Gerechtigkeit der Anerkenntnis des Volks-
urtciles, das sich am Tage der Abstimmung
sicher für Deutschland bekennen werde. Und
es ist gewiß nicht uninteressant zu erfahren,
daß Exzellenz Pavia in seiner Erwiderung
darauf hervorhob, daß er eS sich als Präsident
der Interalliierten Kommission zusammen mit
den Mitgliedern der anderen Nationen zur
strikten Aufgabe gemacht habe, diese geforderte
Gerechtigkeit in der Beurteilung der Lage zu
befolgen. Er sagte wörtlich: „Die Kommission
wird so handeln, daß sowohl die einen wie
die anderen nur siegen können/ wenn sie ihre
Rechte derart ausüben, daß jeder, der seine
Stimme abgibt, ohne Furcht und nach besten.
Gewissen an die Urne treten kann." — In
Privaten Gespräch ging Exzellenz Pavia aber
»och weiter; denn er erklärte mir nachher,
daß er sagen müsse, Paris sei durch falsche
Polnische Informationen irregeführt, und auch
er glaube an den Sieg der deutschen Sache.

Wird man dem Deutschtum also die ge¬
forderte und zugesagte volle Gerechtigkeit bei
der Abstimmung gewähren, so glaube ich fest
hoffen zu dürfen, daß wir im Reiche ebenso
wie die Bevölkerung dieser umstrittenen Land¬

[Spaltenumbruch]

striche mit voller Zuversicht dem Wahlresultat
entgegensehen können. Die dort gebildete deutsche
Front wird die Belastung ertragen; der Wille
des Volkes wird den unverrückbaren Beweis
bringei,, daß das Deutschtum hier heimisch
und unverdrängbar ist. Von feiten des Reiches
aber wird es darum um so mehr notwendig
sein, diese Treue mit Treue zu vergelten und
der Ostmark zu beweisen, daß sie schließlich
doch nicht auf sich allein angewiesen ist. So
wie das Reich die kriegsvcrwüstete Provinz
wieder mit aufbauen half, so wird es auch in
Zukunft zu ihr stehen.

Wilhelm Lonrad Gomoll
Brief aus Polen

.....Sie wollen einiges
über die wirtschaft liebe Lage der neuen Republik
Polen wissen. Soweit ich es nach meinem
jüngsten Aufenthalt beurteilen kann, ist dieselbe
äußerst schwierig und sicherlich unhaltbar,
wenn nicht irgendwelche weitgehenden Ab¬
machungen auf Lieferung der notwendigsten
Bedürfnisse des täglichen Lebens aus dem
benachbarten Auslande hereinkommen. Die
Industrie ist, soweit sie in der früheren Posener
Provinz vorhanden ist, noch reichlich beschäftigt.
Es handelt sich da hauptsächlich um die Dampf¬
und Ölmühlen, Sägewerke, Ziegeleien und
ähnliche Fabriken, die ihre Rohprodukte: Ge¬
treide, Holz, Lehm im Lande haben. Aber
auch bei diesen zeigen sich schon groß« Schwierig¬
keiten bei der Beschaffung von Heizmaterial,
namentlich aber durch den Mangel anMaschinen-
ersatzteilcn, Treibriemen und geschulten Per¬
sonal. Noch viel schlimmer ist der Handel
dran. Die Verkaufsräume sind fast leer. Seit
Deutschland die Ausfuhr von Textil- und
Schuhwaren unterbunden hat, fehlen diese not¬
wendigen Bekleidungsariikel fast vollständig.
Die alten Vorräte sind aufgebraucht, und man
ist darauf angewiesen, aus Kongreßpolen (Lodz)
zu dörrenden Preisen meistens nicht sehr gute
Ware zu beziehen. Aber auch dazu ist noch
die Einfuhrgenehmigung von der Behörde not¬
wendig, denn, so eigenartig es klingen mag,
das heutige Polen hat die alte Grenze zwischen
Posen und Kongrcßpolen aufrechterhalten;
dieselbe wird noch viel schärfer als in Vor¬
kriegszeiten bewacht, und der Schmuggel, trotz¬
dem sehr hohe Belohnungen auf die Ergreifung
von Schmugglern stehen, blüht wie nie zuvor.

[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0359" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337596"/>
            <fw type="header" place="top"> Drinnen und draußen</fw><lb/>
            <cb type="start"/>
            <p xml:id="ID_1247" prev="#ID_1246"> Teiles der Bevölkerung Zeugnis ablegen, da<lb/>
ja in der Tat nur ein ganz geringer Teil<lb/>
nationalpvlnisch gesinnt ist und sich zum Träger<lb/>
des großpolnischen Gedankens zu machen sucht.<lb/>
Ich sagte es offen: Wer in diesem Lande von<lb/>
einer polnischen Kultur spricht, begeht eine<lb/>
Fälschung, indem er nicht nur durch Lügen<lb/>
die Tatsachen der gegenwärtigen Zeit verdreht,<lb/>
sondern auch die Geschichte entstellt, die klar<lb/>
beweist, daß alles, was auf dem Boden des<lb/>
Weichscllandes und der an sie anschließenden<lb/>
Ostgebiete entstanden ist, der kulturschaffenden<lb/>
Kraft der Deutsch-Herrcnritter entsproß und<lb/>
zu verdanken ist. Solange die das Land aus¬<lb/>
schließende und aufbauende deutsche Arbeit<lb/>
nicht unterbrochen wurde, zeigte die kulturelle<lb/>
Entwicklungsstufe einen dauernden Aufstieg.<lb/>
Nur die traurigen Zeiten brachten Rückschläge,<lb/>
die das Land zwischendurch vorübergehend<lb/>
unter polnische Herrschaft gelangen ließen,<lb/>
und erst, nachdem diese Lande wieder erneut<lb/>
in den preußisch-deutschen Staatsverband ein¬<lb/>
gegliedert wurden, entstand jene hohe Kultur,<lb/>
die heute in allen Teilen des Landes offen<lb/>
ersichtlich ist. Und so forderte ich die volle<lb/>
Gerechtigkeit der Anerkenntnis des Volks-<lb/>
urtciles, das sich am Tage der Abstimmung<lb/>
sicher für Deutschland bekennen werde. Und<lb/>
es ist gewiß nicht uninteressant zu erfahren,<lb/>
daß Exzellenz Pavia in seiner Erwiderung<lb/>
darauf hervorhob, daß er eS sich als Präsident<lb/>
der Interalliierten Kommission zusammen mit<lb/>
den Mitgliedern der anderen Nationen zur<lb/>
strikten Aufgabe gemacht habe, diese geforderte<lb/>
Gerechtigkeit in der Beurteilung der Lage zu<lb/>
befolgen. Er sagte wörtlich: &#x201E;Die Kommission<lb/>
wird so handeln, daß sowohl die einen wie<lb/>
die anderen nur siegen können/ wenn sie ihre<lb/>
Rechte derart ausüben, daß jeder, der seine<lb/>
Stimme abgibt, ohne Furcht und nach besten.<lb/>
Gewissen an die Urne treten kann." &#x2014; In<lb/>
Privaten Gespräch ging Exzellenz Pavia aber<lb/>
»och weiter; denn er erklärte mir nachher,<lb/>
daß er sagen müsse, Paris sei durch falsche<lb/>
Polnische Informationen irregeführt, und auch<lb/>
er glaube an den Sieg der deutschen Sache.</p>
            <p xml:id="ID_1248" next="#ID_1249"> Wird man dem Deutschtum also die ge¬<lb/>
forderte und zugesagte volle Gerechtigkeit bei<lb/>
der Abstimmung gewähren, so glaube ich fest<lb/>
hoffen zu dürfen, daß wir im Reiche ebenso<lb/>
wie die Bevölkerung dieser umstrittenen Land¬</p>
            <cb/><lb/>
            <p xml:id="ID_1249" prev="#ID_1248"> striche mit voller Zuversicht dem Wahlresultat<lb/>
entgegensehen können. Die dort gebildete deutsche<lb/>
Front wird die Belastung ertragen; der Wille<lb/>
des Volkes wird den unverrückbaren Beweis<lb/>
bringei,, daß das Deutschtum hier heimisch<lb/>
und unverdrängbar ist. Von feiten des Reiches<lb/>
aber wird es darum um so mehr notwendig<lb/>
sein, diese Treue mit Treue zu vergelten und<lb/>
der Ostmark zu beweisen, daß sie schließlich<lb/>
doch nicht auf sich allein angewiesen ist. So<lb/>
wie das Reich die kriegsvcrwüstete Provinz<lb/>
wieder mit aufbauen half, so wird es auch in<lb/>
Zukunft zu ihr stehen.</p>
            <note type="byline"> Wilhelm Lonrad Gomoll</note>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Brief aus Polen</head>
            <p xml:id="ID_1250" next="#ID_1251"> .....Sie wollen einiges<lb/>
über die wirtschaft liebe Lage der neuen Republik<lb/>
Polen wissen. Soweit ich es nach meinem<lb/>
jüngsten Aufenthalt beurteilen kann, ist dieselbe<lb/>
äußerst schwierig und sicherlich unhaltbar,<lb/>
wenn nicht irgendwelche weitgehenden Ab¬<lb/>
machungen auf Lieferung der notwendigsten<lb/>
Bedürfnisse des täglichen Lebens aus dem<lb/>
benachbarten Auslande hereinkommen. Die<lb/>
Industrie ist, soweit sie in der früheren Posener<lb/>
Provinz vorhanden ist, noch reichlich beschäftigt.<lb/>
Es handelt sich da hauptsächlich um die Dampf¬<lb/>
und Ölmühlen, Sägewerke, Ziegeleien und<lb/>
ähnliche Fabriken, die ihre Rohprodukte: Ge¬<lb/>
treide, Holz, Lehm im Lande haben. Aber<lb/>
auch bei diesen zeigen sich schon groß« Schwierig¬<lb/>
keiten bei der Beschaffung von Heizmaterial,<lb/>
namentlich aber durch den Mangel anMaschinen-<lb/>
ersatzteilcn, Treibriemen und geschulten Per¬<lb/>
sonal. Noch viel schlimmer ist der Handel<lb/>
dran. Die Verkaufsräume sind fast leer. Seit<lb/>
Deutschland die Ausfuhr von Textil- und<lb/>
Schuhwaren unterbunden hat, fehlen diese not¬<lb/>
wendigen Bekleidungsariikel fast vollständig.<lb/>
Die alten Vorräte sind aufgebraucht, und man<lb/>
ist darauf angewiesen, aus Kongreßpolen (Lodz)<lb/>
zu dörrenden Preisen meistens nicht sehr gute<lb/>
Ware zu beziehen. Aber auch dazu ist noch<lb/>
die Einfuhrgenehmigung von der Behörde not¬<lb/>
wendig, denn, so eigenartig es klingen mag,<lb/>
das heutige Polen hat die alte Grenze zwischen<lb/>
Posen und Kongrcßpolen aufrechterhalten;<lb/>
dieselbe wird noch viel schärfer als in Vor¬<lb/>
kriegszeiten bewacht, und der Schmuggel, trotz¬<lb/>
dem sehr hohe Belohnungen auf die Ergreifung<lb/>
von Schmugglern stehen, blüht wie nie zuvor.</p>
            <cb type="end"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0359] Drinnen und draußen Teiles der Bevölkerung Zeugnis ablegen, da ja in der Tat nur ein ganz geringer Teil nationalpvlnisch gesinnt ist und sich zum Träger des großpolnischen Gedankens zu machen sucht. Ich sagte es offen: Wer in diesem Lande von einer polnischen Kultur spricht, begeht eine Fälschung, indem er nicht nur durch Lügen die Tatsachen der gegenwärtigen Zeit verdreht, sondern auch die Geschichte entstellt, die klar beweist, daß alles, was auf dem Boden des Weichscllandes und der an sie anschließenden Ostgebiete entstanden ist, der kulturschaffenden Kraft der Deutsch-Herrcnritter entsproß und zu verdanken ist. Solange die das Land aus¬ schließende und aufbauende deutsche Arbeit nicht unterbrochen wurde, zeigte die kulturelle Entwicklungsstufe einen dauernden Aufstieg. Nur die traurigen Zeiten brachten Rückschläge, die das Land zwischendurch vorübergehend unter polnische Herrschaft gelangen ließen, und erst, nachdem diese Lande wieder erneut in den preußisch-deutschen Staatsverband ein¬ gegliedert wurden, entstand jene hohe Kultur, die heute in allen Teilen des Landes offen ersichtlich ist. Und so forderte ich die volle Gerechtigkeit der Anerkenntnis des Volks- urtciles, das sich am Tage der Abstimmung sicher für Deutschland bekennen werde. Und es ist gewiß nicht uninteressant zu erfahren, daß Exzellenz Pavia in seiner Erwiderung darauf hervorhob, daß er eS sich als Präsident der Interalliierten Kommission zusammen mit den Mitgliedern der anderen Nationen zur strikten Aufgabe gemacht habe, diese geforderte Gerechtigkeit in der Beurteilung der Lage zu befolgen. Er sagte wörtlich: „Die Kommission wird so handeln, daß sowohl die einen wie die anderen nur siegen können/ wenn sie ihre Rechte derart ausüben, daß jeder, der seine Stimme abgibt, ohne Furcht und nach besten. Gewissen an die Urne treten kann." — In Privaten Gespräch ging Exzellenz Pavia aber »och weiter; denn er erklärte mir nachher, daß er sagen müsse, Paris sei durch falsche Polnische Informationen irregeführt, und auch er glaube an den Sieg der deutschen Sache. Wird man dem Deutschtum also die ge¬ forderte und zugesagte volle Gerechtigkeit bei der Abstimmung gewähren, so glaube ich fest hoffen zu dürfen, daß wir im Reiche ebenso wie die Bevölkerung dieser umstrittenen Land¬ striche mit voller Zuversicht dem Wahlresultat entgegensehen können. Die dort gebildete deutsche Front wird die Belastung ertragen; der Wille des Volkes wird den unverrückbaren Beweis bringei,, daß das Deutschtum hier heimisch und unverdrängbar ist. Von feiten des Reiches aber wird es darum um so mehr notwendig sein, diese Treue mit Treue zu vergelten und der Ostmark zu beweisen, daß sie schließlich doch nicht auf sich allein angewiesen ist. So wie das Reich die kriegsvcrwüstete Provinz wieder mit aufbauen half, so wird es auch in Zukunft zu ihr stehen. Wilhelm Lonrad Gomoll Brief aus Polen .....Sie wollen einiges über die wirtschaft liebe Lage der neuen Republik Polen wissen. Soweit ich es nach meinem jüngsten Aufenthalt beurteilen kann, ist dieselbe äußerst schwierig und sicherlich unhaltbar, wenn nicht irgendwelche weitgehenden Ab¬ machungen auf Lieferung der notwendigsten Bedürfnisse des täglichen Lebens aus dem benachbarten Auslande hereinkommen. Die Industrie ist, soweit sie in der früheren Posener Provinz vorhanden ist, noch reichlich beschäftigt. Es handelt sich da hauptsächlich um die Dampf¬ und Ölmühlen, Sägewerke, Ziegeleien und ähnliche Fabriken, die ihre Rohprodukte: Ge¬ treide, Holz, Lehm im Lande haben. Aber auch bei diesen zeigen sich schon groß« Schwierig¬ keiten bei der Beschaffung von Heizmaterial, namentlich aber durch den Mangel anMaschinen- ersatzteilcn, Treibriemen und geschulten Per¬ sonal. Noch viel schlimmer ist der Handel dran. Die Verkaufsräume sind fast leer. Seit Deutschland die Ausfuhr von Textil- und Schuhwaren unterbunden hat, fehlen diese not¬ wendigen Bekleidungsariikel fast vollständig. Die alten Vorräte sind aufgebraucht, und man ist darauf angewiesen, aus Kongreßpolen (Lodz) zu dörrenden Preisen meistens nicht sehr gute Ware zu beziehen. Aber auch dazu ist noch die Einfuhrgenehmigung von der Behörde not¬ wendig, denn, so eigenartig es klingen mag, das heutige Polen hat die alte Grenze zwischen Posen und Kongrcßpolen aufrechterhalten; dieselbe wird noch viel schärfer als in Vor¬ kriegszeiten bewacht, und der Schmuggel, trotz¬ dem sehr hohe Belohnungen auf die Ergreifung von Schmugglern stehen, blüht wie nie zuvor.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/359
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/359>, abgerufen am 05.05.2024.