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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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(Offenherzigkeiten

Kommissionen lassen die Verantwortung verdunsten und die Initiative ver¬
säuern. Nur der Unternehmer, der das Risiko hat, entwickelt den Instinkt für
das Kommende und die Entschlußkraft dahin. Ebenso der wirkliche Staatsmann,
der einzeln handelt. Diktatur allein macht es freilich auch nicht. Das hat Emma
Goldmann, die liebliche aus allen ihren Vaterländern ausgewiesene Anarchistin,
schließlich in Moskau bei Lenin gelernt. Sie schreibt: "In den vier Monaten,
die ich hier verbrachte, habe ich erkannt, daß nichts Gesundes daran ist. Jede
Art der Negierung ist schlecht (Emma!), aber bei der Wahl zwischen dem
Staatssozialismus oder Staatskapitalismus -- man nenne es, wie man will --
und dem individuellen Kapitalismus ziehe ich doch den letzteren vor."

Herr Marschall Brussilow, wann schassen Sie die Advokaten-Diktatoren?

Der Schutzengel der deutschen Zwietracht behüte uns vor einem Diktator,
der kein Staatsmann, sondern ein gewalttätiger Jdeologe ist! Lieber bleiben wir
da doch beim bisherigen System der Ratsherren, die jeden Monat in der Sitzung
feststellen, welchen Fehler sie im vorigen Mond gemacht haben. Man steigt die
Natstreppe hinunter, fühlt, daß man nur Abendessen und Bettruhe braucht, um
morgen ganz von selbst um einen Tag klüger zu sein. O Gott, wenn man statt
Ratsherr Tatsherr wäre, was hätte man da Gelegenheiten, sich zu blamieren.
Am Ende ginge sogar dabei der Schlaf verloren, ohne den nicht einmal Napoleon
Napoleon wäre, und den selbst die eigentümlicheForm des Wachschlafs, die man
Zibo, Kommissionssitzungen nennt, wenigstens nachts nicht ersetzen kann-


Unnötig geopfert.

Da die Beamtenschaft sämtlicher Finanzämter bedeutend vermehrt worden ist,
-- annähernd so stark wie die der Post und Eisenbahn -- haben auch sie unter
zermalmenden Leistungsrückgang zu klagen. Man hätte annehmen sollen, daß
durch den Ausfall der Einkommensteuer-Veranlagung für 1920 zahlreiche hoffnungs¬
volle Bureaukräfte, zumal in den städtischen Steuerämtern, frei und von der
staatlichen Behörde zur Hilfe herangezogen worden seien -- denn warum sollen
sich in der Not nicht alle Volksgenossen unterstützen? Statt dessen erfahren wir,
daß mit Erträgen aus den seit langen Monaten" angenommenen Erzbergersteuern
noch nicht zu rechnen ist. Der fromme Bürger hatte sich schon wiederholt, halb
ängstlich, halb dankbar aufatmend, den Kopf darüber zerbrochen, weshalb ihm
denn keine Zahlungsaufforderungen ins Haus wehten. Nun teilt ihm der Herr
Minister mit, daß die rasche Häufung und die wachsende Kompliziertheit der neuen
Steuergesetze die Verzögerung verschuldet hätten. Es sind eben so ungeheuer viele
und so ungeheuer verwickelte neue Abgaben geschaffen worden, daß das verzweifelte
Bureau lieber überhaupt schon gar.keine mehr einzieht. Ein Standpunkt, der jeden!
mit Arbeit Überlasteten zu empfehlen ist und der erfrischende Ähnlichkeit mit der
beliebten Einrichtung hat, das ganze Aktenarchiv in Brand zu stecken, sobald die
Akten dem Referenten über den Kopf wachsen. Herr Erzberger ist, vielleicht nicht
zuletzt seiner Steuerproduktivität wegen, Deutschlands bestgehaßter Mann.
Freilich ist diese Produktivität auch sein höchstes und unbestreitbares Verdienst.
Kein anderer als er hätte das Werk zu Ende führen können. Hätte er freilich
geahnt, daß heute aus den Steuern, die er vor Jahresfrist mit saurem Schweiß
und Halloh gewalttätig durchdrückte, noch keinerlei Ertrag zu verzeichnen ist,
daß vielmehr die Notenpresse täglich geruhsam weiter 26 Millionen Mark Papier¬
geld herstellt (genau so viel etwa, wie täglich an fälligen Steuern versteckt und
verschleppt wird), dann hätte der Mann aus Biberach sich viel Ärger und
Feindschaft sparen können. Dann säße er noch heut im Amte.


Die Schraube.

"Wer verteuert das Brot?" so fragt der Nassauische Landverband und
berichtet über die abenteuerliche Erhöhung der Dreschkosten:

"Der Verband der Nassauischen Dreschmaschinenbesitzer fordert in diesem
Jahre für das Ausdreschen des Getreides bei neunstündiger Arbeitszeit einen


(Offenherzigkeiten

Kommissionen lassen die Verantwortung verdunsten und die Initiative ver¬
säuern. Nur der Unternehmer, der das Risiko hat, entwickelt den Instinkt für
das Kommende und die Entschlußkraft dahin. Ebenso der wirkliche Staatsmann,
der einzeln handelt. Diktatur allein macht es freilich auch nicht. Das hat Emma
Goldmann, die liebliche aus allen ihren Vaterländern ausgewiesene Anarchistin,
schließlich in Moskau bei Lenin gelernt. Sie schreibt: „In den vier Monaten,
die ich hier verbrachte, habe ich erkannt, daß nichts Gesundes daran ist. Jede
Art der Negierung ist schlecht (Emma!), aber bei der Wahl zwischen dem
Staatssozialismus oder Staatskapitalismus — man nenne es, wie man will —
und dem individuellen Kapitalismus ziehe ich doch den letzteren vor."

Herr Marschall Brussilow, wann schassen Sie die Advokaten-Diktatoren?

Der Schutzengel der deutschen Zwietracht behüte uns vor einem Diktator,
der kein Staatsmann, sondern ein gewalttätiger Jdeologe ist! Lieber bleiben wir
da doch beim bisherigen System der Ratsherren, die jeden Monat in der Sitzung
feststellen, welchen Fehler sie im vorigen Mond gemacht haben. Man steigt die
Natstreppe hinunter, fühlt, daß man nur Abendessen und Bettruhe braucht, um
morgen ganz von selbst um einen Tag klüger zu sein. O Gott, wenn man statt
Ratsherr Tatsherr wäre, was hätte man da Gelegenheiten, sich zu blamieren.
Am Ende ginge sogar dabei der Schlaf verloren, ohne den nicht einmal Napoleon
Napoleon wäre, und den selbst die eigentümlicheForm des Wachschlafs, die man
Zibo, Kommissionssitzungen nennt, wenigstens nachts nicht ersetzen kann-


Unnötig geopfert.

Da die Beamtenschaft sämtlicher Finanzämter bedeutend vermehrt worden ist,
— annähernd so stark wie die der Post und Eisenbahn — haben auch sie unter
zermalmenden Leistungsrückgang zu klagen. Man hätte annehmen sollen, daß
durch den Ausfall der Einkommensteuer-Veranlagung für 1920 zahlreiche hoffnungs¬
volle Bureaukräfte, zumal in den städtischen Steuerämtern, frei und von der
staatlichen Behörde zur Hilfe herangezogen worden seien — denn warum sollen
sich in der Not nicht alle Volksgenossen unterstützen? Statt dessen erfahren wir,
daß mit Erträgen aus den seit langen Monaten" angenommenen Erzbergersteuern
noch nicht zu rechnen ist. Der fromme Bürger hatte sich schon wiederholt, halb
ängstlich, halb dankbar aufatmend, den Kopf darüber zerbrochen, weshalb ihm
denn keine Zahlungsaufforderungen ins Haus wehten. Nun teilt ihm der Herr
Minister mit, daß die rasche Häufung und die wachsende Kompliziertheit der neuen
Steuergesetze die Verzögerung verschuldet hätten. Es sind eben so ungeheuer viele
und so ungeheuer verwickelte neue Abgaben geschaffen worden, daß das verzweifelte
Bureau lieber überhaupt schon gar.keine mehr einzieht. Ein Standpunkt, der jeden!
mit Arbeit Überlasteten zu empfehlen ist und der erfrischende Ähnlichkeit mit der
beliebten Einrichtung hat, das ganze Aktenarchiv in Brand zu stecken, sobald die
Akten dem Referenten über den Kopf wachsen. Herr Erzberger ist, vielleicht nicht
zuletzt seiner Steuerproduktivität wegen, Deutschlands bestgehaßter Mann.
Freilich ist diese Produktivität auch sein höchstes und unbestreitbares Verdienst.
Kein anderer als er hätte das Werk zu Ende führen können. Hätte er freilich
geahnt, daß heute aus den Steuern, die er vor Jahresfrist mit saurem Schweiß
und Halloh gewalttätig durchdrückte, noch keinerlei Ertrag zu verzeichnen ist,
daß vielmehr die Notenpresse täglich geruhsam weiter 26 Millionen Mark Papier¬
geld herstellt (genau so viel etwa, wie täglich an fälligen Steuern versteckt und
verschleppt wird), dann hätte der Mann aus Biberach sich viel Ärger und
Feindschaft sparen können. Dann säße er noch heut im Amte.


Die Schraube.

„Wer verteuert das Brot?" so fragt der Nassauische Landverband und
berichtet über die abenteuerliche Erhöhung der Dreschkosten:

„Der Verband der Nassauischen Dreschmaschinenbesitzer fordert in diesem
Jahre für das Ausdreschen des Getreides bei neunstündiger Arbeitszeit einen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/82>, abgerufen am 05.05.2024.