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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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"Offenherzigkeiten
Damals, Philipp, dünkte dir's
Klug, die Retter zu vergolten . . .
Heute schwört er, den Off'ziers-
Stand zum Danke auszurotten.
Philipp schwört. Ja -- lacht da wer?
"Mir auch hat ein Eid gelangen,
Doch das nimmt er nie so schwerI"
Sagt der Mann von Amerongen.

pandur.


Offenherzigkeiten
Der Schriftsteller mit der mangelhaften Portemonnaieregelung

Daß die Zeitungsreklame immer mehr darauf ausgeht, redaktionelle Formen
zu borgen, wird ihr höchstens der Redakteur nicht verzeihen, dem Standesehre
mehr als em juristischer Begriff ist. Wir sind dickfellig und weitherzig geworden.
In früheren Zeiten gab es auch in den übelsten deutschen Annoncenfaktoreien eine
scharfe Scheidelinie zwischen jener öffentlichen Meinung, die die bezahlten Mit¬
arbeiter des Verlages zu machen versuchten, und j"ner, die seine bezahlenden Mit¬
arbeiter erzeugten. Heute stößt sich, wie gesagt, kein Fortgeschrittener an der
üblich gewordenen Begriffsverwirrung, und niemals streift eine Mimst ererzellenz,
die den hohen sittlichen Beruf der Presse altestiert, das dunkele Gebiet der
feuilletomstisch verschleierten Anzeige. Es ist nichts mehr dagegen zu wollen.
Der geschäftsbedürftige Kapitalismus wünscht und bevorzugt diese Art der An¬
kündigung, und wozu leben wir seit dem 9. November in einer monarchistisch¬
sozialistischen Republik, wenn ihm nicht in allen Dingen gehorsame werden soll?
Was sich die Berliner Theaterkritiker knirschend gefallen lassen müssen, die vom
Verleger übertarifmäßig hoch zu honorierenden illustrierten Rezensionen der Brüder
Roiter-Schaje, das ist ihren Kollegen recht und billig. Und so wimmelt es
unterm Strich an geistreichen Skizzen, die bald über neue Pelzmodelle, bald über
Frontkorsetts und die jüngste Luxusdiele hinreißend plaudern. Wie lange noch,
und nach Pariser Muster wird auch der Leitartikel zu haben sein, Preise nach
besonderer ^ Vereinbarung. Soweit alles gut. Nur eins brandmarkt die ge¬
fälligen Be träge der Außenseiter noch: sie meinen es nie unterlassen zu dürfen,
sich dem Leser wiederholt als "Schriftsteller" zu präsentieren. Mindestens drei-
bis viermal in jedem Aussatze ist der -- bei den hohen Zeilenpreisen doch sehr
kostspielige -- Hinweis darauf zu finden, daß der Herr oder das Fräulein Autor
wirklich und tatiächlich ;ur richtigen Schriftstellergiloe gehört. "Denn inzwischen
waed mein Beruf die Schriftstellerin," schreibt Irmgard von Pein, deren neckisch-
Hraziöse Feder sür elektrisch-keramische (!) Schauerbrandöfen erglüht, während
Wilhelm Kirchner begeistert ausruft: "Wenn ich nicht Schriftsteller wäre, würde
ich auf der Stelle eines von diesen wunderbaren 50pferoiaen Hastenichgesehen-
Autos kaufen." Schnftstelleroalles hindert ihn daran. Später erwähnt er noch
einmal seine betrübsame Geldklemme und nennt sich "einen Schriftsteller von
Mangelhafter Portemonnaieregelung". Das Ansehen des Standes wird durch
solche halb schnorrerhaften, halb bettelmönchischen Wendungen ungemein gehoben.
Ich denke aber, in dieser Beziehung haben bereits Corra Christ und Georg
Kaiser dem verehrungswürdigen deutschen Publikum alles Erforderliche gesagt.


«Offenherzigkeiten
Damals, Philipp, dünkte dir's
Klug, die Retter zu vergolten . . .
Heute schwört er, den Off'ziers-
Stand zum Danke auszurotten.
Philipp schwört. Ja — lacht da wer?
„Mir auch hat ein Eid gelangen,
Doch das nimmt er nie so schwerI"
Sagt der Mann von Amerongen.

pandur.


Offenherzigkeiten
Der Schriftsteller mit der mangelhaften Portemonnaieregelung

Daß die Zeitungsreklame immer mehr darauf ausgeht, redaktionelle Formen
zu borgen, wird ihr höchstens der Redakteur nicht verzeihen, dem Standesehre
mehr als em juristischer Begriff ist. Wir sind dickfellig und weitherzig geworden.
In früheren Zeiten gab es auch in den übelsten deutschen Annoncenfaktoreien eine
scharfe Scheidelinie zwischen jener öffentlichen Meinung, die die bezahlten Mit¬
arbeiter des Verlages zu machen versuchten, und j«ner, die seine bezahlenden Mit¬
arbeiter erzeugten. Heute stößt sich, wie gesagt, kein Fortgeschrittener an der
üblich gewordenen Begriffsverwirrung, und niemals streift eine Mimst ererzellenz,
die den hohen sittlichen Beruf der Presse altestiert, das dunkele Gebiet der
feuilletomstisch verschleierten Anzeige. Es ist nichts mehr dagegen zu wollen.
Der geschäftsbedürftige Kapitalismus wünscht und bevorzugt diese Art der An¬
kündigung, und wozu leben wir seit dem 9. November in einer monarchistisch¬
sozialistischen Republik, wenn ihm nicht in allen Dingen gehorsame werden soll?
Was sich die Berliner Theaterkritiker knirschend gefallen lassen müssen, die vom
Verleger übertarifmäßig hoch zu honorierenden illustrierten Rezensionen der Brüder
Roiter-Schaje, das ist ihren Kollegen recht und billig. Und so wimmelt es
unterm Strich an geistreichen Skizzen, die bald über neue Pelzmodelle, bald über
Frontkorsetts und die jüngste Luxusdiele hinreißend plaudern. Wie lange noch,
und nach Pariser Muster wird auch der Leitartikel zu haben sein, Preise nach
besonderer ^ Vereinbarung. Soweit alles gut. Nur eins brandmarkt die ge¬
fälligen Be träge der Außenseiter noch: sie meinen es nie unterlassen zu dürfen,
sich dem Leser wiederholt als „Schriftsteller" zu präsentieren. Mindestens drei-
bis viermal in jedem Aussatze ist der — bei den hohen Zeilenpreisen doch sehr
kostspielige — Hinweis darauf zu finden, daß der Herr oder das Fräulein Autor
wirklich und tatiächlich ;ur richtigen Schriftstellergiloe gehört. „Denn inzwischen
waed mein Beruf die Schriftstellerin," schreibt Irmgard von Pein, deren neckisch-
Hraziöse Feder sür elektrisch-keramische (!) Schauerbrandöfen erglüht, während
Wilhelm Kirchner begeistert ausruft: „Wenn ich nicht Schriftsteller wäre, würde
ich auf der Stelle eines von diesen wunderbaren 50pferoiaen Hastenichgesehen-
Autos kaufen." Schnftstelleroalles hindert ihn daran. Später erwähnt er noch
einmal seine betrübsame Geldklemme und nennt sich „einen Schriftsteller von
Mangelhafter Portemonnaieregelung". Das Ansehen des Standes wird durch
solche halb schnorrerhaften, halb bettelmönchischen Wendungen ungemein gehoben.
Ich denke aber, in dieser Beziehung haben bereits Corra Christ und Georg
Kaiser dem verehrungswürdigen deutschen Publikum alles Erforderliche gesagt.


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[0143] «Offenherzigkeiten Damals, Philipp, dünkte dir's Klug, die Retter zu vergolten . . . Heute schwört er, den Off'ziers- Stand zum Danke auszurotten. Philipp schwört. Ja — lacht da wer? „Mir auch hat ein Eid gelangen, Doch das nimmt er nie so schwerI" Sagt der Mann von Amerongen. pandur. Offenherzigkeiten Der Schriftsteller mit der mangelhaften Portemonnaieregelung Daß die Zeitungsreklame immer mehr darauf ausgeht, redaktionelle Formen zu borgen, wird ihr höchstens der Redakteur nicht verzeihen, dem Standesehre mehr als em juristischer Begriff ist. Wir sind dickfellig und weitherzig geworden. In früheren Zeiten gab es auch in den übelsten deutschen Annoncenfaktoreien eine scharfe Scheidelinie zwischen jener öffentlichen Meinung, die die bezahlten Mit¬ arbeiter des Verlages zu machen versuchten, und j«ner, die seine bezahlenden Mit¬ arbeiter erzeugten. Heute stößt sich, wie gesagt, kein Fortgeschrittener an der üblich gewordenen Begriffsverwirrung, und niemals streift eine Mimst ererzellenz, die den hohen sittlichen Beruf der Presse altestiert, das dunkele Gebiet der feuilletomstisch verschleierten Anzeige. Es ist nichts mehr dagegen zu wollen. Der geschäftsbedürftige Kapitalismus wünscht und bevorzugt diese Art der An¬ kündigung, und wozu leben wir seit dem 9. November in einer monarchistisch¬ sozialistischen Republik, wenn ihm nicht in allen Dingen gehorsame werden soll? Was sich die Berliner Theaterkritiker knirschend gefallen lassen müssen, die vom Verleger übertarifmäßig hoch zu honorierenden illustrierten Rezensionen der Brüder Roiter-Schaje, das ist ihren Kollegen recht und billig. Und so wimmelt es unterm Strich an geistreichen Skizzen, die bald über neue Pelzmodelle, bald über Frontkorsetts und die jüngste Luxusdiele hinreißend plaudern. Wie lange noch, und nach Pariser Muster wird auch der Leitartikel zu haben sein, Preise nach besonderer ^ Vereinbarung. Soweit alles gut. Nur eins brandmarkt die ge¬ fälligen Be träge der Außenseiter noch: sie meinen es nie unterlassen zu dürfen, sich dem Leser wiederholt als „Schriftsteller" zu präsentieren. Mindestens drei- bis viermal in jedem Aussatze ist der — bei den hohen Zeilenpreisen doch sehr kostspielige — Hinweis darauf zu finden, daß der Herr oder das Fräulein Autor wirklich und tatiächlich ;ur richtigen Schriftstellergiloe gehört. „Denn inzwischen waed mein Beruf die Schriftstellerin," schreibt Irmgard von Pein, deren neckisch- Hraziöse Feder sür elektrisch-keramische (!) Schauerbrandöfen erglüht, während Wilhelm Kirchner begeistert ausruft: „Wenn ich nicht Schriftsteller wäre, würde ich auf der Stelle eines von diesen wunderbaren 50pferoiaen Hastenichgesehen- Autos kaufen." Schnftstelleroalles hindert ihn daran. Später erwähnt er noch einmal seine betrübsame Geldklemme und nennt sich „einen Schriftsteller von Mangelhafter Portemonnaieregelung". Das Ansehen des Standes wird durch solche halb schnorrerhaften, halb bettelmönchischen Wendungen ungemein gehoben. Ich denke aber, in dieser Beziehung haben bereits Corra Christ und Georg Kaiser dem verehrungswürdigen deutschen Publikum alles Erforderliche gesagt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/143>, abgerufen am 01.05.2024.