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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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Drinnen und draußen

Drinnen und draußen

[Beginn Spaltensatz]
Grenzland Helgoland.

Helgoland Grenz¬
land. Als der Krieg kam, fegte er mit einem
Federstrich die dritthalb Tausend schweigenden
Menschen von ihrer zauberhaften kleinen
Sandsteinfelsenheimat hinweg, spülte sie als
ungern aufgenommene stumme anspruchslose
Gäste den Elbgemeinden in die Arme
Flüchtlingslos. Sie trugen eS wortlos,
standhaft, als Friesen, als Deutsche. Sie
hatten 24 Jahre damit gerechnet, sie waren
vorbereitet. Ihre Feier in der kleinen
Ottenser Kirche am 10. August 1916, als sie
As Jahre zu Deutschland gehörten, bewies es.
Sie waren treu befunden worden, aber
niemand verstand diese Treue zu würdigen.
Man hatte nicht einmal die Absicht, ihnen
diese Treue zu lohnen. Wäre der Krieg
-anders ausgefallen, dann wäre Helgoland
stillschweigend geblieben, was es über vier
"Kriegsjahre gewesen, eine ausschließliche
Domäne der Marine ohne ein ziviles
Anhängsel. Es kam jedoch nicht da u, die
schweren Tritte der helgolander Friesen
stampften in dem bösen Winter 19!3 wieder
über die Straßen ihrer ach so veränderten
Insel, die ihnen ungastlich entgegenstarrte.
Unbeholfen, eigensinnig, unpraktisch, verarmt,
aber voll zähen Eifers, wieder Lebens¬
bedingungen zu finden und zu schaffen, gingen
die Hclgolander daran, Helgoland wieder
aufzubauen, allen voran die Frauen, die
immer die treibende Kraft, die größere
Intelligenz der Jnselbevölkerung gewesen
waren. Zu den wirtschaftlichen kamen
politische Nöte. Helgoland hatte eine kleine
Sonderstellung in seiner Selbstverwaltung
genossen, die den Bestand des großen deutschen
Staates noch nie gefährdet hatte. Land¬
fremdes Volk wurde vorübergehend seßhaft
auf dem Fels, der Friedensvertrag nährte
Festlandsarbeiter, die sich bald als Herren zu
fühlen begannen. Sie begehrten nach be¬
währten Muster Rechte, Helgoland schien
ihnen als der Ort, ihre Machtgclüste zu
Schulen. DaS wäre der Todesstoß für
Helgoland gewesen. Endlich rührte sich die
Negierung. Das Unglück wurde, zwar
mangelhaft, so doch in seiner gröbsten Gefahr
.vermieden. Nun steht Helgoland nach

[Spaltenumbruch]

zwei Friedensjahren am Beginn des vierten
Dezeniums Dcutschseins im wahrsten Sinne
des Wortes vor einem Trümmerhaufen. Die
Festung und der Hafen fallen unter den
langsamen Händen der Arbeiter in Schutt,
die Insel zittert täglich unter den Spreng
Schüssen wie ein Schiff im Orkan. Die
Schäden des Krieges sind noch nicht zum
zehnten Teil geheilt und schon gesellen sich
neue Schäden dazu. Helgoland ist Grenzland,
zäh und wortlos sind die Helgolander
Deutsche, die in der Nordsee uns Hunderte
von Jahren gezeigt haben, wie man sein
Deutschtum bewahren kann, seine alten Sitten,
Sprache und nationale Würde. Es stünde
der Regierung gut an, mit einem großzügigen
Dank hier Wunden zu heilen, die mit einer
wahren Lammsgeduld nun schon ins siebente
Jahr hinein ertragen werden. Helgoland
harrt und hofft, es wird weiter hoffen und
harren, aber ob ihm der Dank für seine Ent¬
sagungen, für sein Ausharren werden wird,
ist fraglich, es ist Niemand da, der es kennt
und liebt und weiß, was es erduldet hat und
noch erduldet. Helgoland ist auch als ent¬
waffnete und hafenlose Insel etwas für daS
Reich wert, aber ganz abgesehen davon
handelt es sich hier um eine Dankesschuld
und Pflicht, und die sollte eine gute Regierung
nicht verabsäumen, einzulösen.

Zur Psyche der Serben.

Eine völker¬
psychologisch-politische Skizze von or. R. F-
Kaindl. In meinen Ausführungen in diesen
Blättern Ur. 14 habe ich nach meiner volks¬
kundlichen Erfahrung und geschichtlichen Er¬
kenntnis eine kurze Charakteristik der Serben
geboten, ihre Leidenschaftlichkeit, ihre Neigung
zum Umsturz und zu Gewalttaten, das starke
Hervortreten kirchlicher Einflüsse und ihre Zu-
gänglichkeit für maßlose Agitation geschildert.
Dabei wurde das neue Werk über die "Süd¬
slawische Frage" von "Südland" (einem Süd¬
slawen) gebührend berücksichtigt. Auch die
Bedeutung der deutschen Ansiedlung und
deutscher Einflüsse für die südöstlichen Gebiete
wurde betont. Trotz der ruhigen Sachlichkeit
dieser Ausführungen erhielt ich eine anonyme
Zurechtweisung, die nicht gerade in gewählten
Worten gehalten war.

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Grenzland Helgoland.

Helgoland Grenz¬
land. Als der Krieg kam, fegte er mit einem
Federstrich die dritthalb Tausend schweigenden
Menschen von ihrer zauberhaften kleinen
Sandsteinfelsenheimat hinweg, spülte sie als
ungern aufgenommene stumme anspruchslose
Gäste den Elbgemeinden in die Arme
Flüchtlingslos. Sie trugen eS wortlos,
standhaft, als Friesen, als Deutsche. Sie
hatten 24 Jahre damit gerechnet, sie waren
vorbereitet. Ihre Feier in der kleinen
Ottenser Kirche am 10. August 1916, als sie
As Jahre zu Deutschland gehörten, bewies es.
Sie waren treu befunden worden, aber
niemand verstand diese Treue zu würdigen.
Man hatte nicht einmal die Absicht, ihnen
diese Treue zu lohnen. Wäre der Krieg
-anders ausgefallen, dann wäre Helgoland
stillschweigend geblieben, was es über vier
„Kriegsjahre gewesen, eine ausschließliche
Domäne der Marine ohne ein ziviles
Anhängsel. Es kam jedoch nicht da u, die
schweren Tritte der helgolander Friesen
stampften in dem bösen Winter 19!3 wieder
über die Straßen ihrer ach so veränderten
Insel, die ihnen ungastlich entgegenstarrte.
Unbeholfen, eigensinnig, unpraktisch, verarmt,
aber voll zähen Eifers, wieder Lebens¬
bedingungen zu finden und zu schaffen, gingen
die Hclgolander daran, Helgoland wieder
aufzubauen, allen voran die Frauen, die
immer die treibende Kraft, die größere
Intelligenz der Jnselbevölkerung gewesen
waren. Zu den wirtschaftlichen kamen
politische Nöte. Helgoland hatte eine kleine
Sonderstellung in seiner Selbstverwaltung
genossen, die den Bestand des großen deutschen
Staates noch nie gefährdet hatte. Land¬
fremdes Volk wurde vorübergehend seßhaft
auf dem Fels, der Friedensvertrag nährte
Festlandsarbeiter, die sich bald als Herren zu
fühlen begannen. Sie begehrten nach be¬
währten Muster Rechte, Helgoland schien
ihnen als der Ort, ihre Machtgclüste zu
Schulen. DaS wäre der Todesstoß für
Helgoland gewesen. Endlich rührte sich die
Negierung. Das Unglück wurde, zwar
mangelhaft, so doch in seiner gröbsten Gefahr
.vermieden. Nun steht Helgoland nach

[Spaltenumbruch]

zwei Friedensjahren am Beginn des vierten
Dezeniums Dcutschseins im wahrsten Sinne
des Wortes vor einem Trümmerhaufen. Die
Festung und der Hafen fallen unter den
langsamen Händen der Arbeiter in Schutt,
die Insel zittert täglich unter den Spreng
Schüssen wie ein Schiff im Orkan. Die
Schäden des Krieges sind noch nicht zum
zehnten Teil geheilt und schon gesellen sich
neue Schäden dazu. Helgoland ist Grenzland,
zäh und wortlos sind die Helgolander
Deutsche, die in der Nordsee uns Hunderte
von Jahren gezeigt haben, wie man sein
Deutschtum bewahren kann, seine alten Sitten,
Sprache und nationale Würde. Es stünde
der Regierung gut an, mit einem großzügigen
Dank hier Wunden zu heilen, die mit einer
wahren Lammsgeduld nun schon ins siebente
Jahr hinein ertragen werden. Helgoland
harrt und hofft, es wird weiter hoffen und
harren, aber ob ihm der Dank für seine Ent¬
sagungen, für sein Ausharren werden wird,
ist fraglich, es ist Niemand da, der es kennt
und liebt und weiß, was es erduldet hat und
noch erduldet. Helgoland ist auch als ent¬
waffnete und hafenlose Insel etwas für daS
Reich wert, aber ganz abgesehen davon
handelt es sich hier um eine Dankesschuld
und Pflicht, und die sollte eine gute Regierung
nicht verabsäumen, einzulösen.

Zur Psyche der Serben.

Eine völker¬
psychologisch-politische Skizze von or. R. F-
Kaindl. In meinen Ausführungen in diesen
Blättern Ur. 14 habe ich nach meiner volks¬
kundlichen Erfahrung und geschichtlichen Er¬
kenntnis eine kurze Charakteristik der Serben
geboten, ihre Leidenschaftlichkeit, ihre Neigung
zum Umsturz und zu Gewalttaten, das starke
Hervortreten kirchlicher Einflüsse und ihre Zu-
gänglichkeit für maßlose Agitation geschildert.
Dabei wurde das neue Werk über die „Süd¬
slawische Frage" von „Südland" (einem Süd¬
slawen) gebührend berücksichtigt. Auch die
Bedeutung der deutschen Ansiedlung und
deutscher Einflüsse für die südöstlichen Gebiete
wurde betont. Trotz der ruhigen Sachlichkeit
dieser Ausführungen erhielt ich eine anonyme
Zurechtweisung, die nicht gerade in gewählten
Worten gehalten war.

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[0146] Drinnen und draußen Drinnen und draußen Grenzland Helgoland. Helgoland Grenz¬ land. Als der Krieg kam, fegte er mit einem Federstrich die dritthalb Tausend schweigenden Menschen von ihrer zauberhaften kleinen Sandsteinfelsenheimat hinweg, spülte sie als ungern aufgenommene stumme anspruchslose Gäste den Elbgemeinden in die Arme Flüchtlingslos. Sie trugen eS wortlos, standhaft, als Friesen, als Deutsche. Sie hatten 24 Jahre damit gerechnet, sie waren vorbereitet. Ihre Feier in der kleinen Ottenser Kirche am 10. August 1916, als sie As Jahre zu Deutschland gehörten, bewies es. Sie waren treu befunden worden, aber niemand verstand diese Treue zu würdigen. Man hatte nicht einmal die Absicht, ihnen diese Treue zu lohnen. Wäre der Krieg -anders ausgefallen, dann wäre Helgoland stillschweigend geblieben, was es über vier „Kriegsjahre gewesen, eine ausschließliche Domäne der Marine ohne ein ziviles Anhängsel. Es kam jedoch nicht da u, die schweren Tritte der helgolander Friesen stampften in dem bösen Winter 19!3 wieder über die Straßen ihrer ach so veränderten Insel, die ihnen ungastlich entgegenstarrte. Unbeholfen, eigensinnig, unpraktisch, verarmt, aber voll zähen Eifers, wieder Lebens¬ bedingungen zu finden und zu schaffen, gingen die Hclgolander daran, Helgoland wieder aufzubauen, allen voran die Frauen, die immer die treibende Kraft, die größere Intelligenz der Jnselbevölkerung gewesen waren. Zu den wirtschaftlichen kamen politische Nöte. Helgoland hatte eine kleine Sonderstellung in seiner Selbstverwaltung genossen, die den Bestand des großen deutschen Staates noch nie gefährdet hatte. Land¬ fremdes Volk wurde vorübergehend seßhaft auf dem Fels, der Friedensvertrag nährte Festlandsarbeiter, die sich bald als Herren zu fühlen begannen. Sie begehrten nach be¬ währten Muster Rechte, Helgoland schien ihnen als der Ort, ihre Machtgclüste zu Schulen. DaS wäre der Todesstoß für Helgoland gewesen. Endlich rührte sich die Negierung. Das Unglück wurde, zwar mangelhaft, so doch in seiner gröbsten Gefahr .vermieden. Nun steht Helgoland nach zwei Friedensjahren am Beginn des vierten Dezeniums Dcutschseins im wahrsten Sinne des Wortes vor einem Trümmerhaufen. Die Festung und der Hafen fallen unter den langsamen Händen der Arbeiter in Schutt, die Insel zittert täglich unter den Spreng Schüssen wie ein Schiff im Orkan. Die Schäden des Krieges sind noch nicht zum zehnten Teil geheilt und schon gesellen sich neue Schäden dazu. Helgoland ist Grenzland, zäh und wortlos sind die Helgolander Deutsche, die in der Nordsee uns Hunderte von Jahren gezeigt haben, wie man sein Deutschtum bewahren kann, seine alten Sitten, Sprache und nationale Würde. Es stünde der Regierung gut an, mit einem großzügigen Dank hier Wunden zu heilen, die mit einer wahren Lammsgeduld nun schon ins siebente Jahr hinein ertragen werden. Helgoland harrt und hofft, es wird weiter hoffen und harren, aber ob ihm der Dank für seine Ent¬ sagungen, für sein Ausharren werden wird, ist fraglich, es ist Niemand da, der es kennt und liebt und weiß, was es erduldet hat und noch erduldet. Helgoland ist auch als ent¬ waffnete und hafenlose Insel etwas für daS Reich wert, aber ganz abgesehen davon handelt es sich hier um eine Dankesschuld und Pflicht, und die sollte eine gute Regierung nicht verabsäumen, einzulösen. Zur Psyche der Serben. Eine völker¬ psychologisch-politische Skizze von or. R. F- Kaindl. In meinen Ausführungen in diesen Blättern Ur. 14 habe ich nach meiner volks¬ kundlichen Erfahrung und geschichtlichen Er¬ kenntnis eine kurze Charakteristik der Serben geboten, ihre Leidenschaftlichkeit, ihre Neigung zum Umsturz und zu Gewalttaten, das starke Hervortreten kirchlicher Einflüsse und ihre Zu- gänglichkeit für maßlose Agitation geschildert. Dabei wurde das neue Werk über die „Süd¬ slawische Frage" von „Südland" (einem Süd¬ slawen) gebührend berücksichtigt. Auch die Bedeutung der deutschen Ansiedlung und deutscher Einflüsse für die südöstlichen Gebiete wurde betont. Trotz der ruhigen Sachlichkeit dieser Ausführungen erhielt ich eine anonyme Zurechtweisung, die nicht gerade in gewählten Worten gehalten war.

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/146>, abgerufen am 01.05.2024.