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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Bürokraten-Briefe

jeden Zusammenhang zwischen Kriegsausbruch und französischen Nevanchehoffnungen
bestreitet, damit ein bußfertiges Deutschland das "Wiedergutmachungs"-Problem mit
französischen Augen sehe. Zu einem Zeitpunkte veröffentlicht, da die Entscheidung
über die Milliardenlast, unter der das deutsche Volk Jahrzehnte hindurch seufzen
und darben soll, im Werden ist, erscheint jene Anklage um so mehr als eine
Versündigung an lebenswichtigen Interessen Deutschlands, je grundloser sie nach
den früheren, unbeeinflußten Urteilen der "Voss. Ztg." ist.

Erhoben aber wird die grundlose Anklage gegen das eigene Vaterland im
Nahmen eines Aussatzes, der erklärtermaßen der Verständigung Deutschlands
mit Frankreich dienen will. Es muß deshalb ausgesprochen werden, daß eine
Verständigungspolitik solchen Schlages nicht nur des nationalen Taktes und der
nationalen Würde ermangelt, deutsche lebenswichtige Interessen nicht nur im
Punkte der "Wiedergutmachungs"-Frage verletzt, sondern auch die deutsch¬
französische Verständigung im allgemeinen gefährdet. Denn ein
Deutscher, der unter gleichzeitiger Anschuldigung Deutschlands die französische
Revanchelüsternheit verkleinert, erneuert und steigert den Deutschenhaß der
französischen Massen, weil diese so sich erst recht als das friedfertige Opfer eines
deutschen Überfalls fühlen werden. Eine Massengesinnung dieser Art ist aber die
festeste Stütze der imperialistischen Staatsmänner Frankreichs, von denen nach
bitteren, jedoch keinen Geschichtskundigen überraschenden Erfahrungen der letzten
zwei Jahre befürchtet werden muß, daß sie im Geiste des oben (S. 93) wieder¬
gegebenen "Marin"-Geständnisses das Ziel der Vernichtung Deutschlands als
durch den Frieden von Versailles nur halb erreicht ansehen. Werden diese
französischen Imperialisten gewahr, wie gern man in Deutschland nach der Lock¬
pfeife ihrer Landsleute tanzt, dann müßten sie ihre Natur verleugnen, wenn sie
es unterließen, mit dieser deutschen Selbstentäußerung den französischen Größen¬
wahn und die französische Herrschsucht zu mästen. Darum wird eine wahrhafte
deutsch-französische Verständigung durch die Fmnzöselei der "Voss. Ztg." gefährdet,
nicht gefördert.




Bürokraten-Briefes
Unterstaatssekretär a. D. Freiherr v. Falkenhansen vonVIII. Arbeiten und nicht verzweifeln!

Sie fragen mit Recht, wo das alles hinaus will. Wenn ich unseren Meinungs¬
austausch überdenke, muß ich zugeben, daß die Kritik sich darin auf Kosten fruchtbarer
Zukunftspläne allzu breit macht. Halten Sie's meiner Verzweiflung über das Elend
unserer Lage zugute und über die Verblendung derer, die den Weg in den Abgrund



*) Nachstehende "Bürokraten-Briefe" des bekannten Verfassers stammen aus dem
Winter 1919/20. Siehe auch "Grenzboten" 1920, Heft 44/45, 46, 47/48, 49, 50/51 und
1921, Heft 1, 2/3.
Bürokraten-Briefe

jeden Zusammenhang zwischen Kriegsausbruch und französischen Nevanchehoffnungen
bestreitet, damit ein bußfertiges Deutschland das „Wiedergutmachungs"-Problem mit
französischen Augen sehe. Zu einem Zeitpunkte veröffentlicht, da die Entscheidung
über die Milliardenlast, unter der das deutsche Volk Jahrzehnte hindurch seufzen
und darben soll, im Werden ist, erscheint jene Anklage um so mehr als eine
Versündigung an lebenswichtigen Interessen Deutschlands, je grundloser sie nach
den früheren, unbeeinflußten Urteilen der „Voss. Ztg." ist.

Erhoben aber wird die grundlose Anklage gegen das eigene Vaterland im
Nahmen eines Aussatzes, der erklärtermaßen der Verständigung Deutschlands
mit Frankreich dienen will. Es muß deshalb ausgesprochen werden, daß eine
Verständigungspolitik solchen Schlages nicht nur des nationalen Taktes und der
nationalen Würde ermangelt, deutsche lebenswichtige Interessen nicht nur im
Punkte der „Wiedergutmachungs"-Frage verletzt, sondern auch die deutsch¬
französische Verständigung im allgemeinen gefährdet. Denn ein
Deutscher, der unter gleichzeitiger Anschuldigung Deutschlands die französische
Revanchelüsternheit verkleinert, erneuert und steigert den Deutschenhaß der
französischen Massen, weil diese so sich erst recht als das friedfertige Opfer eines
deutschen Überfalls fühlen werden. Eine Massengesinnung dieser Art ist aber die
festeste Stütze der imperialistischen Staatsmänner Frankreichs, von denen nach
bitteren, jedoch keinen Geschichtskundigen überraschenden Erfahrungen der letzten
zwei Jahre befürchtet werden muß, daß sie im Geiste des oben (S. 93) wieder¬
gegebenen „Marin"-Geständnisses das Ziel der Vernichtung Deutschlands als
durch den Frieden von Versailles nur halb erreicht ansehen. Werden diese
französischen Imperialisten gewahr, wie gern man in Deutschland nach der Lock¬
pfeife ihrer Landsleute tanzt, dann müßten sie ihre Natur verleugnen, wenn sie
es unterließen, mit dieser deutschen Selbstentäußerung den französischen Größen¬
wahn und die französische Herrschsucht zu mästen. Darum wird eine wahrhafte
deutsch-französische Verständigung durch die Fmnzöselei der „Voss. Ztg." gefährdet,
nicht gefördert.




Bürokraten-Briefes
Unterstaatssekretär a. D. Freiherr v. Falkenhansen vonVIII. Arbeiten und nicht verzweifeln!

Sie fragen mit Recht, wo das alles hinaus will. Wenn ich unseren Meinungs¬
austausch überdenke, muß ich zugeben, daß die Kritik sich darin auf Kosten fruchtbarer
Zukunftspläne allzu breit macht. Halten Sie's meiner Verzweiflung über das Elend
unserer Lage zugute und über die Verblendung derer, die den Weg in den Abgrund



*) Nachstehende „Bürokraten-Briefe" des bekannten Verfassers stammen aus dem
Winter 1919/20. Siehe auch „Grenzboten" 1920, Heft 44/45, 46, 47/48, 49, 50/51 und
1921, Heft 1, 2/3.
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[0112] Bürokraten-Briefe jeden Zusammenhang zwischen Kriegsausbruch und französischen Nevanchehoffnungen bestreitet, damit ein bußfertiges Deutschland das „Wiedergutmachungs"-Problem mit französischen Augen sehe. Zu einem Zeitpunkte veröffentlicht, da die Entscheidung über die Milliardenlast, unter der das deutsche Volk Jahrzehnte hindurch seufzen und darben soll, im Werden ist, erscheint jene Anklage um so mehr als eine Versündigung an lebenswichtigen Interessen Deutschlands, je grundloser sie nach den früheren, unbeeinflußten Urteilen der „Voss. Ztg." ist. Erhoben aber wird die grundlose Anklage gegen das eigene Vaterland im Nahmen eines Aussatzes, der erklärtermaßen der Verständigung Deutschlands mit Frankreich dienen will. Es muß deshalb ausgesprochen werden, daß eine Verständigungspolitik solchen Schlages nicht nur des nationalen Taktes und der nationalen Würde ermangelt, deutsche lebenswichtige Interessen nicht nur im Punkte der „Wiedergutmachungs"-Frage verletzt, sondern auch die deutsch¬ französische Verständigung im allgemeinen gefährdet. Denn ein Deutscher, der unter gleichzeitiger Anschuldigung Deutschlands die französische Revanchelüsternheit verkleinert, erneuert und steigert den Deutschenhaß der französischen Massen, weil diese so sich erst recht als das friedfertige Opfer eines deutschen Überfalls fühlen werden. Eine Massengesinnung dieser Art ist aber die festeste Stütze der imperialistischen Staatsmänner Frankreichs, von denen nach bitteren, jedoch keinen Geschichtskundigen überraschenden Erfahrungen der letzten zwei Jahre befürchtet werden muß, daß sie im Geiste des oben (S. 93) wieder¬ gegebenen „Marin"-Geständnisses das Ziel der Vernichtung Deutschlands als durch den Frieden von Versailles nur halb erreicht ansehen. Werden diese französischen Imperialisten gewahr, wie gern man in Deutschland nach der Lock¬ pfeife ihrer Landsleute tanzt, dann müßten sie ihre Natur verleugnen, wenn sie es unterließen, mit dieser deutschen Selbstentäußerung den französischen Größen¬ wahn und die französische Herrschsucht zu mästen. Darum wird eine wahrhafte deutsch-französische Verständigung durch die Fmnzöselei der „Voss. Ztg." gefährdet, nicht gefördert. Bürokraten-Briefes Unterstaatssekretär a. D. Freiherr v. Falkenhansen vonVIII. Arbeiten und nicht verzweifeln! Sie fragen mit Recht, wo das alles hinaus will. Wenn ich unseren Meinungs¬ austausch überdenke, muß ich zugeben, daß die Kritik sich darin auf Kosten fruchtbarer Zukunftspläne allzu breit macht. Halten Sie's meiner Verzweiflung über das Elend unserer Lage zugute und über die Verblendung derer, die den Weg in den Abgrund *) Nachstehende „Bürokraten-Briefe" des bekannten Verfassers stammen aus dem Winter 1919/20. Siehe auch „Grenzboten" 1920, Heft 44/45, 46, 47/48, 49, 50/51 und 1921, Heft 1, 2/3.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/112>, abgerufen am 04.05.2024.