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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Österreichs östliche n. westliche Orientierung, Anschluß u. Donauföderation

gegenüberstellte, dann sind wir verloren. Bisher haben alle Schläge und Fußtritte,
die wir vom Auslande erhielten, dazu nicht hingereicht. Tagtäglich müssen wi-r
sehen, wie die Partcileidenschaft das kameradschaftliche Ehrgefühl überwiegt. Wenn
es gegen den Parteigegner geht, ist es noch immer deutsche Art, mit dem Landcs-
feinde zusammenzuhalten. Nicht allein einzelne Tollköpfe und Verbrecher: Parteien,
die jetzt am Nuder sind, Vertreter der Regierung selbst mußte ich Ihnen in dieser
Kampfstellung zeigen. Das kann ein Volk nicht überleben! In unserer entsetz¬
lichen Lage müssen wir alle Hoffnung auf Rettung aufgeben, wenn wir nicht endlich,
in letzter Stunde noch lernen, füreinander einzustehen. Das ist es, weshalb ich
gegen den widerkameradschastlichen, treuvergessenen, verräterischen, antinationalen
Geist mit allen Kräften meiner Seele kämpfe. Das Leben des deutschen Volkes
hängt daran, dasz wir ihn ersticken. Gegen ihn muß sich zusammcnschliebcn, was
immer zum Vaterlande hält, seine Rettung will und seine Gefahr erkennt. Alle
Aicinungsvcrschiedenheiten und Partciunterschiede müssen in' dieser Not versinken.
Hier ist die Linie, wo die Geister sich scheiden: Wem das Vaterland über alles geht,
gehört aus unsere Seite! Dafür werbe ich Ihre Seele.




Österreichs östliche und westliche Orientierung,
Anschluß und Donauföderation
Prof. R. F. Raindl von

'^^> '>^>führend des letzten Wahlkampses hat der frühere Staatskanzler, der
Sozialdemokrat Dr. Renner, erklärt, die östliche Orientierung
Österreichs hätte in dem Streben des Hauses Habsburg bestanden,
seine Machtstellung nach Osten zu erweitern. Diese östliche
AkZS^ZW Orientierung sei schließlich durch den Krieg mit Serbien die End¬
ursache zum Verfall Österreich-Ungarns geworden und durch den Vertrag von
Se. Germain endgültig abgeschlossen. Das Ziel der jungen Republik Österreich
sei die Wiederaufnahme und enge Knüpfung der Bande zu allen Weststaaten,
verstärkt durch den notwendigen handelspolitischen Neuaufbau der Beziehungen
zu den Sukzessionsstaatcn und den Staaten des Ostens.

Von diesen Behauptungen hat vor allem die über die Wiederaufnahme und
enge Knüpfung der Bande zu allen Weststaaten Widerspruch erweckt. Die
von Renner schon auch früher betonte "westliche Orientierung" steht im
offensten Widerspruch zum Anschlußstreben. Seine Stellung kommt zudem den
wiederholten Versuchen der Westmächte, Osterreich von Deutschland abzuziehen,
entgegen. Die richtige Antwort darauf hat der greise Kaiser Franz Josef dem
englischen König im Sommer 1908 in Ischl gegeben. Osterreich ist freilich seit
diesem Moment in die Einkreisung einbezogen worden und hat seine Treue schwer
gebüßt. Einen anderen Standpunkt kann aber Osterreich auch heute nicht ein¬
nehmen. Seine westliche Politik kann nur die Großdeutschlands sein!
Darüber weitere Worte zu verlieren ist kaum nötig.


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Österreichs östliche n. westliche Orientierung, Anschluß u. Donauföderation

gegenüberstellte, dann sind wir verloren. Bisher haben alle Schläge und Fußtritte,
die wir vom Auslande erhielten, dazu nicht hingereicht. Tagtäglich müssen wi-r
sehen, wie die Partcileidenschaft das kameradschaftliche Ehrgefühl überwiegt. Wenn
es gegen den Parteigegner geht, ist es noch immer deutsche Art, mit dem Landcs-
feinde zusammenzuhalten. Nicht allein einzelne Tollköpfe und Verbrecher: Parteien,
die jetzt am Nuder sind, Vertreter der Regierung selbst mußte ich Ihnen in dieser
Kampfstellung zeigen. Das kann ein Volk nicht überleben! In unserer entsetz¬
lichen Lage müssen wir alle Hoffnung auf Rettung aufgeben, wenn wir nicht endlich,
in letzter Stunde noch lernen, füreinander einzustehen. Das ist es, weshalb ich
gegen den widerkameradschastlichen, treuvergessenen, verräterischen, antinationalen
Geist mit allen Kräften meiner Seele kämpfe. Das Leben des deutschen Volkes
hängt daran, dasz wir ihn ersticken. Gegen ihn muß sich zusammcnschliebcn, was
immer zum Vaterlande hält, seine Rettung will und seine Gefahr erkennt. Alle
Aicinungsvcrschiedenheiten und Partciunterschiede müssen in' dieser Not versinken.
Hier ist die Linie, wo die Geister sich scheiden: Wem das Vaterland über alles geht,
gehört aus unsere Seite! Dafür werbe ich Ihre Seele.




Österreichs östliche und westliche Orientierung,
Anschluß und Donauföderation
Prof. R. F. Raindl von

'^^> '>^>führend des letzten Wahlkampses hat der frühere Staatskanzler, der
Sozialdemokrat Dr. Renner, erklärt, die östliche Orientierung
Österreichs hätte in dem Streben des Hauses Habsburg bestanden,
seine Machtstellung nach Osten zu erweitern. Diese östliche
AkZS^ZW Orientierung sei schließlich durch den Krieg mit Serbien die End¬
ursache zum Verfall Österreich-Ungarns geworden und durch den Vertrag von
Se. Germain endgültig abgeschlossen. Das Ziel der jungen Republik Österreich
sei die Wiederaufnahme und enge Knüpfung der Bande zu allen Weststaaten,
verstärkt durch den notwendigen handelspolitischen Neuaufbau der Beziehungen
zu den Sukzessionsstaatcn und den Staaten des Ostens.

Von diesen Behauptungen hat vor allem die über die Wiederaufnahme und
enge Knüpfung der Bande zu allen Weststaaten Widerspruch erweckt. Die
von Renner schon auch früher betonte „westliche Orientierung" steht im
offensten Widerspruch zum Anschlußstreben. Seine Stellung kommt zudem den
wiederholten Versuchen der Westmächte, Osterreich von Deutschland abzuziehen,
entgegen. Die richtige Antwort darauf hat der greise Kaiser Franz Josef dem
englischen König im Sommer 1908 in Ischl gegeben. Osterreich ist freilich seit
diesem Moment in die Einkreisung einbezogen worden und hat seine Treue schwer
gebüßt. Einen anderen Standpunkt kann aber Osterreich auch heute nicht ein¬
nehmen. Seine westliche Politik kann nur die Großdeutschlands sein!
Darüber weitere Worte zu verlieren ist kaum nötig.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/65>, abgerufen am 04.05.2024.