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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Wirkungen des Krieges auf Gstasien

Wirkungen des Krieges auf Gstasien
Gskav Scholz, Konsul z. Von
I. Japans Ausdehnung nach der Südsee

>^lie völkerrechtliche Stellung der ehemaligen deutschen Südseebesitzungen
hat sich seit dem Versailler Friedensverträge noch nicht geändert.
Die in Artikel 119 des Friedensvertrages vorgesehene Verteilung
der gemeinsamen Beute durch den Völkerbund ist auf dessen erster
Tagung in Genf nicht geschehen. Zwar hat der Oberste Rat der
Alliierten -- ohne Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika -- im
Mai 1919 die Kolonialmandate so verteilt, daß die Südseekolonien Deutschlands
durch den Äquator zwischen Japan und dem Britischen Reich geteilt wurden und
der Völkerbundrat, also in der Hauptsache die Mandatare selbst haben am
17. Dezember 1920 während der Tagung des Völkerbundes in Genf jene Verfügung
inhaltlich bestätigt, indem sie ihre eigenen Vorschläge annahmen. Gegen dieses,
dem Friedensvertrag und der in ihm enthaltenen Völkerbundsatzung widersprechende
Verfahren hat Deutschland Einspruch eingelegt und das Verfahren muß als
völkerrechtlich bindend nicht betrachtet werden. Auch die Vereinigten Staaten
von Amerika erkennen den Beschluß des Völkerbundrats vom 17. Dezember 1920
nicht an, wenn auch, wie weiter unten dargelegt werden wird, aus anderen
Gründen und mit anderen Zielen als Deutschland.

An der tatsächlichen Staatsgewalt über die Inseln ist durch diese Vorgänge
nichts geändert. Die formelle UnVollkommenheit der völkerrechtlichen Stellung der
Inseln scheint jedoch auch ihren neuen Herren Schwierigkeiten zu machen, wenigstens
hat man sich im neuseeländischen Parlament darüber gestritten, ob die neusee¬
ländischen Gesetze auf dem neu erworbenen Samoa - man Pflegt es jetzt West-
Samoa im Gegensatz zu dem amerikanischen Ost-Samoa zu nennen -- anzuwenden
seien, solange dieses nicht verfassungsmäßig dem neuseeländischen Staate einverleibt
sei. Man hat sich regierungsseitig nicht zu einer Bejahung dieser Frage entschließen
können.

Auch sonst zeigt sich die neuseeländische Verwaltung von einer Starrköpfig¬
keit und Pedanterie, die den Wohlstand dieser Insel gründlich zu vernichten droht.
Besonders wirkt dabei auch die in Neuseeland wie in Australien herrschende
Furcht vor der gelben Gefahr, d. h. hier der Beschäftigung chinesischer Arbeiter,
von denen unter deutscher Herrschaft der Plantagenbetrieb wesentlich abhing.
Endlich entschloß sich die neuseeländische Negierung im August v. I., im Wege der
Ausnahmegesetzgebung das Verbot der Chinesenkvntrakte für Samoa aufzuheben.
Inzwischen waren die meisten deutschen Kautschuk- und Kakaopflanzungen schon
mehr oder weniger verwahrlost. Die Teutschen, die während des Krieges noch
in Samoa hatten bleiben dürfen oder in ein Jnternierungslager in Neuseeland
gebracht worden waren, etwa 300 an Zahl, sind Mitte 1920 von der neusee¬
ländischen Negierung in höchst unwürdiger Weise nach Deutschland abgeschoben
worden, mit Ausnahme der mit Eingeborenen Verheirateten und der von ein¬
geborenen Müttern abstammenden Halbblutdeutschen. Auch die Unternehmungen
der Deutschen Handels- und Plantagcngesellschaft sind von der neuen Regierung
in Zwangsverwaltung genommen worden, wobei sich aber nach allen vorliegenden


Wirkungen des Krieges auf Gstasien

Wirkungen des Krieges auf Gstasien
Gskav Scholz, Konsul z. Von
I. Japans Ausdehnung nach der Südsee

>^lie völkerrechtliche Stellung der ehemaligen deutschen Südseebesitzungen
hat sich seit dem Versailler Friedensverträge noch nicht geändert.
Die in Artikel 119 des Friedensvertrages vorgesehene Verteilung
der gemeinsamen Beute durch den Völkerbund ist auf dessen erster
Tagung in Genf nicht geschehen. Zwar hat der Oberste Rat der
Alliierten — ohne Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika — im
Mai 1919 die Kolonialmandate so verteilt, daß die Südseekolonien Deutschlands
durch den Äquator zwischen Japan und dem Britischen Reich geteilt wurden und
der Völkerbundrat, also in der Hauptsache die Mandatare selbst haben am
17. Dezember 1920 während der Tagung des Völkerbundes in Genf jene Verfügung
inhaltlich bestätigt, indem sie ihre eigenen Vorschläge annahmen. Gegen dieses,
dem Friedensvertrag und der in ihm enthaltenen Völkerbundsatzung widersprechende
Verfahren hat Deutschland Einspruch eingelegt und das Verfahren muß als
völkerrechtlich bindend nicht betrachtet werden. Auch die Vereinigten Staaten
von Amerika erkennen den Beschluß des Völkerbundrats vom 17. Dezember 1920
nicht an, wenn auch, wie weiter unten dargelegt werden wird, aus anderen
Gründen und mit anderen Zielen als Deutschland.

An der tatsächlichen Staatsgewalt über die Inseln ist durch diese Vorgänge
nichts geändert. Die formelle UnVollkommenheit der völkerrechtlichen Stellung der
Inseln scheint jedoch auch ihren neuen Herren Schwierigkeiten zu machen, wenigstens
hat man sich im neuseeländischen Parlament darüber gestritten, ob die neusee¬
ländischen Gesetze auf dem neu erworbenen Samoa - man Pflegt es jetzt West-
Samoa im Gegensatz zu dem amerikanischen Ost-Samoa zu nennen — anzuwenden
seien, solange dieses nicht verfassungsmäßig dem neuseeländischen Staate einverleibt
sei. Man hat sich regierungsseitig nicht zu einer Bejahung dieser Frage entschließen
können.

Auch sonst zeigt sich die neuseeländische Verwaltung von einer Starrköpfig¬
keit und Pedanterie, die den Wohlstand dieser Insel gründlich zu vernichten droht.
Besonders wirkt dabei auch die in Neuseeland wie in Australien herrschende
Furcht vor der gelben Gefahr, d. h. hier der Beschäftigung chinesischer Arbeiter,
von denen unter deutscher Herrschaft der Plantagenbetrieb wesentlich abhing.
Endlich entschloß sich die neuseeländische Negierung im August v. I., im Wege der
Ausnahmegesetzgebung das Verbot der Chinesenkvntrakte für Samoa aufzuheben.
Inzwischen waren die meisten deutschen Kautschuk- und Kakaopflanzungen schon
mehr oder weniger verwahrlost. Die Teutschen, die während des Krieges noch
in Samoa hatten bleiben dürfen oder in ein Jnternierungslager in Neuseeland
gebracht worden waren, etwa 300 an Zahl, sind Mitte 1920 von der neusee¬
ländischen Negierung in höchst unwürdiger Weise nach Deutschland abgeschoben
worden, mit Ausnahme der mit Eingeborenen Verheirateten und der von ein¬
geborenen Müttern abstammenden Halbblutdeutschen. Auch die Unternehmungen
der Deutschen Handels- und Plantagcngesellschaft sind von der neuen Regierung
in Zwangsverwaltung genommen worden, wobei sich aber nach allen vorliegenden


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[0108] Wirkungen des Krieges auf Gstasien Wirkungen des Krieges auf Gstasien Gskav Scholz, Konsul z. Von I. Japans Ausdehnung nach der Südsee >^lie völkerrechtliche Stellung der ehemaligen deutschen Südseebesitzungen hat sich seit dem Versailler Friedensverträge noch nicht geändert. Die in Artikel 119 des Friedensvertrages vorgesehene Verteilung der gemeinsamen Beute durch den Völkerbund ist auf dessen erster Tagung in Genf nicht geschehen. Zwar hat der Oberste Rat der Alliierten — ohne Zustimmung der Vereinigten Staaten von Amerika — im Mai 1919 die Kolonialmandate so verteilt, daß die Südseekolonien Deutschlands durch den Äquator zwischen Japan und dem Britischen Reich geteilt wurden und der Völkerbundrat, also in der Hauptsache die Mandatare selbst haben am 17. Dezember 1920 während der Tagung des Völkerbundes in Genf jene Verfügung inhaltlich bestätigt, indem sie ihre eigenen Vorschläge annahmen. Gegen dieses, dem Friedensvertrag und der in ihm enthaltenen Völkerbundsatzung widersprechende Verfahren hat Deutschland Einspruch eingelegt und das Verfahren muß als völkerrechtlich bindend nicht betrachtet werden. Auch die Vereinigten Staaten von Amerika erkennen den Beschluß des Völkerbundrats vom 17. Dezember 1920 nicht an, wenn auch, wie weiter unten dargelegt werden wird, aus anderen Gründen und mit anderen Zielen als Deutschland. An der tatsächlichen Staatsgewalt über die Inseln ist durch diese Vorgänge nichts geändert. Die formelle UnVollkommenheit der völkerrechtlichen Stellung der Inseln scheint jedoch auch ihren neuen Herren Schwierigkeiten zu machen, wenigstens hat man sich im neuseeländischen Parlament darüber gestritten, ob die neusee¬ ländischen Gesetze auf dem neu erworbenen Samoa - man Pflegt es jetzt West- Samoa im Gegensatz zu dem amerikanischen Ost-Samoa zu nennen — anzuwenden seien, solange dieses nicht verfassungsmäßig dem neuseeländischen Staate einverleibt sei. Man hat sich regierungsseitig nicht zu einer Bejahung dieser Frage entschließen können. Auch sonst zeigt sich die neuseeländische Verwaltung von einer Starrköpfig¬ keit und Pedanterie, die den Wohlstand dieser Insel gründlich zu vernichten droht. Besonders wirkt dabei auch die in Neuseeland wie in Australien herrschende Furcht vor der gelben Gefahr, d. h. hier der Beschäftigung chinesischer Arbeiter, von denen unter deutscher Herrschaft der Plantagenbetrieb wesentlich abhing. Endlich entschloß sich die neuseeländische Negierung im August v. I., im Wege der Ausnahmegesetzgebung das Verbot der Chinesenkvntrakte für Samoa aufzuheben. Inzwischen waren die meisten deutschen Kautschuk- und Kakaopflanzungen schon mehr oder weniger verwahrlost. Die Teutschen, die während des Krieges noch in Samoa hatten bleiben dürfen oder in ein Jnternierungslager in Neuseeland gebracht worden waren, etwa 300 an Zahl, sind Mitte 1920 von der neusee¬ ländischen Negierung in höchst unwürdiger Weise nach Deutschland abgeschoben worden, mit Ausnahme der mit Eingeborenen Verheirateten und der von ein¬ geborenen Müttern abstammenden Halbblutdeutschen. Auch die Unternehmungen der Deutschen Handels- und Plantagcngesellschaft sind von der neuen Regierung in Zwangsverwaltung genommen worden, wobei sich aber nach allen vorliegenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/108>, abgerufen am 27.04.2024.