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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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lvie Johannes Trojan über seine Werke dachte

Bestrebungen der Fremdvölker beachten und müsse das deutsche Volk gleichweit
von kritikloser Überschätzung wie von gedankenloser Unterschätzung sremdvölkischer
Kulturleistung bewahren.

Diese Aufgaben würde eine Amerikakunde nach meinem Sinn leisten müssen
und auch können. Sie würde die Forschungsweise der Literaturwissenschaft mit
der scharfen Beobachtung und Ausdeutung der Volkswirtschaft verbinden. Sie
würde Studium und Erlebnis fruchtbar vereinen und eine wirkliche lebendige
Wissenschaft sein. Sie würde folgerichtig Lebens-, Kultur- und Literaturbeziehungen
aufdecken und so zu folgerichtigem Handeln anleiten. Kurz, Amerikakunde würde
etwas durchaus Nötiges zum deutschen Wiederaufbau beitragen.

Der erste Schritt zur Verwirklichung solcher neuen Wissenschaft wäre die
Einrichtung von Lektoraten für Amerikakunde an möglichst vielen der hierzu
geeigneten Hochschulen, z. B. Berlin und Hamburg. Die Errichtung der einen
oder andern Professur für Amerikanistik ergäbe sich dann im Laufe der Zeit von
selbst. Und sollten den Staatskassen, die freilich für viel weniger dringliche Sachen
immer noch reichliche Mittel auswerfen, die nötigen Summen für die wissenschaft¬
liche und erzieherische Vertretung der Amerikakunde fehlen, so fände sich vielleicht
ein großzügiger und großherziger deutscher Kapitalist, der hier den Behörden mit
gutem Beispiel voranginge. In England sind im letzten Jahre zwei Lehrstellen
für amerikanische Kulturgeschichte gestiftet worden. Dergleichen wissenschaftliche
Schenkungen würden zugleich dem Ansehen Deutschlands in der feindlichen Welt
bedeutend mehr dienen als alle Austauschprofessuren zusammengenommen. Die
nüchterne Haltung des Studierenwollens überzeugt mehr als sämtliche Versicherungen
von Freundschaft, die in der angelsächsischen Welt keine Erwiderung finden. Eine
ernste Amerikakunde würde uns sicher viel gutes Interesse in Amerika neu und
manches alte wiedergewinnen.




U)le Johannes Trojan über seine Werke dachte
Johannes Reich ete, Mitgeteilt von

"Es ist richtig und läßt sich nicht ändern, daß ich am 14. August d. I.,
falls ich dann noch lebe -- dies hoffe ich aber mit den Meinen --, 70 Jahre alt
werde. Ich teile Ihnen noch Mit, daß ich in diesem Sommer nach Kanada reise,
um dort Kinder und Großkinder zu besuchen. Ich reise am 20. April von Bremer-
haven ab und werde gegen Ende Juli wieder hier sein..." So schrieb mir
Trojan. Und mir wollte es kaum glaubhaft erscheinen, daß er, dessen sonniger
Humor uns gar manche Gabe bescherte, zuletzt seine "Erinnerungen", dessen jugent-


lvie Johannes Trojan über seine Werke dachte

Bestrebungen der Fremdvölker beachten und müsse das deutsche Volk gleichweit
von kritikloser Überschätzung wie von gedankenloser Unterschätzung sremdvölkischer
Kulturleistung bewahren.

Diese Aufgaben würde eine Amerikakunde nach meinem Sinn leisten müssen
und auch können. Sie würde die Forschungsweise der Literaturwissenschaft mit
der scharfen Beobachtung und Ausdeutung der Volkswirtschaft verbinden. Sie
würde Studium und Erlebnis fruchtbar vereinen und eine wirkliche lebendige
Wissenschaft sein. Sie würde folgerichtig Lebens-, Kultur- und Literaturbeziehungen
aufdecken und so zu folgerichtigem Handeln anleiten. Kurz, Amerikakunde würde
etwas durchaus Nötiges zum deutschen Wiederaufbau beitragen.

Der erste Schritt zur Verwirklichung solcher neuen Wissenschaft wäre die
Einrichtung von Lektoraten für Amerikakunde an möglichst vielen der hierzu
geeigneten Hochschulen, z. B. Berlin und Hamburg. Die Errichtung der einen
oder andern Professur für Amerikanistik ergäbe sich dann im Laufe der Zeit von
selbst. Und sollten den Staatskassen, die freilich für viel weniger dringliche Sachen
immer noch reichliche Mittel auswerfen, die nötigen Summen für die wissenschaft¬
liche und erzieherische Vertretung der Amerikakunde fehlen, so fände sich vielleicht
ein großzügiger und großherziger deutscher Kapitalist, der hier den Behörden mit
gutem Beispiel voranginge. In England sind im letzten Jahre zwei Lehrstellen
für amerikanische Kulturgeschichte gestiftet worden. Dergleichen wissenschaftliche
Schenkungen würden zugleich dem Ansehen Deutschlands in der feindlichen Welt
bedeutend mehr dienen als alle Austauschprofessuren zusammengenommen. Die
nüchterne Haltung des Studierenwollens überzeugt mehr als sämtliche Versicherungen
von Freundschaft, die in der angelsächsischen Welt keine Erwiderung finden. Eine
ernste Amerikakunde würde uns sicher viel gutes Interesse in Amerika neu und
manches alte wiedergewinnen.




U)le Johannes Trojan über seine Werke dachte
Johannes Reich ete, Mitgeteilt von

„Es ist richtig und läßt sich nicht ändern, daß ich am 14. August d. I.,
falls ich dann noch lebe — dies hoffe ich aber mit den Meinen —, 70 Jahre alt
werde. Ich teile Ihnen noch Mit, daß ich in diesem Sommer nach Kanada reise,
um dort Kinder und Großkinder zu besuchen. Ich reise am 20. April von Bremer-
haven ab und werde gegen Ende Juli wieder hier sein..." So schrieb mir
Trojan. Und mir wollte es kaum glaubhaft erscheinen, daß er, dessen sonniger
Humor uns gar manche Gabe bescherte, zuletzt seine „Erinnerungen", dessen jugent-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/198>, abgerufen am 28.04.2024.