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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Schrittmacher der lveltrevolution

Schrittmacher der Weltrevolution
Generalmajor a. D. Graf v. d. Goltz von

n meinem letzten Aufsatz in den "Grenzboten" wies ich darauf hin,
daß der Bolschewismus in Rußland am Bauerntum einen ge¬
fährlichen Feind gefunden hat und daran sterben wird, wenn ihm
nicht von außen Hilfe kommt. Deshalb geht das ganze Streben
der Sowjetregierung darauf aus, die wirtschaftliche, finanzielle,
sittliche, innen- und außenpolitische Krisis Westeuropas für seine Zwecke auszu¬
nützen und zur Weltrevolution ausreifen zu lassen.

Die letzten Etappen in dieser Arbeit sind folgende:

Die diesjährige Märzrevolution -- bekanntlich hat Deutschland seit
1919 jedes Jahr eine Märzrevolution -- ist als Werk russisch.bolschewistischer
Agenten erwiesen.

Der terroristische Aufstand in Oberschlesien ist einmal polnisch-rationa¬
listisch, in der Art seiner Durchführung aber, in seinen Morden und Schandtaten
bolschewistischer Natur. Er ist auf die niedrigsten Instinkte einer undisziplinierten
rohen Bande Arbeitsscheuer aufgebaut, wird mit Lug und Trug geführt und be¬
deutet im ganzen den Versuch eines wirtschaftlich bankerotten Staates, durch
Diebstahl das zu nehmen, was ihm das Recht bei der Abstimmung versagt hat.
Korfanty kann nicht räumen, weil dann offener Bolschewismus die Folge ist.
Daß die Sowjetregierung dem Aufruhr nicht fern steht, ist mir nicht zweifelhaft.
Sie betrachtet Polen mit und ohne Oberschlesien als revolutionsreif. Fällt Ober-
schlesien an Polen, dann rückt auch in Deutschland die Revolutionsstunde näher.
Denn dann muß ohne Kohlen das deutsche Wirtschaftsleben und mit ihm die
Lage des Mittelstandes und der Arbeitermassen zusammenbrechen.

Mit Polen steckt Frankreich unter einer Decke. Was selbst der Versailler
Schandvertrag ihm noch versagt, soll nun gestohlen werden: im Osten für den
dem Bolschewismus zutreibenden polnischen Staat das Oder- und Weichselgebiet,
im Westen das Rhein- und Ruhrgebiet. Ob zum ersten Male dieser Raubpolitik
von England und Amerika, "diesen Vorkämpfern für Kultur und Freiheit der
Völker", ernstlich entgegengetreten und verhindert werden wird, kann nur die
Zukunft lehren. In Ehrgeiz und Eifersucht bekämpfen sich gegenseitig die letzten
noch national empfindenden Männer und Organisationen. selbstloser Idealismus
gehört der großen deutschen Vergangenheit an.

Wenn eine Kulturwelt so unsittliche Blüten treibt, so ist sie zum Untergange
reif. Durch und durch morsch müssen früher oder später auch die jetzigen Sieger¬
staaten zusammenbrechen.

Um die Bewegung in Deutschland zu beschleunigen, setzt die russisch-bolsche¬
wistische Propagandarbeit jetzt nicht nur in die unabhängige, sondern auch in die
mehrheitssozialdemokratische Partei ihre Keimzellen hinein, damit nach
Wirrig, Roste und August Müller auch alle anderen politisch überlegten und
ehrlichen Führer ausgeschaltet werden und revolutionäre Hitzköpfe die Führung
übernehmen. Eine sozialistisch-revolutionäre Einheitspartei mit der Diktatur des
Gesamtproletariats ist das Ziel. Man lese das Werben des "Vorwärts" um die
Gunst der Unabhängigen und die Hetzrede Hermann Müllers im Augenblick


Schrittmacher der lveltrevolution

Schrittmacher der Weltrevolution
Generalmajor a. D. Graf v. d. Goltz von

n meinem letzten Aufsatz in den „Grenzboten" wies ich darauf hin,
daß der Bolschewismus in Rußland am Bauerntum einen ge¬
fährlichen Feind gefunden hat und daran sterben wird, wenn ihm
nicht von außen Hilfe kommt. Deshalb geht das ganze Streben
der Sowjetregierung darauf aus, die wirtschaftliche, finanzielle,
sittliche, innen- und außenpolitische Krisis Westeuropas für seine Zwecke auszu¬
nützen und zur Weltrevolution ausreifen zu lassen.

Die letzten Etappen in dieser Arbeit sind folgende:

Die diesjährige Märzrevolution — bekanntlich hat Deutschland seit
1919 jedes Jahr eine Märzrevolution — ist als Werk russisch.bolschewistischer
Agenten erwiesen.

Der terroristische Aufstand in Oberschlesien ist einmal polnisch-rationa¬
listisch, in der Art seiner Durchführung aber, in seinen Morden und Schandtaten
bolschewistischer Natur. Er ist auf die niedrigsten Instinkte einer undisziplinierten
rohen Bande Arbeitsscheuer aufgebaut, wird mit Lug und Trug geführt und be¬
deutet im ganzen den Versuch eines wirtschaftlich bankerotten Staates, durch
Diebstahl das zu nehmen, was ihm das Recht bei der Abstimmung versagt hat.
Korfanty kann nicht räumen, weil dann offener Bolschewismus die Folge ist.
Daß die Sowjetregierung dem Aufruhr nicht fern steht, ist mir nicht zweifelhaft.
Sie betrachtet Polen mit und ohne Oberschlesien als revolutionsreif. Fällt Ober-
schlesien an Polen, dann rückt auch in Deutschland die Revolutionsstunde näher.
Denn dann muß ohne Kohlen das deutsche Wirtschaftsleben und mit ihm die
Lage des Mittelstandes und der Arbeitermassen zusammenbrechen.

Mit Polen steckt Frankreich unter einer Decke. Was selbst der Versailler
Schandvertrag ihm noch versagt, soll nun gestohlen werden: im Osten für den
dem Bolschewismus zutreibenden polnischen Staat das Oder- und Weichselgebiet,
im Westen das Rhein- und Ruhrgebiet. Ob zum ersten Male dieser Raubpolitik
von England und Amerika, „diesen Vorkämpfern für Kultur und Freiheit der
Völker", ernstlich entgegengetreten und verhindert werden wird, kann nur die
Zukunft lehren. In Ehrgeiz und Eifersucht bekämpfen sich gegenseitig die letzten
noch national empfindenden Männer und Organisationen. selbstloser Idealismus
gehört der großen deutschen Vergangenheit an.

Wenn eine Kulturwelt so unsittliche Blüten treibt, so ist sie zum Untergange
reif. Durch und durch morsch müssen früher oder später auch die jetzigen Sieger¬
staaten zusammenbrechen.

Um die Bewegung in Deutschland zu beschleunigen, setzt die russisch-bolsche¬
wistische Propagandarbeit jetzt nicht nur in die unabhängige, sondern auch in die
mehrheitssozialdemokratische Partei ihre Keimzellen hinein, damit nach
Wirrig, Roste und August Müller auch alle anderen politisch überlegten und
ehrlichen Führer ausgeschaltet werden und revolutionäre Hitzköpfe die Führung
übernehmen. Eine sozialistisch-revolutionäre Einheitspartei mit der Diktatur des
Gesamtproletariats ist das Ziel. Man lese das Werben des „Vorwärts" um die
Gunst der Unabhängigen und die Hetzrede Hermann Müllers im Augenblick


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[0218] Schrittmacher der lveltrevolution Schrittmacher der Weltrevolution Generalmajor a. D. Graf v. d. Goltz von n meinem letzten Aufsatz in den „Grenzboten" wies ich darauf hin, daß der Bolschewismus in Rußland am Bauerntum einen ge¬ fährlichen Feind gefunden hat und daran sterben wird, wenn ihm nicht von außen Hilfe kommt. Deshalb geht das ganze Streben der Sowjetregierung darauf aus, die wirtschaftliche, finanzielle, sittliche, innen- und außenpolitische Krisis Westeuropas für seine Zwecke auszu¬ nützen und zur Weltrevolution ausreifen zu lassen. Die letzten Etappen in dieser Arbeit sind folgende: Die diesjährige Märzrevolution — bekanntlich hat Deutschland seit 1919 jedes Jahr eine Märzrevolution — ist als Werk russisch.bolschewistischer Agenten erwiesen. Der terroristische Aufstand in Oberschlesien ist einmal polnisch-rationa¬ listisch, in der Art seiner Durchführung aber, in seinen Morden und Schandtaten bolschewistischer Natur. Er ist auf die niedrigsten Instinkte einer undisziplinierten rohen Bande Arbeitsscheuer aufgebaut, wird mit Lug und Trug geführt und be¬ deutet im ganzen den Versuch eines wirtschaftlich bankerotten Staates, durch Diebstahl das zu nehmen, was ihm das Recht bei der Abstimmung versagt hat. Korfanty kann nicht räumen, weil dann offener Bolschewismus die Folge ist. Daß die Sowjetregierung dem Aufruhr nicht fern steht, ist mir nicht zweifelhaft. Sie betrachtet Polen mit und ohne Oberschlesien als revolutionsreif. Fällt Ober- schlesien an Polen, dann rückt auch in Deutschland die Revolutionsstunde näher. Denn dann muß ohne Kohlen das deutsche Wirtschaftsleben und mit ihm die Lage des Mittelstandes und der Arbeitermassen zusammenbrechen. Mit Polen steckt Frankreich unter einer Decke. Was selbst der Versailler Schandvertrag ihm noch versagt, soll nun gestohlen werden: im Osten für den dem Bolschewismus zutreibenden polnischen Staat das Oder- und Weichselgebiet, im Westen das Rhein- und Ruhrgebiet. Ob zum ersten Male dieser Raubpolitik von England und Amerika, „diesen Vorkämpfern für Kultur und Freiheit der Völker", ernstlich entgegengetreten und verhindert werden wird, kann nur die Zukunft lehren. In Ehrgeiz und Eifersucht bekämpfen sich gegenseitig die letzten noch national empfindenden Männer und Organisationen. selbstloser Idealismus gehört der großen deutschen Vergangenheit an. Wenn eine Kulturwelt so unsittliche Blüten treibt, so ist sie zum Untergange reif. Durch und durch morsch müssen früher oder später auch die jetzigen Sieger¬ staaten zusammenbrechen. Um die Bewegung in Deutschland zu beschleunigen, setzt die russisch-bolsche¬ wistische Propagandarbeit jetzt nicht nur in die unabhängige, sondern auch in die mehrheitssozialdemokratische Partei ihre Keimzellen hinein, damit nach Wirrig, Roste und August Müller auch alle anderen politisch überlegten und ehrlichen Führer ausgeschaltet werden und revolutionäre Hitzköpfe die Führung übernehmen. Eine sozialistisch-revolutionäre Einheitspartei mit der Diktatur des Gesamtproletariats ist das Ziel. Man lese das Werben des „Vorwärts" um die Gunst der Unabhängigen und die Hetzrede Hermann Müllers im Augenblick

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/218>, abgerufen am 28.04.2024.