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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Hundert Jahre deutscher Gewerbfleisz

Hundert Jahre deutscher Gewerbfleiß
Festrede anläßlich der Jubelfeier des Vereins zur Beförderung des Gewerb-
fleißes am 23. Januar 1,925
Dönhoff, Staatssekretär im preuszischcn Handelsininisterium Von

Mles empfindet die preußische Gewerbeverwaltung heute die Ehre, den
Verein zur Beförderung des Gewerbfleißes zur hundertjährigen
Jubelfeier als erste begrüßen zu dürfen. Mit dem Verein fühlt
sie sich bei gemeinsamen Zielen durch persönliche und ideelle Be¬
ziehungen eng verknüpft. Von seinen fünf Vorsitzenden sind vier
auch in ihr in leitender Stellung gewesen. Zwei von ihnen, Beuth und Delbrück,
die allein dem Verein 71 Jahre hindurch vorstanden, finden ihre Namen in der
preußischen und deutschen Geschichte mit ehernen Lettern verewigt. Bis in die
neueste Zeit haben die in begeisternden Jugendtagen aus dem Schoße des Vereins
an das Licht geförderten Ideen über Grundsätze, Wege und Ziele der Gewerbe¬
förderung die preußische Staatsverwaltung befruchtet und bestimmt. So ist es
mir eine besondere Freude, im Namen der Gewerbeverwaltung dem Verein den
ihm gebührenden Dank abzustatten, indem ich Erinnerungen an Vergangenheit
und gemeinsame Arbeit wachrufe.

Blicken wir im Geist zurück aus die denkwürdigen Verhandlungen im Saale
der Stadtverordneten in Berlin am 15. Januar 1821, als dort Beuth, der
große Organisator der Gewerbeförderung Preußens, die öffentliche
Gründung des Vereins vornahm und das Lob des sittlichen Werth gewerblicher
Arbeit verkündete, Gewerbfleiß ist, so führte er aus, die Grundlage des Reich¬
tums einer Nation, und da wahrer Gewerbfleiß nicht ohne Tugend denkbar ist,
so ist er auch die Grundlage der nationalen Kraft überhaupt. Und weiter legte
er dar: Auch im gewerblichen Leben gebe es keinen Stillstand, sondern nur Fort¬
schritt oder Rückschritt. Die Gewerbetreibenden in Preußen hätten sich-zu lange
daran gewöhnt, von der Fürsorge der Negierung zu erwarten, was sie selbst
hätten schaffen sollen. Diese Fürsorge sei auch heute noch vorhanden und solle
fortbestehen. Aber auch die aufmerksamste Regierung könne nicht alles sehen,
auch nicht alles für andere tun. Auf keinen Fall könne sie eigene Tätigkeit
ersetzen. Der neue Verein solle beweisen, daß die Gewerbetreibenden Preußens
heute auch eigener Tätigkeit vertrauen. Der Geist der Selbstverwaltung solle
auf die neue Vereinigung übergehen. Der Geist der Gemeinnützigkeit müsse alles
beleben und leiten.

Den Kernpunkt dieser Ausführungen bilden die beiden Gedanken, daß" die
Gewerbeförderung ein Mittel nicht nur technischer Ausbildung, sondern auch sitl¬
icher Erziehung ist, und daß jede staatliche Fürsorge ihre Ergänzung finden muß
in Selbsthilfe und Selbstverwaltung. Sie sind seit jenen Gründungstagen die
wesentlichen Richtlinien der staatlichen Gewerbepolitik gewesen. Beide haben sich
in dem Beuthschen Schaffen und bis in die neueste Zeit dauernd erfolgreich aus¬
gewirkt. Ehe wir aber hierauf näher eingehen, möge auf die vorhergehende erste
große Periode preußischer Gewerbeförderung ein kurzer Rückblick geworfen werden,
die Zeit Friedrichs des Großen.


Grenzboten II 1921 2
Hundert Jahre deutscher Gewerbfleisz

Hundert Jahre deutscher Gewerbfleiß
Festrede anläßlich der Jubelfeier des Vereins zur Beförderung des Gewerb-
fleißes am 23. Januar 1,925
Dönhoff, Staatssekretär im preuszischcn Handelsininisterium Von

Mles empfindet die preußische Gewerbeverwaltung heute die Ehre, den
Verein zur Beförderung des Gewerbfleißes zur hundertjährigen
Jubelfeier als erste begrüßen zu dürfen. Mit dem Verein fühlt
sie sich bei gemeinsamen Zielen durch persönliche und ideelle Be¬
ziehungen eng verknüpft. Von seinen fünf Vorsitzenden sind vier
auch in ihr in leitender Stellung gewesen. Zwei von ihnen, Beuth und Delbrück,
die allein dem Verein 71 Jahre hindurch vorstanden, finden ihre Namen in der
preußischen und deutschen Geschichte mit ehernen Lettern verewigt. Bis in die
neueste Zeit haben die in begeisternden Jugendtagen aus dem Schoße des Vereins
an das Licht geförderten Ideen über Grundsätze, Wege und Ziele der Gewerbe¬
förderung die preußische Staatsverwaltung befruchtet und bestimmt. So ist es
mir eine besondere Freude, im Namen der Gewerbeverwaltung dem Verein den
ihm gebührenden Dank abzustatten, indem ich Erinnerungen an Vergangenheit
und gemeinsame Arbeit wachrufe.

Blicken wir im Geist zurück aus die denkwürdigen Verhandlungen im Saale
der Stadtverordneten in Berlin am 15. Januar 1821, als dort Beuth, der
große Organisator der Gewerbeförderung Preußens, die öffentliche
Gründung des Vereins vornahm und das Lob des sittlichen Werth gewerblicher
Arbeit verkündete, Gewerbfleiß ist, so führte er aus, die Grundlage des Reich¬
tums einer Nation, und da wahrer Gewerbfleiß nicht ohne Tugend denkbar ist,
so ist er auch die Grundlage der nationalen Kraft überhaupt. Und weiter legte
er dar: Auch im gewerblichen Leben gebe es keinen Stillstand, sondern nur Fort¬
schritt oder Rückschritt. Die Gewerbetreibenden in Preußen hätten sich-zu lange
daran gewöhnt, von der Fürsorge der Negierung zu erwarten, was sie selbst
hätten schaffen sollen. Diese Fürsorge sei auch heute noch vorhanden und solle
fortbestehen. Aber auch die aufmerksamste Regierung könne nicht alles sehen,
auch nicht alles für andere tun. Auf keinen Fall könne sie eigene Tätigkeit
ersetzen. Der neue Verein solle beweisen, daß die Gewerbetreibenden Preußens
heute auch eigener Tätigkeit vertrauen. Der Geist der Selbstverwaltung solle
auf die neue Vereinigung übergehen. Der Geist der Gemeinnützigkeit müsse alles
beleben und leiten.

Den Kernpunkt dieser Ausführungen bilden die beiden Gedanken, daß" die
Gewerbeförderung ein Mittel nicht nur technischer Ausbildung, sondern auch sitl¬
icher Erziehung ist, und daß jede staatliche Fürsorge ihre Ergänzung finden muß
in Selbsthilfe und Selbstverwaltung. Sie sind seit jenen Gründungstagen die
wesentlichen Richtlinien der staatlichen Gewerbepolitik gewesen. Beide haben sich
in dem Beuthschen Schaffen und bis in die neueste Zeit dauernd erfolgreich aus¬
gewirkt. Ehe wir aber hierauf näher eingehen, möge auf die vorhergehende erste
große Periode preußischer Gewerbeförderung ein kurzer Rückblick geworfen werden,
die Zeit Friedrichs des Großen.


Grenzboten II 1921 2
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[0023] Hundert Jahre deutscher Gewerbfleisz Hundert Jahre deutscher Gewerbfleiß Festrede anläßlich der Jubelfeier des Vereins zur Beförderung des Gewerb- fleißes am 23. Januar 1,925 Dönhoff, Staatssekretär im preuszischcn Handelsininisterium Von Mles empfindet die preußische Gewerbeverwaltung heute die Ehre, den Verein zur Beförderung des Gewerbfleißes zur hundertjährigen Jubelfeier als erste begrüßen zu dürfen. Mit dem Verein fühlt sie sich bei gemeinsamen Zielen durch persönliche und ideelle Be¬ ziehungen eng verknüpft. Von seinen fünf Vorsitzenden sind vier auch in ihr in leitender Stellung gewesen. Zwei von ihnen, Beuth und Delbrück, die allein dem Verein 71 Jahre hindurch vorstanden, finden ihre Namen in der preußischen und deutschen Geschichte mit ehernen Lettern verewigt. Bis in die neueste Zeit haben die in begeisternden Jugendtagen aus dem Schoße des Vereins an das Licht geförderten Ideen über Grundsätze, Wege und Ziele der Gewerbe¬ förderung die preußische Staatsverwaltung befruchtet und bestimmt. So ist es mir eine besondere Freude, im Namen der Gewerbeverwaltung dem Verein den ihm gebührenden Dank abzustatten, indem ich Erinnerungen an Vergangenheit und gemeinsame Arbeit wachrufe. Blicken wir im Geist zurück aus die denkwürdigen Verhandlungen im Saale der Stadtverordneten in Berlin am 15. Januar 1821, als dort Beuth, der große Organisator der Gewerbeförderung Preußens, die öffentliche Gründung des Vereins vornahm und das Lob des sittlichen Werth gewerblicher Arbeit verkündete, Gewerbfleiß ist, so führte er aus, die Grundlage des Reich¬ tums einer Nation, und da wahrer Gewerbfleiß nicht ohne Tugend denkbar ist, so ist er auch die Grundlage der nationalen Kraft überhaupt. Und weiter legte er dar: Auch im gewerblichen Leben gebe es keinen Stillstand, sondern nur Fort¬ schritt oder Rückschritt. Die Gewerbetreibenden in Preußen hätten sich-zu lange daran gewöhnt, von der Fürsorge der Negierung zu erwarten, was sie selbst hätten schaffen sollen. Diese Fürsorge sei auch heute noch vorhanden und solle fortbestehen. Aber auch die aufmerksamste Regierung könne nicht alles sehen, auch nicht alles für andere tun. Auf keinen Fall könne sie eigene Tätigkeit ersetzen. Der neue Verein solle beweisen, daß die Gewerbetreibenden Preußens heute auch eigener Tätigkeit vertrauen. Der Geist der Selbstverwaltung solle auf die neue Vereinigung übergehen. Der Geist der Gemeinnützigkeit müsse alles beleben und leiten. Den Kernpunkt dieser Ausführungen bilden die beiden Gedanken, daß" die Gewerbeförderung ein Mittel nicht nur technischer Ausbildung, sondern auch sitl¬ icher Erziehung ist, und daß jede staatliche Fürsorge ihre Ergänzung finden muß in Selbsthilfe und Selbstverwaltung. Sie sind seit jenen Gründungstagen die wesentlichen Richtlinien der staatlichen Gewerbepolitik gewesen. Beide haben sich in dem Beuthschen Schaffen und bis in die neueste Zeit dauernd erfolgreich aus¬ gewirkt. Ehe wir aber hierauf näher eingehen, möge auf die vorhergehende erste große Periode preußischer Gewerbeförderung ein kurzer Rückblick geworfen werden, die Zeit Friedrichs des Großen. Grenzboten II 1921 2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/23>, abgerufen am 28.04.2024.