Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
versuch einer Erneuerung des Rückversicherungsvertragcs 5904/03

festgestellt wurde, daß es sich nicht um mehrere Redner, sondern um einen ge¬
handelt hat, daß es eine nichtöffentliche Versammlung war und daß der jugend¬
liche Redner nicht zum Sturze der Regierung aufgefordert hat, wie es in der
radikalen Linkspresse seit November 1918 täglich zu lesen ist, sondern nur von
einer Furcht der Negierung vor einem Sturze gesprochen hat.

Diese Regierung wird uns die Freiheit nicht bringen. Die Freiheit, die
wir ersehnen, ist von anderer Art. Wir wollen Herr im eigenen Hause sein, wollen
nicht mehr Schacherobjekt der Großmächte bleiben, sondern einen Faktor im politischen
und wirtschaftlichen Weltleben spielen, mit dem zu rechnen ist. Wir zahlen und liefern,
wenn man uns unsere Freiheit läßt, und wir weigern uns, und stellen unsere
Zahlungen ein bei jedem Versuch, den Strick, den man uns um den Hals gelegt
hat, enger zu ziehen. Auch waffenlose Völker stellen eine Macht dar, wenn sie
nur wollen und wenn sie den Machtgedanken wenigstens im Herzen tragen.




Versuch einer Erneuerung des Rückversicherungs-
vertrages zwischen Deutschland und Rußland
Prof. Dr. R. F. Uaindl von

mener Wieder wird in einem Teile der Presse und des politischen
Lebens die Ansicht ausgesprochen, daß die Nichterneuerung des
Bismarckschen RückVersicherungsvertrages mit Nußland die Grund¬
lage alles Unglücks war. Nun ist es sicher richtig, daß es vor¬
teilhaft gewesen wäre, den Draht nach Petersburg nicht abzu-,
reißen und das Zarentum nach Möglichkeit festzuhalten. Die große Frage ist
nur die, was Rußland dafür gefordert hätte und ob der Preis, den man ihm
Mahle hätte, schließlich nicht doch verloren gegangen wäre.

Einige neue Dokumente werfen darauf ein interessantes Licht. Die deutsche
Negierung hat tatsächlich später versucht, einen neuen Vertrag mit Nußland zu
schließen. Die damit verbundenen Verhandlungen sind für unsere Frage überaus
interessant.

Die erwähnten Dokumente sind mitgeteilt in einer Veröffentlichung des
deutschen Auswärtigen Amtes: "Dokumente aus den russischen Geheimarchiven,
soweit sie bis zum 1. Juli 1918 eingegangen sind." So mangelhaft diese Ab¬
drucke sind und so lückenhaft auch das dargebotene Material ist, so gestattet es
doch einen interessanten Einblick in die deutsch-russischen Beziehungen ^). Vor



Die Sammlung ist ohne Erscheinungsjahr herausgegeben. Sie scheint im Buch¬
handel nicht verbreitet zu sein.
Is*
versuch einer Erneuerung des Rückversicherungsvertragcs 5904/03

festgestellt wurde, daß es sich nicht um mehrere Redner, sondern um einen ge¬
handelt hat, daß es eine nichtöffentliche Versammlung war und daß der jugend¬
liche Redner nicht zum Sturze der Regierung aufgefordert hat, wie es in der
radikalen Linkspresse seit November 1918 täglich zu lesen ist, sondern nur von
einer Furcht der Negierung vor einem Sturze gesprochen hat.

Diese Regierung wird uns die Freiheit nicht bringen. Die Freiheit, die
wir ersehnen, ist von anderer Art. Wir wollen Herr im eigenen Hause sein, wollen
nicht mehr Schacherobjekt der Großmächte bleiben, sondern einen Faktor im politischen
und wirtschaftlichen Weltleben spielen, mit dem zu rechnen ist. Wir zahlen und liefern,
wenn man uns unsere Freiheit läßt, und wir weigern uns, und stellen unsere
Zahlungen ein bei jedem Versuch, den Strick, den man uns um den Hals gelegt
hat, enger zu ziehen. Auch waffenlose Völker stellen eine Macht dar, wenn sie
nur wollen und wenn sie den Machtgedanken wenigstens im Herzen tragen.




Versuch einer Erneuerung des Rückversicherungs-
vertrages zwischen Deutschland und Rußland
Prof. Dr. R. F. Uaindl von

mener Wieder wird in einem Teile der Presse und des politischen
Lebens die Ansicht ausgesprochen, daß die Nichterneuerung des
Bismarckschen RückVersicherungsvertrages mit Nußland die Grund¬
lage alles Unglücks war. Nun ist es sicher richtig, daß es vor¬
teilhaft gewesen wäre, den Draht nach Petersburg nicht abzu-,
reißen und das Zarentum nach Möglichkeit festzuhalten. Die große Frage ist
nur die, was Rußland dafür gefordert hätte und ob der Preis, den man ihm
Mahle hätte, schließlich nicht doch verloren gegangen wäre.

Einige neue Dokumente werfen darauf ein interessantes Licht. Die deutsche
Negierung hat tatsächlich später versucht, einen neuen Vertrag mit Nußland zu
schließen. Die damit verbundenen Verhandlungen sind für unsere Frage überaus
interessant.

Die erwähnten Dokumente sind mitgeteilt in einer Veröffentlichung des
deutschen Auswärtigen Amtes: „Dokumente aus den russischen Geheimarchiven,
soweit sie bis zum 1. Juli 1918 eingegangen sind." So mangelhaft diese Ab¬
drucke sind und so lückenhaft auch das dargebotene Material ist, so gestattet es
doch einen interessanten Einblick in die deutsch-russischen Beziehungen ^). Vor



Die Sammlung ist ohne Erscheinungsjahr herausgegeben. Sie scheint im Buch¬
handel nicht verbreitet zu sein.
Is*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0265" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339066"/>
          <fw type="header" place="top"> versuch einer Erneuerung des Rückversicherungsvertragcs 5904/03</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_905" prev="#ID_904"> festgestellt wurde, daß es sich nicht um mehrere Redner, sondern um einen ge¬<lb/>
handelt hat, daß es eine nichtöffentliche Versammlung war und daß der jugend¬<lb/>
liche Redner nicht zum Sturze der Regierung aufgefordert hat, wie es in der<lb/>
radikalen Linkspresse seit November 1918 täglich zu lesen ist, sondern nur von<lb/>
einer Furcht der Negierung vor einem Sturze gesprochen hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_906"> Diese Regierung wird uns die Freiheit nicht bringen. Die Freiheit, die<lb/>
wir ersehnen, ist von anderer Art. Wir wollen Herr im eigenen Hause sein, wollen<lb/>
nicht mehr Schacherobjekt der Großmächte bleiben, sondern einen Faktor im politischen<lb/>
und wirtschaftlichen Weltleben spielen, mit dem zu rechnen ist. Wir zahlen und liefern,<lb/>
wenn man uns unsere Freiheit läßt, und wir weigern uns, und stellen unsere<lb/>
Zahlungen ein bei jedem Versuch, den Strick, den man uns um den Hals gelegt<lb/>
hat, enger zu ziehen. Auch waffenlose Völker stellen eine Macht dar, wenn sie<lb/>
nur wollen und wenn sie den Machtgedanken wenigstens im Herzen tragen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Versuch einer Erneuerung des Rückversicherungs-<lb/>
vertrages zwischen Deutschland und Rußland<lb/><note type="byline"> Prof. Dr. R. F. Uaindl </note> von </head><lb/>
          <p xml:id="ID_907"> mener Wieder wird in einem Teile der Presse und des politischen<lb/>
Lebens die Ansicht ausgesprochen, daß die Nichterneuerung des<lb/>
Bismarckschen RückVersicherungsvertrages mit Nußland die Grund¬<lb/>
lage alles Unglücks war. Nun ist es sicher richtig, daß es vor¬<lb/>
teilhaft gewesen wäre, den Draht nach Petersburg nicht abzu-,<lb/>
reißen und das Zarentum nach Möglichkeit festzuhalten. Die große Frage ist<lb/>
nur die, was Rußland dafür gefordert hätte und ob der Preis, den man ihm<lb/>
Mahle hätte, schließlich nicht doch verloren gegangen wäre.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_908"> Einige neue Dokumente werfen darauf ein interessantes Licht. Die deutsche<lb/>
Negierung hat tatsächlich später versucht, einen neuen Vertrag mit Nußland zu<lb/>
schließen. Die damit verbundenen Verhandlungen sind für unsere Frage überaus<lb/>
interessant.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_909" next="#ID_910"> Die erwähnten Dokumente sind mitgeteilt in einer Veröffentlichung des<lb/>
deutschen Auswärtigen Amtes: &#x201E;Dokumente aus den russischen Geheimarchiven,<lb/>
soweit sie bis zum 1. Juli 1918 eingegangen sind." So mangelhaft diese Ab¬<lb/>
drucke sind und so lückenhaft auch das dargebotene Material ist, so gestattet es<lb/>
doch einen interessanten Einblick in die deutsch-russischen Beziehungen ^). Vor</p><lb/>
          <note xml:id="FID_89" place="foot"> Die Sammlung ist ohne Erscheinungsjahr herausgegeben. Sie scheint im Buch¬<lb/>
handel nicht verbreitet zu sein.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Is*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0265] versuch einer Erneuerung des Rückversicherungsvertragcs 5904/03 festgestellt wurde, daß es sich nicht um mehrere Redner, sondern um einen ge¬ handelt hat, daß es eine nichtöffentliche Versammlung war und daß der jugend¬ liche Redner nicht zum Sturze der Regierung aufgefordert hat, wie es in der radikalen Linkspresse seit November 1918 täglich zu lesen ist, sondern nur von einer Furcht der Negierung vor einem Sturze gesprochen hat. Diese Regierung wird uns die Freiheit nicht bringen. Die Freiheit, die wir ersehnen, ist von anderer Art. Wir wollen Herr im eigenen Hause sein, wollen nicht mehr Schacherobjekt der Großmächte bleiben, sondern einen Faktor im politischen und wirtschaftlichen Weltleben spielen, mit dem zu rechnen ist. Wir zahlen und liefern, wenn man uns unsere Freiheit läßt, und wir weigern uns, und stellen unsere Zahlungen ein bei jedem Versuch, den Strick, den man uns um den Hals gelegt hat, enger zu ziehen. Auch waffenlose Völker stellen eine Macht dar, wenn sie nur wollen und wenn sie den Machtgedanken wenigstens im Herzen tragen. Versuch einer Erneuerung des Rückversicherungs- vertrages zwischen Deutschland und Rußland Prof. Dr. R. F. Uaindl von mener Wieder wird in einem Teile der Presse und des politischen Lebens die Ansicht ausgesprochen, daß die Nichterneuerung des Bismarckschen RückVersicherungsvertrages mit Nußland die Grund¬ lage alles Unglücks war. Nun ist es sicher richtig, daß es vor¬ teilhaft gewesen wäre, den Draht nach Petersburg nicht abzu-, reißen und das Zarentum nach Möglichkeit festzuhalten. Die große Frage ist nur die, was Rußland dafür gefordert hätte und ob der Preis, den man ihm Mahle hätte, schließlich nicht doch verloren gegangen wäre. Einige neue Dokumente werfen darauf ein interessantes Licht. Die deutsche Negierung hat tatsächlich später versucht, einen neuen Vertrag mit Nußland zu schließen. Die damit verbundenen Verhandlungen sind für unsere Frage überaus interessant. Die erwähnten Dokumente sind mitgeteilt in einer Veröffentlichung des deutschen Auswärtigen Amtes: „Dokumente aus den russischen Geheimarchiven, soweit sie bis zum 1. Juli 1918 eingegangen sind." So mangelhaft diese Ab¬ drucke sind und so lückenhaft auch das dargebotene Material ist, so gestattet es doch einen interessanten Einblick in die deutsch-russischen Beziehungen ^). Vor Die Sammlung ist ohne Erscheinungsjahr herausgegeben. Sie scheint im Buch¬ handel nicht verbreitet zu sein. Is*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/265
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/265>, abgerufen am 28.04.2024.