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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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vom neuen Aulkurkampf am Rhein

Vom neuen Aulturkampf am Rhein
Linksrheiner von

Wirtschaftliche Fragen allein scheinen unser Dasein auszufüllen, Die
bange Erwartung über Erfolg oder Mißlingen der tatkräftig durch¬
geführten Maßnahmen der Entente an den Grenzen des "alten"
und neubesetzten Gebietes lastet auf dem täglichen Leben des Ein¬
zelnen wie der Gesamtheit. Aus der Zoll Verwaltung, die
Frankreich nach dem Wortlaut der "Sanktionen" dem deutschen Reich aus den
Händen nahm, droht ein Zoll Staat zu erwachsen, seitdem allen Behörden, die
in Polizei- und Finanzfragen bislang Teile des unbesetzten Deutschland mit¬
betrauten, das Verbot zuging, ihre Amtsführung über die Grenzen des von den
neuen Zollstaaten begrenzten Landes auszudehnen; Eingriffe in die innerste Ver¬
waltung und der staatlichen Hoheit des Reiches, die in der Öffentlichkeit kaum
oder gar nicht erwähnt werden.

Um so stärker aber ist, das darf hier vor allem betont werden, heute der
Widerstand gegen die zweite große Bewegung erwacht, die Frankreich vor mehr-
als zwei Jahren gegen das besetzte Gebiet einleitete. So ruhmredig es auch
klingt: hier kann man heute bereits von einem Kampf der Geister, von einem
neuen, ganz eigenartigen "Kulturkampf" reden, in dem die Union des granäes
associations irancaisss den Vorteil der unbeschränkten Mittel, die deutsche Bil¬
dung den Vorteil der wurzelechten Eigenart besitzt. Auf alle Fälle aber darf
man auch hier nicht an ein Zurückweichen der Pariser Machthaber denken.

Der französische Propagandadienst im Auslande, so teilte kürzlich wieder
die amtliche Pariser Presse mit, soll auch während des Friedens beibehalten
werden, sogar demnächst einen allgemeinen Oberkommissar für die französische
Expansion erhalten. Die großartige Buchpropaganda, die bereits während des
Krieges den deutschen Absatz und damit auch die deutsche Kultur überall zurück¬
drängte, macht weitere Fortschritte und wird, wie immer wieder betont werden
muß, durch unseren Auslandszuschlag aufs stärkste gefördert. Kulturelle und
wirtschaftliche Ausbreitung arbeiten hier Hand in Hand, wie sich das ganz
besonders deutlich aus dem kleineren Raume des Saargebiets zeigt. Dr. Pierre
Bücher, im weiland deutschen Kaiserreich der amtlich umschmeichelte Brunnen¬
vergifter der öffentlichen Meinung im Elsaß, verkündete jüngst öffentlich die
ganze Fülle der französischen Pläne, die Schritt für Schritt das Land des Völker¬
bundes zum untrennbaren Bestandteil der französischen Republik zu machen streben.

Das Saargebiet und Lothringen -- hieß eS da -- bildeten unstreitbar eine
Einheit. Elsaß-Lothringen sei nur lebensfähig, wenn das Saargebiet zu ihm
gehöre. Durch das Mittel der Kohlenverteilung und Festsetzung des Kohlenpreises
sei es Frankreich gelungen, innerhalb eines Jahres den größten Teil der Saar¬
industrie in französische Hände zu bringen. Als Herren der Industrie würden
die Franzosen nach und nach auch in den Handel eindringen. Die Gründung
der französisch-saarländischen Handelskammer sei ein Beweis dafür. Das Zoll¬
system müsse in politischem, nicht nur fiskalischen Interesse ausgebaut werden.
Bucher hofft, daß in etwa vier Jahren die Zollunion mit Frankreich durch die
einheitliche Geldgewährung ergänzt würde. Die Saarregierung habe die Inder-


vom neuen Aulkurkampf am Rhein

Vom neuen Aulturkampf am Rhein
Linksrheiner von

Wirtschaftliche Fragen allein scheinen unser Dasein auszufüllen, Die
bange Erwartung über Erfolg oder Mißlingen der tatkräftig durch¬
geführten Maßnahmen der Entente an den Grenzen des „alten"
und neubesetzten Gebietes lastet auf dem täglichen Leben des Ein¬
zelnen wie der Gesamtheit. Aus der Zoll Verwaltung, die
Frankreich nach dem Wortlaut der „Sanktionen" dem deutschen Reich aus den
Händen nahm, droht ein Zoll Staat zu erwachsen, seitdem allen Behörden, die
in Polizei- und Finanzfragen bislang Teile des unbesetzten Deutschland mit¬
betrauten, das Verbot zuging, ihre Amtsführung über die Grenzen des von den
neuen Zollstaaten begrenzten Landes auszudehnen; Eingriffe in die innerste Ver¬
waltung und der staatlichen Hoheit des Reiches, die in der Öffentlichkeit kaum
oder gar nicht erwähnt werden.

Um so stärker aber ist, das darf hier vor allem betont werden, heute der
Widerstand gegen die zweite große Bewegung erwacht, die Frankreich vor mehr-
als zwei Jahren gegen das besetzte Gebiet einleitete. So ruhmredig es auch
klingt: hier kann man heute bereits von einem Kampf der Geister, von einem
neuen, ganz eigenartigen „Kulturkampf" reden, in dem die Union des granäes
associations irancaisss den Vorteil der unbeschränkten Mittel, die deutsche Bil¬
dung den Vorteil der wurzelechten Eigenart besitzt. Auf alle Fälle aber darf
man auch hier nicht an ein Zurückweichen der Pariser Machthaber denken.

Der französische Propagandadienst im Auslande, so teilte kürzlich wieder
die amtliche Pariser Presse mit, soll auch während des Friedens beibehalten
werden, sogar demnächst einen allgemeinen Oberkommissar für die französische
Expansion erhalten. Die großartige Buchpropaganda, die bereits während des
Krieges den deutschen Absatz und damit auch die deutsche Kultur überall zurück¬
drängte, macht weitere Fortschritte und wird, wie immer wieder betont werden
muß, durch unseren Auslandszuschlag aufs stärkste gefördert. Kulturelle und
wirtschaftliche Ausbreitung arbeiten hier Hand in Hand, wie sich das ganz
besonders deutlich aus dem kleineren Raume des Saargebiets zeigt. Dr. Pierre
Bücher, im weiland deutschen Kaiserreich der amtlich umschmeichelte Brunnen¬
vergifter der öffentlichen Meinung im Elsaß, verkündete jüngst öffentlich die
ganze Fülle der französischen Pläne, die Schritt für Schritt das Land des Völker¬
bundes zum untrennbaren Bestandteil der französischen Republik zu machen streben.

Das Saargebiet und Lothringen — hieß eS da — bildeten unstreitbar eine
Einheit. Elsaß-Lothringen sei nur lebensfähig, wenn das Saargebiet zu ihm
gehöre. Durch das Mittel der Kohlenverteilung und Festsetzung des Kohlenpreises
sei es Frankreich gelungen, innerhalb eines Jahres den größten Teil der Saar¬
industrie in französische Hände zu bringen. Als Herren der Industrie würden
die Franzosen nach und nach auch in den Handel eindringen. Die Gründung
der französisch-saarländischen Handelskammer sei ein Beweis dafür. Das Zoll¬
system müsse in politischem, nicht nur fiskalischen Interesse ausgebaut werden.
Bucher hofft, daß in etwa vier Jahren die Zollunion mit Frankreich durch die
einheitliche Geldgewährung ergänzt würde. Die Saarregierung habe die Inder-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/298>, abgerufen am 28.04.2024.