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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Die militär-politischo Lage in Polen

Die militär-politische Lage in Polen
Hans Ulrich- von

vier verdankt seine heutige Ausdehnung und Machtstellung der Entente.
Auf den Trümmern Deutschlands und Rußlands zwischen diesen
beiden Mächten entstanden, soll es einen Zusammenschluß dieser
beiden Länder verhindern und damit Ententeinteressen dienen. So
geriet Polen von dem Augenblick seiner Wiederherstellung an in
die vollständige Abhängigkeit der Entente und heute ist es der Vasall Frank¬
reichs. In allen Zweigen seines Staatswesens, in der Politik und in seiner
Wirtschaft gebietet Frankreich. In diesem Zeichen steht die gesamte militär¬
politische Lage in Polen, seine Außen- und Innenpolitik, seine äußere
Ausdehnung und sein Imperialismus, seine Landesverteidigung und der Ausbau
seines Heeres, die Stimmung in der polnischen Presse, in der Regierung und im
Parlament; darunter leidet die wirtschaftliche und soziale Lage Polens, leidet die
innere Festigkeit und Geschlossenheit des Staates.

Die französische Politik erstrebt in Europa im wesentlichen drei Hauptziele,
auf die letzten Endes alle ihre Handlungen zurückzuführen sind und von denen
sich das eine immer folgerichtig aus dem andern ergibt. Es sind:

1. die Zertrümmerung Deutschlands,
2. die Herstellung einer wirksamen Sperre zwischen Deutschland und
Rußland und in engem Zusammenhang damit
8. die Hegemonie über ganz Europa.

Diesen drei Zielen muß Polen dienen und aus ihnen heraus ergibt sich am
klarsten das Verhältnis Polens zu seinen Nachbarländern.

Das Verhältnis Polens zu Deutschland war, wie dies im Hinblick auf die
Entstehung des polnischen Staates und die ihm von Frankreich gestellten Auf¬
gaben nicht anders sein konnte, von Anfang an ein gespanntes. Trotz unzweifel¬
haft vorhandener wichtiger gegenseitiger wirtschaftlicher Interessen und trotz des
besten Willens von deutscher Seite, ist es bis heute noch nicht gelungen, einen,
Ausgleich in den zwischen beiden Ländern bestehenden Gegensätzen herbeizuführen,
im Gegenteil die zwischen ihnen bestehende Spannung hat sich immer mehr ver¬
schärft und in den letzten Monaten zu einer Art politischer Hochspannung entwickelt.
Zwischen beiden Ländern steht Frankreich. Es hat in Versailles in meisterhafter
Weise vorgesorgt, daß der Neibungspllnkte zwischen Polen und Deutschland immer
genug sind, um eine Verständigung unmöglich zu machen. Der Korridor und im
Zusammenhang damit die Frage des Durchgangsverkehrs nach Ostpreußen, und
die Tatsache, daß nach dem Versailler Friedensvertrag Millionen Deutscher unter
polnische Herrschaft kamen, vor allen Dingen aber die verschiedenen Abstimmungen,
besonders die in Oberschlesien, waren und sind Gründe genug, die Volksleiden¬
schaften immer von neuem zu entfachen. Augenblicklich ist es die obcrschlesische
Frage, die die beiderseitigen Gemüter in Atem hält. Das Ergebnis der Ab¬
stimmung ist bekannt. Dem deutschen Festhalten an der Unteilbarkeit Ober¬
schlesiens tritt polnischerseits einmütiges Verlangen nach einer Teilung entgegen.
Nicht Stimmenmehrheit, sondern Gemeindemehrheit betrachtet Polen als aus-


Die militär-politischo Lage in Polen

Die militär-politische Lage in Polen
Hans Ulrich- von

vier verdankt seine heutige Ausdehnung und Machtstellung der Entente.
Auf den Trümmern Deutschlands und Rußlands zwischen diesen
beiden Mächten entstanden, soll es einen Zusammenschluß dieser
beiden Länder verhindern und damit Ententeinteressen dienen. So
geriet Polen von dem Augenblick seiner Wiederherstellung an in
die vollständige Abhängigkeit der Entente und heute ist es der Vasall Frank¬
reichs. In allen Zweigen seines Staatswesens, in der Politik und in seiner
Wirtschaft gebietet Frankreich. In diesem Zeichen steht die gesamte militär¬
politische Lage in Polen, seine Außen- und Innenpolitik, seine äußere
Ausdehnung und sein Imperialismus, seine Landesverteidigung und der Ausbau
seines Heeres, die Stimmung in der polnischen Presse, in der Regierung und im
Parlament; darunter leidet die wirtschaftliche und soziale Lage Polens, leidet die
innere Festigkeit und Geschlossenheit des Staates.

Die französische Politik erstrebt in Europa im wesentlichen drei Hauptziele,
auf die letzten Endes alle ihre Handlungen zurückzuführen sind und von denen
sich das eine immer folgerichtig aus dem andern ergibt. Es sind:

1. die Zertrümmerung Deutschlands,
2. die Herstellung einer wirksamen Sperre zwischen Deutschland und
Rußland und in engem Zusammenhang damit
8. die Hegemonie über ganz Europa.

Diesen drei Zielen muß Polen dienen und aus ihnen heraus ergibt sich am
klarsten das Verhältnis Polens zu seinen Nachbarländern.

Das Verhältnis Polens zu Deutschland war, wie dies im Hinblick auf die
Entstehung des polnischen Staates und die ihm von Frankreich gestellten Auf¬
gaben nicht anders sein konnte, von Anfang an ein gespanntes. Trotz unzweifel¬
haft vorhandener wichtiger gegenseitiger wirtschaftlicher Interessen und trotz des
besten Willens von deutscher Seite, ist es bis heute noch nicht gelungen, einen,
Ausgleich in den zwischen beiden Ländern bestehenden Gegensätzen herbeizuführen,
im Gegenteil die zwischen ihnen bestehende Spannung hat sich immer mehr ver¬
schärft und in den letzten Monaten zu einer Art politischer Hochspannung entwickelt.
Zwischen beiden Ländern steht Frankreich. Es hat in Versailles in meisterhafter
Weise vorgesorgt, daß der Neibungspllnkte zwischen Polen und Deutschland immer
genug sind, um eine Verständigung unmöglich zu machen. Der Korridor und im
Zusammenhang damit die Frage des Durchgangsverkehrs nach Ostpreußen, und
die Tatsache, daß nach dem Versailler Friedensvertrag Millionen Deutscher unter
polnische Herrschaft kamen, vor allen Dingen aber die verschiedenen Abstimmungen,
besonders die in Oberschlesien, waren und sind Gründe genug, die Volksleiden¬
schaften immer von neuem zu entfachen. Augenblicklich ist es die obcrschlesische
Frage, die die beiderseitigen Gemüter in Atem hält. Das Ergebnis der Ab¬
stimmung ist bekannt. Dem deutschen Festhalten an der Unteilbarkeit Ober¬
schlesiens tritt polnischerseits einmütiges Verlangen nach einer Teilung entgegen.
Nicht Stimmenmehrheit, sondern Gemeindemehrheit betrachtet Polen als aus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/314>, abgerufen am 27.04.2024.