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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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daß er starke feindliche Kräfte festhalten kann. Statt dessen Festrennen des Lu
starken und daher zu angriffsfreudigen linken Flügels (6. und 7. Armee) vor dem
feindlichen Festungsgürtel, Schwächung des schon zu schwachen rechten Flügels
durch vorzeitiges Entsenden zweier Armeekorps nach dem Osten, zu später Ent¬
schluß, Reserven hinter den rechten Flügel zu entsenden. Dazu kommt zu weites
Abbleiben des Gr. H, Qn., verbunden mit der unseligen Politik der halben Ma߬
regeln, d, h, statt 1. bis 3. Armee zum einheitlichen Handeln in eine Heeresgruppe
zusammenzufassen, wiederholtes Unterstellen der 1. unter die 2. Armee und Ver¬
weisen der A. O. K> 2 und 3 auf gegenseitige Vereinbarungen, die bei den schlech¬
ten Verbinduugsmöglichkeiten und dem geringen gegenseitigen Einvernehmen der
beiden Armeeführer nur selten und dann noch unvollkommen zustande kamen.
Jedenfalls konnte der Führer der 2. Armee sich nicht von dem immerhin be¬
schränkten Gesichtskreise seines Armcebereiches und der Aufgabe seiner Armee
loslösen. Er war daher stets bestrebt, die beiden Nachbararmeen seinem Interesse
dienstbar zu machen, wobei er das Interesse des Gesamtheercs, das er allerdings
nicht übersehen konnte, nicht genügend wahrte. Ähnlich lagen die Verhältnisse
bei der 4, und 5, und bei der 6. und 7. Armee, Die O. H. L, ließ die Zügel
am Boden schleifen und fand mich während der ganzen Marneschlacht und wäh¬
rend des Rückzuges nicht die Kraft, sie zur rechten Zeit aufzunehmen und an¬
zuziehen. Dies ist ihre große tragische Schuld, die nur durch den Charakter der
damals in ihr führenden Männer erklärt werden kann. Dazu kam, daß Moltke,
dem energisches Zugreifen an sich schon fern lag, damals schon ein todkranker
Mann war, der Einwirkungen von außen leichter zugänglich war, als sich dies
für den obersten Lenker der Heeresgeschicke paßt. Der Verfasser schreibt dein
Führer der 2, Armee, v. Bülow, überragenden Einfluß auf Moltke zu und hält
diesen Einfluß für unheilvoll. Durch seine überschwenglichen Meldungen von
"entscheidenden" Siegen und von dem "flnchtähnlichcn Rückzüge" der Franzosen
habe er beim Vormärsche im Gr. H. Qu. die Ansicht erweckt, als ser die Entschei¬
dung im Westen schon gefallen, und als könnten unbedenklich 2 Armeekorps vom
rechten Flügel weggenommen und nach dem Osten geschickt werden. Umgekehrt,
habe Bülow während der eigentlichen Marneschlacht und während des Rückzuges
die Lage dauernd zu schwarz angesehen: Seine Armee wäre "zur Schlacke aus¬
gebrannt", die 1. Armee in größter Gefahr, abgedrängt und vernichtet zu werden.
Jedenfalls hat der Abgesandte der O. H. L., Oberstleutnant'Kertsch, diese Ansicht
im Hauptquartier der 2. Armee gewonnen und durch sie, die 'verstärkt wurde durch
Eindrücke, die er hinter dem linken Flügel der 1. Armee, der sich gerade in einer
Krisis befand, empfing, kam dann der Rückzugsbefehl zustande, dem die 1. Armee,
wenn auch heftig widerstrebend, nachkam. Es ist nicht möglich, im Rahmen dieser
kurzen Besprechung auf diese Vorkommnisse näher einzugehen. Ein unleugbares
Verdienst des Verfassers liegt zweifellos in der aktenmüßigen Darstellung der
vielnmstrittencn Tätigkeit des Oberstleutnants Hentsch. Da dieser leider nicht
mehr unter uns weilt, kann er zur Aufklärung nicht mehr beitragen. Der von ihm
1917 erstattete Bericht an die O. H. L., der hier im Wortlaut mitgeteilt wird, er¬
gibt aber zweifellos, daß er jedenfalls nicht bewußt seine Befugnisse überschritten
hat, daß aber diese Befugnisse, wie manche damaligen Anordnungen der O. H. L.,
nur ungenau umgrenzt waren. Nur kurze, allgemeine, mündliche, keine schriftliche
Anweisung, wie weit er in seinen Befugnissen gehen dürfe. Dabei handelte es sich
um das Schicksal des ganzen Feldzuges, das doch mir der oberste Feldherr, nicht
ein jüngerer Abgesandter beeinflussen durfte! Doch wurde diese Bedeutung der
Marneschlacht damals im Gr. H. Q ^. wohl noch> nicht voll erkannt.


Eingehend ist der Rückzug der fünf Armeen dargestellt, von der Marne bis in

die Linie, in der sie Mitte September 1914 im Stellungskrieg erstarrte. Wenn
schon bisher an dem Verhalten des Führers der 2. Armee schonungslose Kritik
geübt wurde, so wird dieses in gleicher Weise bei der Schilderung des Rückzuges
fortgesetzt. Ich bin der Ansicht, daß der Verfasser in der Kritik des verdienstvollen
Armeeführers zu weit geht, daß er insbesondere da, wo die 3. Armee von den


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daß er starke feindliche Kräfte festhalten kann. Statt dessen Festrennen des Lu
starken und daher zu angriffsfreudigen linken Flügels (6. und 7. Armee) vor dem
feindlichen Festungsgürtel, Schwächung des schon zu schwachen rechten Flügels
durch vorzeitiges Entsenden zweier Armeekorps nach dem Osten, zu später Ent¬
schluß, Reserven hinter den rechten Flügel zu entsenden. Dazu kommt zu weites
Abbleiben des Gr. H, Qn., verbunden mit der unseligen Politik der halben Ma߬
regeln, d, h, statt 1. bis 3. Armee zum einheitlichen Handeln in eine Heeresgruppe
zusammenzufassen, wiederholtes Unterstellen der 1. unter die 2. Armee und Ver¬
weisen der A. O. K> 2 und 3 auf gegenseitige Vereinbarungen, die bei den schlech¬
ten Verbinduugsmöglichkeiten und dem geringen gegenseitigen Einvernehmen der
beiden Armeeführer nur selten und dann noch unvollkommen zustande kamen.
Jedenfalls konnte der Führer der 2. Armee sich nicht von dem immerhin be¬
schränkten Gesichtskreise seines Armcebereiches und der Aufgabe seiner Armee
loslösen. Er war daher stets bestrebt, die beiden Nachbararmeen seinem Interesse
dienstbar zu machen, wobei er das Interesse des Gesamtheercs, das er allerdings
nicht übersehen konnte, nicht genügend wahrte. Ähnlich lagen die Verhältnisse
bei der 4, und 5, und bei der 6. und 7. Armee, Die O. H. L, ließ die Zügel
am Boden schleifen und fand mich während der ganzen Marneschlacht und wäh¬
rend des Rückzuges nicht die Kraft, sie zur rechten Zeit aufzunehmen und an¬
zuziehen. Dies ist ihre große tragische Schuld, die nur durch den Charakter der
damals in ihr führenden Männer erklärt werden kann. Dazu kam, daß Moltke,
dem energisches Zugreifen an sich schon fern lag, damals schon ein todkranker
Mann war, der Einwirkungen von außen leichter zugänglich war, als sich dies
für den obersten Lenker der Heeresgeschicke paßt. Der Verfasser schreibt dein
Führer der 2, Armee, v. Bülow, überragenden Einfluß auf Moltke zu und hält
diesen Einfluß für unheilvoll. Durch seine überschwenglichen Meldungen von
„entscheidenden" Siegen und von dem „flnchtähnlichcn Rückzüge" der Franzosen
habe er beim Vormärsche im Gr. H. Qu. die Ansicht erweckt, als ser die Entschei¬
dung im Westen schon gefallen, und als könnten unbedenklich 2 Armeekorps vom
rechten Flügel weggenommen und nach dem Osten geschickt werden. Umgekehrt,
habe Bülow während der eigentlichen Marneschlacht und während des Rückzuges
die Lage dauernd zu schwarz angesehen: Seine Armee wäre „zur Schlacke aus¬
gebrannt", die 1. Armee in größter Gefahr, abgedrängt und vernichtet zu werden.
Jedenfalls hat der Abgesandte der O. H. L., Oberstleutnant'Kertsch, diese Ansicht
im Hauptquartier der 2. Armee gewonnen und durch sie, die 'verstärkt wurde durch
Eindrücke, die er hinter dem linken Flügel der 1. Armee, der sich gerade in einer
Krisis befand, empfing, kam dann der Rückzugsbefehl zustande, dem die 1. Armee,
wenn auch heftig widerstrebend, nachkam. Es ist nicht möglich, im Rahmen dieser
kurzen Besprechung auf diese Vorkommnisse näher einzugehen. Ein unleugbares
Verdienst des Verfassers liegt zweifellos in der aktenmüßigen Darstellung der
vielnmstrittencn Tätigkeit des Oberstleutnants Hentsch. Da dieser leider nicht
mehr unter uns weilt, kann er zur Aufklärung nicht mehr beitragen. Der von ihm
1917 erstattete Bericht an die O. H. L., der hier im Wortlaut mitgeteilt wird, er¬
gibt aber zweifellos, daß er jedenfalls nicht bewußt seine Befugnisse überschritten
hat, daß aber diese Befugnisse, wie manche damaligen Anordnungen der O. H. L.,
nur ungenau umgrenzt waren. Nur kurze, allgemeine, mündliche, keine schriftliche
Anweisung, wie weit er in seinen Befugnissen gehen dürfe. Dabei handelte es sich
um das Schicksal des ganzen Feldzuges, das doch mir der oberste Feldherr, nicht
ein jüngerer Abgesandter beeinflussen durfte! Doch wurde diese Bedeutung der
Marneschlacht damals im Gr. H. Q ^. wohl noch> nicht voll erkannt.


Eingehend ist der Rückzug der fünf Armeen dargestellt, von der Marne bis in

die Linie, in der sie Mitte September 1914 im Stellungskrieg erstarrte. Wenn
schon bisher an dem Verhalten des Führers der 2. Armee schonungslose Kritik
geübt wurde, so wird dieses in gleicher Weise bei der Schilderung des Rückzuges
fortgesetzt. Ich bin der Ansicht, daß der Verfasser in der Kritik des verdienstvollen
Armeeführers zu weit geht, daß er insbesondere da, wo die 3. Armee von den


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[0334] Ans neuen Büchern daß er starke feindliche Kräfte festhalten kann. Statt dessen Festrennen des Lu starken und daher zu angriffsfreudigen linken Flügels (6. und 7. Armee) vor dem feindlichen Festungsgürtel, Schwächung des schon zu schwachen rechten Flügels durch vorzeitiges Entsenden zweier Armeekorps nach dem Osten, zu später Ent¬ schluß, Reserven hinter den rechten Flügel zu entsenden. Dazu kommt zu weites Abbleiben des Gr. H, Qn., verbunden mit der unseligen Politik der halben Ma߬ regeln, d, h, statt 1. bis 3. Armee zum einheitlichen Handeln in eine Heeresgruppe zusammenzufassen, wiederholtes Unterstellen der 1. unter die 2. Armee und Ver¬ weisen der A. O. K> 2 und 3 auf gegenseitige Vereinbarungen, die bei den schlech¬ ten Verbinduugsmöglichkeiten und dem geringen gegenseitigen Einvernehmen der beiden Armeeführer nur selten und dann noch unvollkommen zustande kamen. Jedenfalls konnte der Führer der 2. Armee sich nicht von dem immerhin be¬ schränkten Gesichtskreise seines Armcebereiches und der Aufgabe seiner Armee loslösen. Er war daher stets bestrebt, die beiden Nachbararmeen seinem Interesse dienstbar zu machen, wobei er das Interesse des Gesamtheercs, das er allerdings nicht übersehen konnte, nicht genügend wahrte. Ähnlich lagen die Verhältnisse bei der 4, und 5, und bei der 6. und 7. Armee, Die O. H. L, ließ die Zügel am Boden schleifen und fand mich während der ganzen Marneschlacht und wäh¬ rend des Rückzuges nicht die Kraft, sie zur rechten Zeit aufzunehmen und an¬ zuziehen. Dies ist ihre große tragische Schuld, die nur durch den Charakter der damals in ihr führenden Männer erklärt werden kann. Dazu kam, daß Moltke, dem energisches Zugreifen an sich schon fern lag, damals schon ein todkranker Mann war, der Einwirkungen von außen leichter zugänglich war, als sich dies für den obersten Lenker der Heeresgeschicke paßt. Der Verfasser schreibt dein Führer der 2, Armee, v. Bülow, überragenden Einfluß auf Moltke zu und hält diesen Einfluß für unheilvoll. Durch seine überschwenglichen Meldungen von „entscheidenden" Siegen und von dem „flnchtähnlichcn Rückzüge" der Franzosen habe er beim Vormärsche im Gr. H. Qu. die Ansicht erweckt, als ser die Entschei¬ dung im Westen schon gefallen, und als könnten unbedenklich 2 Armeekorps vom rechten Flügel weggenommen und nach dem Osten geschickt werden. Umgekehrt, habe Bülow während der eigentlichen Marneschlacht und während des Rückzuges die Lage dauernd zu schwarz angesehen: Seine Armee wäre „zur Schlacke aus¬ gebrannt", die 1. Armee in größter Gefahr, abgedrängt und vernichtet zu werden. Jedenfalls hat der Abgesandte der O. H. L., Oberstleutnant'Kertsch, diese Ansicht im Hauptquartier der 2. Armee gewonnen und durch sie, die 'verstärkt wurde durch Eindrücke, die er hinter dem linken Flügel der 1. Armee, der sich gerade in einer Krisis befand, empfing, kam dann der Rückzugsbefehl zustande, dem die 1. Armee, wenn auch heftig widerstrebend, nachkam. Es ist nicht möglich, im Rahmen dieser kurzen Besprechung auf diese Vorkommnisse näher einzugehen. Ein unleugbares Verdienst des Verfassers liegt zweifellos in der aktenmüßigen Darstellung der vielnmstrittencn Tätigkeit des Oberstleutnants Hentsch. Da dieser leider nicht mehr unter uns weilt, kann er zur Aufklärung nicht mehr beitragen. Der von ihm 1917 erstattete Bericht an die O. H. L., der hier im Wortlaut mitgeteilt wird, er¬ gibt aber zweifellos, daß er jedenfalls nicht bewußt seine Befugnisse überschritten hat, daß aber diese Befugnisse, wie manche damaligen Anordnungen der O. H. L., nur ungenau umgrenzt waren. Nur kurze, allgemeine, mündliche, keine schriftliche Anweisung, wie weit er in seinen Befugnissen gehen dürfe. Dabei handelte es sich um das Schicksal des ganzen Feldzuges, das doch mir der oberste Feldherr, nicht ein jüngerer Abgesandter beeinflussen durfte! Doch wurde diese Bedeutung der Marneschlacht damals im Gr. H. Q ^. wohl noch> nicht voll erkannt. Eingehend ist der Rückzug der fünf Armeen dargestellt, von der Marne bis in die Linie, in der sie Mitte September 1914 im Stellungskrieg erstarrte. Wenn schon bisher an dem Verhalten des Führers der 2. Armee schonungslose Kritik geübt wurde, so wird dieses in gleicher Weise bei der Schilderung des Rückzuges fortgesetzt. Ich bin der Ansicht, daß der Verfasser in der Kritik des verdienstvollen Armeeführers zu weit geht, daß er insbesondere da, wo die 3. Armee von den

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/334>, abgerufen am 27.04.2024.