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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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poincare und Marokko

Schlagen Sie mir eine andere Politik vor, und ich will sie ehrlich
und vorurteilsfrei mit Ihnen diskutieren; aber eine Passive Planlosigkeit,
die froh ist, wenn sie in Ruhe gelassen wird, können wir in der Mitte
von Europa nicht durchführen, sie kann uns heut ebenso gefährlich werden,
wie sie 1805 war, und wir werden Ambosi, wenn wir nichts tun um
,
Bismarck.
Hammer zu werden.



poincare und Marokko
(!), G. von !veseudonk von

meer den drei Generalen, die vor kurzem die französische Marschalls¬
würde bekommen haben, befindet sich auch der Generalresident von
Marokko, General Lyauteh, der bereits Mitglied der französischen
Akademie ist. Seine literarische Begabung hat er soeben in einer in
der "Revue des Deur. Mondes" veröffentlichten, recht ansprechenden
Neiseschilderung ans Griechenland und der Türkei 'erwiesen, die freilich bei anderen
Sterblichen, auch im Zusammenhang mit sonstigen Veröffeirtlichungcn, wie der Schrift
über Sndmadao.uskar, nicht ausreichen würde, um ihnen einen Sitz unter der Kuppel
des Instituts von Frankreich zu sichern. Aber die Verdienste des Generals liegen auf
anderem Gebiete. Bei dem Erwerb und der Erhaltung des marokkanischen Besitzes
Frankreichs hat der General zweifellos eine ganz hervorragende Rolle gespielt. Die
Methoden, die er anwendet, werden freilich nicht jedem Kolonialpolitiker zusagen,
und bei einem Vergleich mit dem im Versailler Frieden als reiner Vorwand zur
Fortnahme der deutschen Kolonien gebrandmarkten Vorgehen der Deutschen würde
die Protektoratsverwaltnng von Rabat mit ihren Schädelpyrannden und Hinrich¬
tungen kaum günstig abschneiden. Die Auffassung, die gewisse französische Kreise
von dein Verhältnis zu den Marokkanern hegen, kennzeichnet der Vorschlag, der
einem im übrigen äußerst cntentefreundlichen Westschweizer in Marrakesch auf seinen
Wunsch, Jaadgelcgenheiten zu finden, von Offizieren des arabischen Bureaus ge¬
macht wurde, er solle doch an einen? Kesseltreiben gegen einen Berberstamm teil¬
nehmen, das sei erheblich unterhaltender als eine gewöhnliche Jagd. Mit Getvalt
und Schrecken sucht der Generalresident die Achtung vor der Macht Frankreichs zu
verbreiten, und mit ähnlichen Mitteln hat >er auch die Deutschen aus dem Scherifen-
reiche zu vertreiben gewußt. Man wird es dem General im deutschen Volke nie
vergessen, wie er beim Ausbruch des Krieges unter dem Bruch der feierlichen Zu¬
sage, sie in ein neutrales Land zu schaffen, die deutschen Bewohner der französischen
Zone Marokkos nach Algerien in Gefangenenlager bringen ließ, und wie er gegen
angesehene Mitglieder der deutschen Beamtenschaft und des Kaufmamisstcmdes mit
Militärgerichtsverfahven vorging, die ohne sachliche und rechtliche Begründung
Todesurteile und Zuchthausstrafen verhängten.

Immerhin, für Frankreich hat General Lyautey etwas geleistet, wenn er auch
seine Tätigkeit in Marokko bisher hauptsächlich auf das militärische Gebiet beschränkt


poincare und Marokko

Schlagen Sie mir eine andere Politik vor, und ich will sie ehrlich
und vorurteilsfrei mit Ihnen diskutieren; aber eine Passive Planlosigkeit,
die froh ist, wenn sie in Ruhe gelassen wird, können wir in der Mitte
von Europa nicht durchführen, sie kann uns heut ebenso gefährlich werden,
wie sie 1805 war, und wir werden Ambosi, wenn wir nichts tun um
,
Bismarck.
Hammer zu werden.



poincare und Marokko
(!), G. von !veseudonk von

meer den drei Generalen, die vor kurzem die französische Marschalls¬
würde bekommen haben, befindet sich auch der Generalresident von
Marokko, General Lyauteh, der bereits Mitglied der französischen
Akademie ist. Seine literarische Begabung hat er soeben in einer in
der „Revue des Deur. Mondes" veröffentlichten, recht ansprechenden
Neiseschilderung ans Griechenland und der Türkei 'erwiesen, die freilich bei anderen
Sterblichen, auch im Zusammenhang mit sonstigen Veröffeirtlichungcn, wie der Schrift
über Sndmadao.uskar, nicht ausreichen würde, um ihnen einen Sitz unter der Kuppel
des Instituts von Frankreich zu sichern. Aber die Verdienste des Generals liegen auf
anderem Gebiete. Bei dem Erwerb und der Erhaltung des marokkanischen Besitzes
Frankreichs hat der General zweifellos eine ganz hervorragende Rolle gespielt. Die
Methoden, die er anwendet, werden freilich nicht jedem Kolonialpolitiker zusagen,
und bei einem Vergleich mit dem im Versailler Frieden als reiner Vorwand zur
Fortnahme der deutschen Kolonien gebrandmarkten Vorgehen der Deutschen würde
die Protektoratsverwaltnng von Rabat mit ihren Schädelpyrannden und Hinrich¬
tungen kaum günstig abschneiden. Die Auffassung, die gewisse französische Kreise
von dein Verhältnis zu den Marokkanern hegen, kennzeichnet der Vorschlag, der
einem im übrigen äußerst cntentefreundlichen Westschweizer in Marrakesch auf seinen
Wunsch, Jaadgelcgenheiten zu finden, von Offizieren des arabischen Bureaus ge¬
macht wurde, er solle doch an einen? Kesseltreiben gegen einen Berberstamm teil¬
nehmen, das sei erheblich unterhaltender als eine gewöhnliche Jagd. Mit Getvalt
und Schrecken sucht der Generalresident die Achtung vor der Macht Frankreichs zu
verbreiten, und mit ähnlichen Mitteln hat >er auch die Deutschen aus dem Scherifen-
reiche zu vertreiben gewußt. Man wird es dem General im deutschen Volke nie
vergessen, wie er beim Ausbruch des Krieges unter dem Bruch der feierlichen Zu¬
sage, sie in ein neutrales Land zu schaffen, die deutschen Bewohner der französischen
Zone Marokkos nach Algerien in Gefangenenlager bringen ließ, und wie er gegen
angesehene Mitglieder der deutschen Beamtenschaft und des Kaufmamisstcmdes mit
Militärgerichtsverfahven vorging, die ohne sachliche und rechtliche Begründung
Todesurteile und Zuchthausstrafen verhängten.

Immerhin, für Frankreich hat General Lyautey etwas geleistet, wenn er auch
seine Tätigkeit in Marokko bisher hauptsächlich auf das militärische Gebiet beschränkt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/56>, abgerufen am 28.04.2024.