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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Neue deutsche Romane

alle nur Stufen auf dem Wege zu ausgeglichenen Gesellschaftsformen der irdischen
Völkerfamilie darstellen! gewiß ist für jeden, der die gewaltigen, unter einer
starren, geheimnisvoll knisternden und krachenden Rinde verborgenen Gärungen
hellhörig verfolgt, daß die Zerstörung der nationalen Grenzbildungen unaufhaltsam
fortschreitet, daß die Lösung der großen, aus dem Kriege überkommenen Probleme
von der Gesamtheit der Völker allein, niemals gegen einzelne gesunden werden
wird und daß sogar die scheinbaren Atavismen, wie die Rückbildung von Gro߬
mächten zu vielen Kleinstaaten nichts anderes ist, als die Abstoßung bindefähiger
Grenzzellen, damit sie nach beiden Seiten Brücken schlagen, sich und andere ver¬
wurzeln helfen.

Der Vorgang aber, der sich, vielleicht noch in unseren Tagen, innerhalb der
Völkergemeinschaft vollziehen wird, gibt Anhaltspunkte für den Werdegang der
Umwälzung, die auch im einzelmenschlichen Zusammenleben vor Jahrhunderten
begonnen hat und im Augenblicke wieder heftige Zuckungen sehen läßt. Wenn
die Führer gelernt haben werden, soziale und animalische Forderungen scheiden,
Menschenstreben und Menschentriebe nebeneinander, statt gegeneinander wirken zu
lassen, wird sich der (im Gegensatz zum nationalen, durch eine Vertikalschranke
geschiedene) quergeschichtete Zukunftsstaat von selbst und ohne Blut und Zwang
errichten.




Neue deutsche Romane
Paul Burg Bericht von

san muß es als eine hocherfreuliche, sichtlich Besserung verheißende
Erscheinung bezeichnen, daß sich auf dem von allerlei Unrat über¬
schwemmten Büchermarkte mehr und mehr wieder Inseln und
Oasen bilden und deutlich über all dem Wust emporheben, Bücher
voll starker deutscher Kraft sich durchsetzen und auch ihr Leser¬
publikum erobern. Bei einem Buche beruht ja aller Erfolg heut mehr denn je
auf dem guten Rufe; einer sagt es dem andern: Das mußt du lesen, das ist ein
Buch für unsl -- Die Riesenreklame, mit welcher früher gewisse, ganz undeutsch
gehaltene Bücher herausgebracht, jedem Menschen geradezu vor die Füße ge¬
schleudert wurden, so daß man ihnen kaum entgehen konnte, hießen sie nun
"Goten" oder "Grünes Gesicht" ... all das zieht heut nicht mehr und ist auch
den Herren Verlegern zu teuer geworden. Von Mund zu Mund empfiehlt sich
das Buch am besten.

Hierin steht zurzeit voran Walter von Molos dritter Band der Trilogie
von Preußens Größe und Zusammenbruch "Das Volk wacht auf!" (Verlag
Albert Langen, München.) Hatte er in den beiden ersten, weitverbreiteten Bänden
"Fridericus" und "Luise" die beiden unvergänglichen Sinnbilder preußischer
Größe und Kraft im Kämpfen, Dulden und Obsiegen über alle Feinde mit allem
meisterlichen Können seiner knappen, dramatischen, gehämmerten Darstellungskunfi


Grenzboten III 192t 8
Neue deutsche Romane

alle nur Stufen auf dem Wege zu ausgeglichenen Gesellschaftsformen der irdischen
Völkerfamilie darstellen! gewiß ist für jeden, der die gewaltigen, unter einer
starren, geheimnisvoll knisternden und krachenden Rinde verborgenen Gärungen
hellhörig verfolgt, daß die Zerstörung der nationalen Grenzbildungen unaufhaltsam
fortschreitet, daß die Lösung der großen, aus dem Kriege überkommenen Probleme
von der Gesamtheit der Völker allein, niemals gegen einzelne gesunden werden
wird und daß sogar die scheinbaren Atavismen, wie die Rückbildung von Gro߬
mächten zu vielen Kleinstaaten nichts anderes ist, als die Abstoßung bindefähiger
Grenzzellen, damit sie nach beiden Seiten Brücken schlagen, sich und andere ver¬
wurzeln helfen.

Der Vorgang aber, der sich, vielleicht noch in unseren Tagen, innerhalb der
Völkergemeinschaft vollziehen wird, gibt Anhaltspunkte für den Werdegang der
Umwälzung, die auch im einzelmenschlichen Zusammenleben vor Jahrhunderten
begonnen hat und im Augenblicke wieder heftige Zuckungen sehen läßt. Wenn
die Führer gelernt haben werden, soziale und animalische Forderungen scheiden,
Menschenstreben und Menschentriebe nebeneinander, statt gegeneinander wirken zu
lassen, wird sich der (im Gegensatz zum nationalen, durch eine Vertikalschranke
geschiedene) quergeschichtete Zukunftsstaat von selbst und ohne Blut und Zwang
errichten.




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Paul Burg Bericht von

san muß es als eine hocherfreuliche, sichtlich Besserung verheißende
Erscheinung bezeichnen, daß sich auf dem von allerlei Unrat über¬
schwemmten Büchermarkte mehr und mehr wieder Inseln und
Oasen bilden und deutlich über all dem Wust emporheben, Bücher
voll starker deutscher Kraft sich durchsetzen und auch ihr Leser¬
publikum erobern. Bei einem Buche beruht ja aller Erfolg heut mehr denn je
auf dem guten Rufe; einer sagt es dem andern: Das mußt du lesen, das ist ein
Buch für unsl — Die Riesenreklame, mit welcher früher gewisse, ganz undeutsch
gehaltene Bücher herausgebracht, jedem Menschen geradezu vor die Füße ge¬
schleudert wurden, so daß man ihnen kaum entgehen konnte, hießen sie nun
„Goten" oder „Grünes Gesicht" ... all das zieht heut nicht mehr und ist auch
den Herren Verlegern zu teuer geworden. Von Mund zu Mund empfiehlt sich
das Buch am besten.

Hierin steht zurzeit voran Walter von Molos dritter Band der Trilogie
von Preußens Größe und Zusammenbruch „Das Volk wacht auf!" (Verlag
Albert Langen, München.) Hatte er in den beiden ersten, weitverbreiteten Bänden
„Fridericus" und „Luise" die beiden unvergänglichen Sinnbilder preußischer
Größe und Kraft im Kämpfen, Dulden und Obsiegen über alle Feinde mit allem
meisterlichen Können seiner knappen, dramatischen, gehämmerten Darstellungskunfi


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[0127] Neue deutsche Romane alle nur Stufen auf dem Wege zu ausgeglichenen Gesellschaftsformen der irdischen Völkerfamilie darstellen! gewiß ist für jeden, der die gewaltigen, unter einer starren, geheimnisvoll knisternden und krachenden Rinde verborgenen Gärungen hellhörig verfolgt, daß die Zerstörung der nationalen Grenzbildungen unaufhaltsam fortschreitet, daß die Lösung der großen, aus dem Kriege überkommenen Probleme von der Gesamtheit der Völker allein, niemals gegen einzelne gesunden werden wird und daß sogar die scheinbaren Atavismen, wie die Rückbildung von Gro߬ mächten zu vielen Kleinstaaten nichts anderes ist, als die Abstoßung bindefähiger Grenzzellen, damit sie nach beiden Seiten Brücken schlagen, sich und andere ver¬ wurzeln helfen. Der Vorgang aber, der sich, vielleicht noch in unseren Tagen, innerhalb der Völkergemeinschaft vollziehen wird, gibt Anhaltspunkte für den Werdegang der Umwälzung, die auch im einzelmenschlichen Zusammenleben vor Jahrhunderten begonnen hat und im Augenblicke wieder heftige Zuckungen sehen läßt. Wenn die Führer gelernt haben werden, soziale und animalische Forderungen scheiden, Menschenstreben und Menschentriebe nebeneinander, statt gegeneinander wirken zu lassen, wird sich der (im Gegensatz zum nationalen, durch eine Vertikalschranke geschiedene) quergeschichtete Zukunftsstaat von selbst und ohne Blut und Zwang errichten. Neue deutsche Romane Paul Burg Bericht von san muß es als eine hocherfreuliche, sichtlich Besserung verheißende Erscheinung bezeichnen, daß sich auf dem von allerlei Unrat über¬ schwemmten Büchermarkte mehr und mehr wieder Inseln und Oasen bilden und deutlich über all dem Wust emporheben, Bücher voll starker deutscher Kraft sich durchsetzen und auch ihr Leser¬ publikum erobern. Bei einem Buche beruht ja aller Erfolg heut mehr denn je auf dem guten Rufe; einer sagt es dem andern: Das mußt du lesen, das ist ein Buch für unsl — Die Riesenreklame, mit welcher früher gewisse, ganz undeutsch gehaltene Bücher herausgebracht, jedem Menschen geradezu vor die Füße ge¬ schleudert wurden, so daß man ihnen kaum entgehen konnte, hießen sie nun „Goten" oder „Grünes Gesicht" ... all das zieht heut nicht mehr und ist auch den Herren Verlegern zu teuer geworden. Von Mund zu Mund empfiehlt sich das Buch am besten. Hierin steht zurzeit voran Walter von Molos dritter Band der Trilogie von Preußens Größe und Zusammenbruch „Das Volk wacht auf!" (Verlag Albert Langen, München.) Hatte er in den beiden ersten, weitverbreiteten Bänden „Fridericus" und „Luise" die beiden unvergänglichen Sinnbilder preußischer Größe und Kraft im Kämpfen, Dulden und Obsiegen über alle Feinde mit allem meisterlichen Können seiner knappen, dramatischen, gehämmerten Darstellungskunfi Grenzboten III 192t 8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/127>, abgerufen am 04.05.2024.