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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Altes und neues Heer

ihr Jungens. Trompeter Alarm. Die Hände, die jetzt die Mädchen umspannen,
solln andre Bräute bekommen! Los, Jungens, löst

Alles stürzt auseinander, greift zu den Gewehren, läuft die Allee zum Strand, reißt
dabei Buchenzweige ab und schmückt sich. Der Saal bietet ein wüstes Bild. Die große
Trommel ist zerschlagen. Der Scheiterhaufen auf der Terrasse ist verlöscht.

Der Feldwebel
(liegt am Boden neben seinen Schnapseimern).

(tritt Mben ihn und bläst ihm ins Ohr):
M
Der Trompeter orgen-
rot . . . Morgenrot. . .


Der Feldwebel
(erhebt sich, greift nach seinem Gewehr, eilt dem Strande
zu und bekränzt im Laufen Gewehr und Stahlhelm mit Buchenlaub).
Die Sonne geht auf. Man sieht am Strand aufmarschierende Infanterie, Artillerie
und Kavallerie, deren Stahlhelme fahl in der Sonne leuchten. Der Wind weht Soldaten¬
lieder herüber, denen der Baron auf der Terrasse lauscht.



II.

Ein Panzerkraftwagen kriecht auf sandiger, waldumsämnter Straße bei Windau. Jetzt
hält er. Im Innern: Benzol- und Ölqualm. Maschinengewehre. Der Wagen ist außen
wie innen mit Buchenlaub geschmückt.

Der junge Unteroffizier, der Schütze, der junge Schütze und
der Kraftsührer: Parre. Verdammt. Kein Wasser im Kühler. Will sehen,
wo ichs kriege (geht waldeinwäris und kehrt nicht wieder zurück).

Gewehr- und Geschützfeuer setzt ein und hält während der Folgezeit den Panzer-
krastwagen unter schwerem Feuer.

Verrat I


Der junge Unteroffizier:

(steht durch die Panzerplatte):
Der Schütze Nichts vom Feind. Nur
ein weites Wellenland. Von drüben rauschen die Buchen. Ganz nahe ein Bach
und ein hellblauer See mit weißen Kieseln . . . aber kein Fahrer. . . Und
dunkle Wiesen und Blumen, Blumen . . . Blumen. Riecht ihr den Duft? Und
weiter hinten Tannengrün. Deutscher Wald . . . deutscher Wald . . . Heimat.
Hört ihr den Kuckuck . . . Heimat . . . Westpreußenland. Da sind sie . . .
Vorn und hinten, rechts und links. Heil


Der junge Unteroffizier
(hockt am Maschinengewehr und feuert fortan
ununterbrochen).

Der Schütze: Aus dieser Patsche hilft uns auch dein Schießen nicht.
Soldaten des Todes. In diesem stickigen Loch zu sterben, pfuil Wollt lieber
im Galopp durch Felder jagen, bei Sporenstich und Peitschenschlag und lachender
Sonne fallen. Das Leben bis zuletzt ein Spiel.

D Der junge Unteroffizier

(während des Schießens):
u hast das
Leben nie erfaßt. Sonst hättest du's mit dem Sterben nicht so leicht. Doch wer,
wie ich, mit jeder Faser seines Leibes, seiner Seele lebte, der will so leicht nicht
sterben.

Er beugt sich ausschauend aus dem Wagen und fällt, am Arm getroffen, mit
gellendem Schrei in das Innere zurück.

(Er schleppr
Derjunge Unteroffizier: Nun bin ich der erste.
sich an den Schspalt und beobachtet die Geschoßausschläge, während der Schütze daS-


Altes und neues Heer

ihr Jungens. Trompeter Alarm. Die Hände, die jetzt die Mädchen umspannen,
solln andre Bräute bekommen! Los, Jungens, löst

Alles stürzt auseinander, greift zu den Gewehren, läuft die Allee zum Strand, reißt
dabei Buchenzweige ab und schmückt sich. Der Saal bietet ein wüstes Bild. Die große
Trommel ist zerschlagen. Der Scheiterhaufen auf der Terrasse ist verlöscht.

Der Feldwebel
(liegt am Boden neben seinen Schnapseimern).

(tritt Mben ihn und bläst ihm ins Ohr):
M
Der Trompeter orgen-
rot . . . Morgenrot. . .


Der Feldwebel
(erhebt sich, greift nach seinem Gewehr, eilt dem Strande
zu und bekränzt im Laufen Gewehr und Stahlhelm mit Buchenlaub).
Die Sonne geht auf. Man sieht am Strand aufmarschierende Infanterie, Artillerie
und Kavallerie, deren Stahlhelme fahl in der Sonne leuchten. Der Wind weht Soldaten¬
lieder herüber, denen der Baron auf der Terrasse lauscht.



II.

Ein Panzerkraftwagen kriecht auf sandiger, waldumsämnter Straße bei Windau. Jetzt
hält er. Im Innern: Benzol- und Ölqualm. Maschinengewehre. Der Wagen ist außen
wie innen mit Buchenlaub geschmückt.

Der junge Unteroffizier, der Schütze, der junge Schütze und
der Kraftsührer: Parre. Verdammt. Kein Wasser im Kühler. Will sehen,
wo ichs kriege (geht waldeinwäris und kehrt nicht wieder zurück).

Gewehr- und Geschützfeuer setzt ein und hält während der Folgezeit den Panzer-
krastwagen unter schwerem Feuer.

Verrat I


Der junge Unteroffizier:

(steht durch die Panzerplatte):
Der Schütze Nichts vom Feind. Nur
ein weites Wellenland. Von drüben rauschen die Buchen. Ganz nahe ein Bach
und ein hellblauer See mit weißen Kieseln . . . aber kein Fahrer. . . Und
dunkle Wiesen und Blumen, Blumen . . . Blumen. Riecht ihr den Duft? Und
weiter hinten Tannengrün. Deutscher Wald . . . deutscher Wald . . . Heimat.
Hört ihr den Kuckuck . . . Heimat . . . Westpreußenland. Da sind sie . . .
Vorn und hinten, rechts und links. Heil


Der junge Unteroffizier
(hockt am Maschinengewehr und feuert fortan
ununterbrochen).

Der Schütze: Aus dieser Patsche hilft uns auch dein Schießen nicht.
Soldaten des Todes. In diesem stickigen Loch zu sterben, pfuil Wollt lieber
im Galopp durch Felder jagen, bei Sporenstich und Peitschenschlag und lachender
Sonne fallen. Das Leben bis zuletzt ein Spiel.

D Der junge Unteroffizier

(während des Schießens):
u hast das
Leben nie erfaßt. Sonst hättest du's mit dem Sterben nicht so leicht. Doch wer,
wie ich, mit jeder Faser seines Leibes, seiner Seele lebte, der will so leicht nicht
sterben.

Er beugt sich ausschauend aus dem Wagen und fällt, am Arm getroffen, mit
gellendem Schrei in das Innere zurück.

(Er schleppr
Derjunge Unteroffizier: Nun bin ich der erste.
sich an den Schspalt und beobachtet die Geschoßausschläge, während der Schütze daS-


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[0297] Altes und neues Heer ihr Jungens. Trompeter Alarm. Die Hände, die jetzt die Mädchen umspannen, solln andre Bräute bekommen! Los, Jungens, löst Alles stürzt auseinander, greift zu den Gewehren, läuft die Allee zum Strand, reißt dabei Buchenzweige ab und schmückt sich. Der Saal bietet ein wüstes Bild. Die große Trommel ist zerschlagen. Der Scheiterhaufen auf der Terrasse ist verlöscht. Der Feldwebel (liegt am Boden neben seinen Schnapseimern). (tritt Mben ihn und bläst ihm ins Ohr): M Der Trompeter orgen- rot . . . Morgenrot. . . Der Feldwebel (erhebt sich, greift nach seinem Gewehr, eilt dem Strande zu und bekränzt im Laufen Gewehr und Stahlhelm mit Buchenlaub). Die Sonne geht auf. Man sieht am Strand aufmarschierende Infanterie, Artillerie und Kavallerie, deren Stahlhelme fahl in der Sonne leuchten. Der Wind weht Soldaten¬ lieder herüber, denen der Baron auf der Terrasse lauscht. II. Ein Panzerkraftwagen kriecht auf sandiger, waldumsämnter Straße bei Windau. Jetzt hält er. Im Innern: Benzol- und Ölqualm. Maschinengewehre. Der Wagen ist außen wie innen mit Buchenlaub geschmückt. Der junge Unteroffizier, der Schütze, der junge Schütze und der Kraftsührer: Parre. Verdammt. Kein Wasser im Kühler. Will sehen, wo ichs kriege (geht waldeinwäris und kehrt nicht wieder zurück). Gewehr- und Geschützfeuer setzt ein und hält während der Folgezeit den Panzer- krastwagen unter schwerem Feuer. Verrat I Der junge Unteroffizier: (steht durch die Panzerplatte): Der Schütze Nichts vom Feind. Nur ein weites Wellenland. Von drüben rauschen die Buchen. Ganz nahe ein Bach und ein hellblauer See mit weißen Kieseln . . . aber kein Fahrer. . . Und dunkle Wiesen und Blumen, Blumen . . . Blumen. Riecht ihr den Duft? Und weiter hinten Tannengrün. Deutscher Wald . . . deutscher Wald . . . Heimat. Hört ihr den Kuckuck . . . Heimat . . . Westpreußenland. Da sind sie . . . Vorn und hinten, rechts und links. Heil Der junge Unteroffizier (hockt am Maschinengewehr und feuert fortan ununterbrochen). Der Schütze: Aus dieser Patsche hilft uns auch dein Schießen nicht. Soldaten des Todes. In diesem stickigen Loch zu sterben, pfuil Wollt lieber im Galopp durch Felder jagen, bei Sporenstich und Peitschenschlag und lachender Sonne fallen. Das Leben bis zuletzt ein Spiel. D Der junge Unteroffizier (während des Schießens): u hast das Leben nie erfaßt. Sonst hättest du's mit dem Sterben nicht so leicht. Doch wer, wie ich, mit jeder Faser seines Leibes, seiner Seele lebte, der will so leicht nicht sterben. Er beugt sich ausschauend aus dem Wagen und fällt, am Arm getroffen, mit gellendem Schrei in das Innere zurück. (Er schleppr Derjunge Unteroffizier: Nun bin ich der erste. sich an den Schspalt und beobachtet die Geschoßausschläge, während der Schütze daS-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/297>, abgerufen am 04.05.2024.