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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Vücherschau
Schöne Literatur III

[Beginn Spaltensatz]
Bernb Jscmann, Klothilde. Die Geschichte
einer Entführung. Verlag Seifert, Stutt¬
gart. 192 t. Geb. M. 22.--. Vorzugs-
cmsgabe M. 32.--.

Es ist die Geschichte beweglichen Sol¬
daten und Lagerlebens aus alten Tagen des
französischen Königreichs, verflochten mit einer
originellen Liebosfabel, in der Leichtsinn und
ein ernsterer Unterton ganz anmutig wechseln
und spannen bis zur glücklichen Lösung.

Julius Levin, Wehrmann Jsmer. Erzählung.
Ernst Rowohlt Verlag, Berlin 1920. Preis
geh. M. 12.--, geb. M. 16.--.

Ein Kriegsschicksal grwöhnlicher, Platter
Menschen, in deren Sphäre kein Strahl des
Schönen oder Versöhnenden fällt, mit Stern-
heimscher Ironie vom grämlichen Chronisten
trocken festgestellt.

Fritz Halliach, Jud Günther. Der böse Geist
der Etappe. Ein Roman nach Tagebuch-
blättcrn aus dem Weltkrieg. Deutscher
Volksverlag Dr. E. Boepple. München
1920. Preis tard. M. 8.--.

Man hat so viel Häßliches aus der
Etappe im Sinne der Selbstbefchmutzung
lesen müssen, daß man dem Verfasser dieser
tagebuchartigen Skizzen es dankt, die Hä߬
lichkeiten, die er bringt, in aufbauenden
Sinn mit heißer Liebe zu unserm Volkstum
zu behandeln.

Jakob Bosjhardt, Opfer. Novellen. Verlag
von H. Horssel in Leipzig. 1920.

Wie schon der Titel besagt, sind es zu¬
meist Erzählungen traurigen Inhalts. Aber
nirgends fehlt die Vertiefung, die im Hin¬
blick auf ewige Gesetze über den Augenblick
hinaushilst, so daß man trotz aller Wehmut
über Eigennutz und Unverstand doch ein
Gefühl tröstlicher Erleichterung davonträgt.
Ergreifend ist die Erzählung von der alten
Bäuerin, die das Ende herankommen fühlt
und sich sonntäglich darauf vorbereiten will,
ebenso die Knabengeschichte von der Tötung
des alten, treuen Hundes. Der bekannte
Schweizer Dichter wird sich in Deutschland,
dem Stamm- und sprachverwandten Lande
eine Reihe neuer Verehrer erringen.

[Spaltenumbruch]
Ans einer verklingenden Welt. Roman von.
Theophile von Bodisco. Berlin, 19S1. Verlag.
von Gebrüder Paetel (l)r. Georg Paetel).

Es ist ein eigenes Ding um Romane aus
den baltischen Landen. Der deutsche Leser,
dem auch nach dem Weltkrieg die Wesensart'
dieser einzigen altnr Kolonie deutscher Kultur
schwer greifbar und voll inn-rer Widersprüche
scheint -- und dies nicht mit Unrecht -- ist
geneigt, eine vereinfachende klärende Darstellung
von Land und Leuten zu erwarten; eine
Schematisierung, und sei eS bloß durch den
Rahmen alter vornehmer Landsitze auf keltischen
oder chemischen Boden, jener abendlichen Häuser,,
aus denen die wunderbaren Gestalten eines
Eduard von Keyserling hervortreten. Wenn.
Theophile von Bodisco in ihrem neuen Roman
diese einengendem Schranken bewußt vermeidet,
so war es doch kein geringes Lob, daß die Kritik
nach ihrem ersten größeren Wert "Aus dem
Hause des alten Freiherrn" auf eine Ver¬
wandtschaft mit dem großen Künstler schloß,,
der inzwischen die allzumüden Augen geschlossen
hat. Seitdem ist Frau von Bodisco immer
mehr ihre eigenen Wege gewandelt und tritt
uns nun als eine der geistigsten und geist¬
vollsten Schriftstellerinnen entgegen. Ihr
Buch ist kein öde-spannender Kricgsroman,
wir haben derer zur Genüge aus den Händen
gelegt, auch keine Studie psychologischer Photo¬
graphie, wie sie selbst aus der Feder eines
Paul Vourget freudlos geworden sind, auch
kein Bädecker durch Estland, diese Ultima
Thule im deutschen Sprachgebiet. Und doch
eine packende, historisch und menschlich weit
ausgreifende, tief eingreifende Schilderung
aus der schon so sern entrückten Kriegszeit,
Die Eigenart von Frau von Bodisco ist
bei aller Wärme und Echtheit des eigenen
Empfindens, bei der Tragik der von ihr
geschilderten verklingenden Welt, ein gewisses
verhaltenes Mer-den-Dingen-stehen. Die Ge¬
stalten hoher baltischer Kultur, die sie mit so
feinem Pinsel zu malen weiß, stehen kraft der
unaufhaltsamen Geschichte -- wer kann da
seicht von Schuld reden? -- am Scheidewege,
in der Scheidestunde. Theophile aom Bodisco
führt uns zu tiefer Erkenntnis, wie auch die

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Schöne Literatur III

[Beginn Spaltensatz]
Bernb Jscmann, Klothilde. Die Geschichte
einer Entführung. Verlag Seifert, Stutt¬
gart. 192 t. Geb. M. 22.—. Vorzugs-
cmsgabe M. 32.—.

Es ist die Geschichte beweglichen Sol¬
daten und Lagerlebens aus alten Tagen des
französischen Königreichs, verflochten mit einer
originellen Liebosfabel, in der Leichtsinn und
ein ernsterer Unterton ganz anmutig wechseln
und spannen bis zur glücklichen Lösung.

Julius Levin, Wehrmann Jsmer. Erzählung.
Ernst Rowohlt Verlag, Berlin 1920. Preis
geh. M. 12.—, geb. M. 16.—.

Ein Kriegsschicksal grwöhnlicher, Platter
Menschen, in deren Sphäre kein Strahl des
Schönen oder Versöhnenden fällt, mit Stern-
heimscher Ironie vom grämlichen Chronisten
trocken festgestellt.

Fritz Halliach, Jud Günther. Der böse Geist
der Etappe. Ein Roman nach Tagebuch-
blättcrn aus dem Weltkrieg. Deutscher
Volksverlag Dr. E. Boepple. München
1920. Preis tard. M. 8.—.

Man hat so viel Häßliches aus der
Etappe im Sinne der Selbstbefchmutzung
lesen müssen, daß man dem Verfasser dieser
tagebuchartigen Skizzen es dankt, die Hä߬
lichkeiten, die er bringt, in aufbauenden
Sinn mit heißer Liebe zu unserm Volkstum
zu behandeln.

Jakob Bosjhardt, Opfer. Novellen. Verlag
von H. Horssel in Leipzig. 1920.

Wie schon der Titel besagt, sind es zu¬
meist Erzählungen traurigen Inhalts. Aber
nirgends fehlt die Vertiefung, die im Hin¬
blick auf ewige Gesetze über den Augenblick
hinaushilst, so daß man trotz aller Wehmut
über Eigennutz und Unverstand doch ein
Gefühl tröstlicher Erleichterung davonträgt.
Ergreifend ist die Erzählung von der alten
Bäuerin, die das Ende herankommen fühlt
und sich sonntäglich darauf vorbereiten will,
ebenso die Knabengeschichte von der Tötung
des alten, treuen Hundes. Der bekannte
Schweizer Dichter wird sich in Deutschland,
dem Stamm- und sprachverwandten Lande
eine Reihe neuer Verehrer erringen.

[Spaltenumbruch]
Ans einer verklingenden Welt. Roman von.
Theophile von Bodisco. Berlin, 19S1. Verlag.
von Gebrüder Paetel (l)r. Georg Paetel).

Es ist ein eigenes Ding um Romane aus
den baltischen Landen. Der deutsche Leser,
dem auch nach dem Weltkrieg die Wesensart'
dieser einzigen altnr Kolonie deutscher Kultur
schwer greifbar und voll inn-rer Widersprüche
scheint — und dies nicht mit Unrecht — ist
geneigt, eine vereinfachende klärende Darstellung
von Land und Leuten zu erwarten; eine
Schematisierung, und sei eS bloß durch den
Rahmen alter vornehmer Landsitze auf keltischen
oder chemischen Boden, jener abendlichen Häuser,,
aus denen die wunderbaren Gestalten eines
Eduard von Keyserling hervortreten. Wenn.
Theophile von Bodisco in ihrem neuen Roman
diese einengendem Schranken bewußt vermeidet,
so war es doch kein geringes Lob, daß die Kritik
nach ihrem ersten größeren Wert „Aus dem
Hause des alten Freiherrn" auf eine Ver¬
wandtschaft mit dem großen Künstler schloß,,
der inzwischen die allzumüden Augen geschlossen
hat. Seitdem ist Frau von Bodisco immer
mehr ihre eigenen Wege gewandelt und tritt
uns nun als eine der geistigsten und geist¬
vollsten Schriftstellerinnen entgegen. Ihr
Buch ist kein öde-spannender Kricgsroman,
wir haben derer zur Genüge aus den Händen
gelegt, auch keine Studie psychologischer Photo¬
graphie, wie sie selbst aus der Feder eines
Paul Vourget freudlos geworden sind, auch
kein Bädecker durch Estland, diese Ultima
Thule im deutschen Sprachgebiet. Und doch
eine packende, historisch und menschlich weit
ausgreifende, tief eingreifende Schilderung
aus der schon so sern entrückten Kriegszeit,
Die Eigenart von Frau von Bodisco ist
bei aller Wärme und Echtheit des eigenen
Empfindens, bei der Tragik der von ihr
geschilderten verklingenden Welt, ein gewisses
verhaltenes Mer-den-Dingen-stehen. Die Ge¬
stalten hoher baltischer Kultur, die sie mit so
feinem Pinsel zu malen weiß, stehen kraft der
unaufhaltsamen Geschichte — wer kann da
seicht von Schuld reden? — am Scheidewege,
in der Scheidestunde. Theophile aom Bodisco
führt uns zu tiefer Erkenntnis, wie auch die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/332>, abgerufen am 04.05.2024.