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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Altes und neues Heer

der Revolution sowie den Angehörigen der Abwicklnngsstellsn die Pfründen nicht
zu rauben.

Marineoffiziere übernehmen die Überführung der deutschen Flotte nach
Scapa Flow; in der Hoffnung, daß sie und nicht die Mairosenräte, denen jedes
Verständnis für die Ehre einer Flotte im Augenblick versiegt ist, über das Ende
der Flotte bestimmen werden. Die Versenkung von Scapa Flow ist ihr Werk
und das weniger Mannschaften, während die große Masse im Laufe der Zeit sich
immerhin schon soweit entwickelt hatte, daß sie sich nicht mehr sträubte, sondern
sich duldend verhielt.

Seit Scapa Flow gibt es eine Reichsmcirine.


Marine als Armee

Als im Januar 1919 die Kommunisten die Regierung Ebert bemnnten, eilt
ihr die Kieler Eiserne Brigade, aktive Berufssoldaten der Marine, meist Deckoffiziere
und Unteroffiziere, zu Hilfe. Während der nächsten zwei Jahre sind alle nicht
revolutionären Kräfte der Marine, Offiziere wie Unteroffiziere und Mannschaften
bei den Freikorps zu finden, und jeder holt sich auf seinem Posten Ehre und
Achtung für die Marine wieder; denn die Energie, die leichte Anpassungsfähigkeit,
die vielseitige Verwendungsmöglichkeit und das Draufgängertum werden geschätzt.

Es entstehen die Marinebrigaden Ehrhardt und Loewenfeld, die bald als
militärisch hervorragendste Truppen bekannt sind. Sie enthalten starke Offiziers¬
kontingente. Der Grund ihres Entstehens ist letzten Endes die Notwendigkeit, ein
Gegenstück zu der Abwicklungsmarine in Kiel und Wilhelmshaven zu schaffen, aus
der die Reichsmcirine niemals hervorgehen konnte, wenn sie nicht von vornherein
eine tote Geburt fein sollte. Es wäre marinepolitisch dringend notwendig gewesen,
nach der ersten Festigung der Marinebrigaden, diese an die Küste zurückzuziehen
und mit ihnen die Marine aufzubauen. Aber Regierung und Armeeleitung ließen
die Brigaden nicht los, so daß sie bis zum März 1920 (Kapp - Pulses) für den
Aufbau der Marine ausfielen, der dadurch nicht vorwärts kam, und hinter dem
der Reichswehr sehr zurückblieb.

Das Drängen der Marine, Landformationen aufzustellen, war verständlich;
denn Schiffe zu besetzen gab es im Augenblick nicht und der Neuaufbau der Dizsiplin
gelang an Land schneller als an Bord.

Als Ersatz für die bei der Armee flehenden Marinebrigaden gründet man
Frühsommer 1919 Küstenwehrabteilungen und damit eine Armeemarine. Da
die Marinebrigade über genug Armeeoffiziere und -Unteroffiziere verfügte, konnte
sie ohne Schaden für ihre Kampffähigkeit und ihre Manneszucht Matrosen im
Landdienst verwenden, während die Küstenwehrabteilungen aus Mangel an Armee¬
personal das ganze erste Jahr hindurch militärisch nichts taugten und disziplinar
^Ach nicht, weil den Vorgesetzten die notwendigen Erfahrungen mangelten, um
jederzeit Autorität zu sein.


Märinekappzeit

Der Kapp°Pulses sieht die Marine als ein langsam sich festigendes Ge¬
bilde, wo jedoch der leiseste Anstoß genügt, um es zu zerstören. Das geschieht
dann auch gründlich. Es wiederholen sich auch äußerlich die Vorgänge des
9- November. Der Kapp-Pulses bringt aber der Marine die Lösung der Frage.


Altes und neues Heer

der Revolution sowie den Angehörigen der Abwicklnngsstellsn die Pfründen nicht
zu rauben.

Marineoffiziere übernehmen die Überführung der deutschen Flotte nach
Scapa Flow; in der Hoffnung, daß sie und nicht die Mairosenräte, denen jedes
Verständnis für die Ehre einer Flotte im Augenblick versiegt ist, über das Ende
der Flotte bestimmen werden. Die Versenkung von Scapa Flow ist ihr Werk
und das weniger Mannschaften, während die große Masse im Laufe der Zeit sich
immerhin schon soweit entwickelt hatte, daß sie sich nicht mehr sträubte, sondern
sich duldend verhielt.

Seit Scapa Flow gibt es eine Reichsmcirine.


Marine als Armee

Als im Januar 1919 die Kommunisten die Regierung Ebert bemnnten, eilt
ihr die Kieler Eiserne Brigade, aktive Berufssoldaten der Marine, meist Deckoffiziere
und Unteroffiziere, zu Hilfe. Während der nächsten zwei Jahre sind alle nicht
revolutionären Kräfte der Marine, Offiziere wie Unteroffiziere und Mannschaften
bei den Freikorps zu finden, und jeder holt sich auf seinem Posten Ehre und
Achtung für die Marine wieder; denn die Energie, die leichte Anpassungsfähigkeit,
die vielseitige Verwendungsmöglichkeit und das Draufgängertum werden geschätzt.

Es entstehen die Marinebrigaden Ehrhardt und Loewenfeld, die bald als
militärisch hervorragendste Truppen bekannt sind. Sie enthalten starke Offiziers¬
kontingente. Der Grund ihres Entstehens ist letzten Endes die Notwendigkeit, ein
Gegenstück zu der Abwicklungsmarine in Kiel und Wilhelmshaven zu schaffen, aus
der die Reichsmcirine niemals hervorgehen konnte, wenn sie nicht von vornherein
eine tote Geburt fein sollte. Es wäre marinepolitisch dringend notwendig gewesen,
nach der ersten Festigung der Marinebrigaden, diese an die Küste zurückzuziehen
und mit ihnen die Marine aufzubauen. Aber Regierung und Armeeleitung ließen
die Brigaden nicht los, so daß sie bis zum März 1920 (Kapp - Pulses) für den
Aufbau der Marine ausfielen, der dadurch nicht vorwärts kam, und hinter dem
der Reichswehr sehr zurückblieb.

Das Drängen der Marine, Landformationen aufzustellen, war verständlich;
denn Schiffe zu besetzen gab es im Augenblick nicht und der Neuaufbau der Dizsiplin
gelang an Land schneller als an Bord.

Als Ersatz für die bei der Armee flehenden Marinebrigaden gründet man
Frühsommer 1919 Küstenwehrabteilungen und damit eine Armeemarine. Da
die Marinebrigade über genug Armeeoffiziere und -Unteroffiziere verfügte, konnte
sie ohne Schaden für ihre Kampffähigkeit und ihre Manneszucht Matrosen im
Landdienst verwenden, während die Küstenwehrabteilungen aus Mangel an Armee¬
personal das ganze erste Jahr hindurch militärisch nichts taugten und disziplinar
^Ach nicht, weil den Vorgesetzten die notwendigen Erfahrungen mangelten, um
jederzeit Autorität zu sein.


Märinekappzeit

Der Kapp°Pulses sieht die Marine als ein langsam sich festigendes Ge¬
bilde, wo jedoch der leiseste Anstoß genügt, um es zu zerstören. Das geschieht
dann auch gründlich. Es wiederholen sich auch äußerlich die Vorgänge des
9- November. Der Kapp-Pulses bringt aber der Marine die Lösung der Frage.


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[0157] Altes und neues Heer der Revolution sowie den Angehörigen der Abwicklnngsstellsn die Pfründen nicht zu rauben. Marineoffiziere übernehmen die Überführung der deutschen Flotte nach Scapa Flow; in der Hoffnung, daß sie und nicht die Mairosenräte, denen jedes Verständnis für die Ehre einer Flotte im Augenblick versiegt ist, über das Ende der Flotte bestimmen werden. Die Versenkung von Scapa Flow ist ihr Werk und das weniger Mannschaften, während die große Masse im Laufe der Zeit sich immerhin schon soweit entwickelt hatte, daß sie sich nicht mehr sträubte, sondern sich duldend verhielt. Seit Scapa Flow gibt es eine Reichsmcirine. Marine als Armee Als im Januar 1919 die Kommunisten die Regierung Ebert bemnnten, eilt ihr die Kieler Eiserne Brigade, aktive Berufssoldaten der Marine, meist Deckoffiziere und Unteroffiziere, zu Hilfe. Während der nächsten zwei Jahre sind alle nicht revolutionären Kräfte der Marine, Offiziere wie Unteroffiziere und Mannschaften bei den Freikorps zu finden, und jeder holt sich auf seinem Posten Ehre und Achtung für die Marine wieder; denn die Energie, die leichte Anpassungsfähigkeit, die vielseitige Verwendungsmöglichkeit und das Draufgängertum werden geschätzt. Es entstehen die Marinebrigaden Ehrhardt und Loewenfeld, die bald als militärisch hervorragendste Truppen bekannt sind. Sie enthalten starke Offiziers¬ kontingente. Der Grund ihres Entstehens ist letzten Endes die Notwendigkeit, ein Gegenstück zu der Abwicklungsmarine in Kiel und Wilhelmshaven zu schaffen, aus der die Reichsmcirine niemals hervorgehen konnte, wenn sie nicht von vornherein eine tote Geburt fein sollte. Es wäre marinepolitisch dringend notwendig gewesen, nach der ersten Festigung der Marinebrigaden, diese an die Küste zurückzuziehen und mit ihnen die Marine aufzubauen. Aber Regierung und Armeeleitung ließen die Brigaden nicht los, so daß sie bis zum März 1920 (Kapp - Pulses) für den Aufbau der Marine ausfielen, der dadurch nicht vorwärts kam, und hinter dem der Reichswehr sehr zurückblieb. Das Drängen der Marine, Landformationen aufzustellen, war verständlich; denn Schiffe zu besetzen gab es im Augenblick nicht und der Neuaufbau der Dizsiplin gelang an Land schneller als an Bord. Als Ersatz für die bei der Armee flehenden Marinebrigaden gründet man Frühsommer 1919 Küstenwehrabteilungen und damit eine Armeemarine. Da die Marinebrigade über genug Armeeoffiziere und -Unteroffiziere verfügte, konnte sie ohne Schaden für ihre Kampffähigkeit und ihre Manneszucht Matrosen im Landdienst verwenden, während die Küstenwehrabteilungen aus Mangel an Armee¬ personal das ganze erste Jahr hindurch militärisch nichts taugten und disziplinar ^Ach nicht, weil den Vorgesetzten die notwendigen Erfahrungen mangelten, um jederzeit Autorität zu sein. Märinekappzeit Der Kapp°Pulses sieht die Marine als ein langsam sich festigendes Ge¬ bilde, wo jedoch der leiseste Anstoß genügt, um es zu zerstören. Das geschieht dann auch gründlich. Es wiederholen sich auch äußerlich die Vorgänge des 9- November. Der Kapp-Pulses bringt aber der Marine die Lösung der Frage.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/157>, abgerufen am 29.04.2024.