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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Kriegführung und Politik

dir Basis des Throns ständig verbreiterte". Wurde der Moment hierfür verpaßt,
wie 1848, kam es zu Unstimmigkeiten. Die Leistung des Volkes im Weltkriege
erheischt, daß es fortan in seiner Gesamtheit zum Mitarbeiter der Krone berufen,
wird. Die Entwicklung unserer Institutionen erfolgt freilich nach ihren: einge¬
borenen Gesetz. Vom Ausland brauchen wir weder Belehrung noch Vorbilder."
Ich kam dann zum Schluß. "Es ist zu hoffen, daß der Krieg als
reinigendes Gewitter wirkt. Darüber, daß wir dort nicht wieder an¬
knüpfen dürfen, wo wir bei Kriegsbeginn aufgehört, haben, ist sich
alle Welt einig. Was aber werden soll, weiß noch keiner. Mnu kann
jedoch bestimmt mitgeben, was nicht kommen darf. Der Friede darf keine Fort¬
setzung des Krieges mit anderen Mitteln werden. Daß ein goldenes Zeitalter vor
der Tür steht, ist nicht zu erwarten. Mensch bleibt Mensch. Wirklicher Mensch
ist aber nnr, wer sich ein Ideal vor Augen stellt, auf das er hinarbeitet, wenn
"und ohne Aussicht, es je ganz zu erreichen. Ein solches Ideal für das spätere.
Völkerverhnltnis zu skizzieren, ist schon oft versucht worden. Bon der Wirklich¬
keit sind nur Annäherungswerte zu erwarten." (Fortsetzung folgt.)




Ariegführung und Politik
Dcis neueste Werk Ludendorffs über den Weltkrieg
Hans Ulrich von II.
Die Politik

at unsere gesamte Politik, die innere wie die äußere, im Sinne
Clansewitzscher und Bismarctscher Auffassung, so wie es der wahre
Krieg verlangt, im Dienste der Kriegführung gestanden? -- Wir
haben bereits bei Beurteilung der rein militärischen Seite des
neuen Ludendorff-Buches festgestellt, nein. Die politische Leitung
Deutschlands hat den Krieg von Anfang an nicht in seinem wahren Wesen er¬
kannt, und sie hat dies auch während des Krieges nicht gelernt.

"Das Versagen des politischen Gefühls und gefunden Willens des Reichs¬
kanzlers auf dem Gebiete der Wehrkraftpolitik ist das traurigste Wahrzeichen
des Deutschlands vor dem Weltkriege. Es ist die Ausgeburt der haltlosen Schwäche
der Regierung in innerpolitischen Fragen; denn leider war die Wehrkraftpolitik
bei uus ein Bestandteil der inneren Politik. Es ist die. traurige Folge jenes
international-pazifistischen Denkens, dessen oberster Vertreter der Reichskanzler
". Bethmann war. Es überwog im Auswärtigen Amt, in einzelnen Reichs- und
Gtaatsämtern, im Reichstag und in breiten Kreisen des Volkes und betrachtete
ganz im Sinne der feindlichen Mächte und ihrer Propaganda - jeden als
Schädling, der unbeirrt auf das Verderbliche dieses Denkens hinwies und für die
Wehrhaftmachung des Volkes und die tatsächliche Durchführung der Wehrpflicht


Kriegführung und Politik

dir Basis des Throns ständig verbreiterte«. Wurde der Moment hierfür verpaßt,
wie 1848, kam es zu Unstimmigkeiten. Die Leistung des Volkes im Weltkriege
erheischt, daß es fortan in seiner Gesamtheit zum Mitarbeiter der Krone berufen,
wird. Die Entwicklung unserer Institutionen erfolgt freilich nach ihren: einge¬
borenen Gesetz. Vom Ausland brauchen wir weder Belehrung noch Vorbilder."
Ich kam dann zum Schluß. „Es ist zu hoffen, daß der Krieg als
reinigendes Gewitter wirkt. Darüber, daß wir dort nicht wieder an¬
knüpfen dürfen, wo wir bei Kriegsbeginn aufgehört, haben, ist sich
alle Welt einig. Was aber werden soll, weiß noch keiner. Mnu kann
jedoch bestimmt mitgeben, was nicht kommen darf. Der Friede darf keine Fort¬
setzung des Krieges mit anderen Mitteln werden. Daß ein goldenes Zeitalter vor
der Tür steht, ist nicht zu erwarten. Mensch bleibt Mensch. Wirklicher Mensch
ist aber nnr, wer sich ein Ideal vor Augen stellt, auf das er hinarbeitet, wenn
«und ohne Aussicht, es je ganz zu erreichen. Ein solches Ideal für das spätere.
Völkerverhnltnis zu skizzieren, ist schon oft versucht worden. Bon der Wirklich¬
keit sind nur Annäherungswerte zu erwarten." (Fortsetzung folgt.)




Ariegführung und Politik
Dcis neueste Werk Ludendorffs über den Weltkrieg
Hans Ulrich von II.
Die Politik

at unsere gesamte Politik, die innere wie die äußere, im Sinne
Clansewitzscher und Bismarctscher Auffassung, so wie es der wahre
Krieg verlangt, im Dienste der Kriegführung gestanden? — Wir
haben bereits bei Beurteilung der rein militärischen Seite des
neuen Ludendorff-Buches festgestellt, nein. Die politische Leitung
Deutschlands hat den Krieg von Anfang an nicht in seinem wahren Wesen er¬
kannt, und sie hat dies auch während des Krieges nicht gelernt.

„Das Versagen des politischen Gefühls und gefunden Willens des Reichs¬
kanzlers auf dem Gebiete der Wehrkraftpolitik ist das traurigste Wahrzeichen
des Deutschlands vor dem Weltkriege. Es ist die Ausgeburt der haltlosen Schwäche
der Regierung in innerpolitischen Fragen; denn leider war die Wehrkraftpolitik
bei uus ein Bestandteil der inneren Politik. Es ist die. traurige Folge jenes
international-pazifistischen Denkens, dessen oberster Vertreter der Reichskanzler
». Bethmann war. Es überwog im Auswärtigen Amt, in einzelnen Reichs- und
Gtaatsämtern, im Reichstag und in breiten Kreisen des Volkes und betrachtete
ganz im Sinne der feindlichen Mächte und ihrer Propaganda - jeden als
Schädling, der unbeirrt auf das Verderbliche dieses Denkens hinwies und für die
Wehrhaftmachung des Volkes und die tatsächliche Durchführung der Wehrpflicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/242>, abgerufen am 28.04.2024.