Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Altes und neues Heer

Der republikanische Offizier.

". . . Das Kaiserreich ist für
die Zeit, in der ich vorwärts kommen will, erledigt. Man muß Republikaner um sich
sammeln, auch in der Wehrmacht, und die Monarchisten ersetzen. Schritt um
Schritt. Ich habe meinen Eid auf die Republik geschworen. Ich halte ihn.
Und kommt der Tag, wo eine Krisis die monarchistischen Offiziere der Wehrmacht
wankelmütig findet, so führe ich nicht bloß die Kompagnie, sondern das Bataillon
und setze jene hinter Schloß und Riegel. Das bin ich meinem Eide und meinem
Vorwärtskommen schuldig . . ."


Der demokratische Offizier.

". . . Nachdem im Kriege wahl¬
haft genug Blut geflossen, nachdem der Bürgerkrieg 1919 Tausende von Opfern
geschluckt und der Kapp-Pulses tiefe Wunden gerissen hat, und wir gemerkt
haben, daß die Herrschaft der Mehrheit nicht von einer kleinen Minderheit ge-
brochen werden kann, sollte es da nicht Zeit sein, sich mutig zur Demokratie zu
bekennen, zu jener Demokratie, die ein für allemal den Mehrheitswillen respektiert
und obendrein theoretisch jedem Staatsbürger das größtmögliche Glück gewährt?
Nicht, daß ich demokratisch erzogen worden bin und mir deshalb diese Gedanken
kommen. Sondern sie stammen schon aus dem Kriege, wo ich sah, daß sich das
Volk nicht regieren lassen wollte, keine Führerschicht anerkennen wollte. Warum
drängt sich diese Führerschicht immer wieder auf, immer wieder, immer wieder.
Mag die Demokratie dem Volke und dem einzelnen sein Schicksal vorschreiben!
Und dann: Wenn ich auf der rechten Seite jene Borniertheit sehe, die führen
will, mit Gewalt führen will, ohne außer der Gewalt wenig zu besitzen, wenig
Ideen, wenig Geist, keine Ethik für die Massen, keinen Schwung und keinen Mut.
wenn ich in der Mitte alle jene Geister sehe, der Kunst, der Literatur, der Wissen¬
schaft, die produktiv sind, neue Wege weisen und vorwärts stürmen, und denen
man rechts in geheimrätlicher und professoraler Borniertheit die Türen verschlossen
hat und verschließt: sollte ich mich da nicht zur Demokratie bekennen? Sollte
ich nicht noch weiter nach links rücken? Nach dort, wo außer der Demokratie
noch eine soziale Weltanschauung herrscht (scheinbar, denn sie ist mir noch nicht
zum Erlebnis geworden, so daß ich sie nachprüfen kann)? Sollten wir Offiziere
uns nicht zur Sozialdemokratie bekennen, weil wir doch eine Idee brauchen, nach¬
dem uns unsere Kaiseridee geraubt ist? Sollten wir uns nicht der Demokratie
zuwenden, weil unser Volk genug gelitten hat und keine außergewöhnlichen Taten,
und seien sie noch so weitschauend, weder von rechts noch von links, sehen will?
Nur Ruhe haben, nur Demokratie? ..."


Der kaiserliche Offizier.

" . . . Wir bleiben, was wir waren:
das ist unser Sinnspruch. Wenn ich das Vaterland sehe, beherrscht von Menschen,
die sich und das Volk begaukeln: Mit schönen Worten, mit vielen Worten. Mit
herrlichen Ideen und vielen Ideen. Mit schnellen Taten, mit vorschnellen Taten,
die wohl im Augenblick die Not lindern, für die Augenblicks-Republik. Was
aber, wenn die Hilfsquellen und die Männer aus der Kaiserzeit abgewirtschaftet


Altes und neues Heer

Der republikanische Offizier.

„. . . Das Kaiserreich ist für
die Zeit, in der ich vorwärts kommen will, erledigt. Man muß Republikaner um sich
sammeln, auch in der Wehrmacht, und die Monarchisten ersetzen. Schritt um
Schritt. Ich habe meinen Eid auf die Republik geschworen. Ich halte ihn.
Und kommt der Tag, wo eine Krisis die monarchistischen Offiziere der Wehrmacht
wankelmütig findet, so führe ich nicht bloß die Kompagnie, sondern das Bataillon
und setze jene hinter Schloß und Riegel. Das bin ich meinem Eide und meinem
Vorwärtskommen schuldig . . ."


Der demokratische Offizier.

„. . . Nachdem im Kriege wahl¬
haft genug Blut geflossen, nachdem der Bürgerkrieg 1919 Tausende von Opfern
geschluckt und der Kapp-Pulses tiefe Wunden gerissen hat, und wir gemerkt
haben, daß die Herrschaft der Mehrheit nicht von einer kleinen Minderheit ge-
brochen werden kann, sollte es da nicht Zeit sein, sich mutig zur Demokratie zu
bekennen, zu jener Demokratie, die ein für allemal den Mehrheitswillen respektiert
und obendrein theoretisch jedem Staatsbürger das größtmögliche Glück gewährt?
Nicht, daß ich demokratisch erzogen worden bin und mir deshalb diese Gedanken
kommen. Sondern sie stammen schon aus dem Kriege, wo ich sah, daß sich das
Volk nicht regieren lassen wollte, keine Führerschicht anerkennen wollte. Warum
drängt sich diese Führerschicht immer wieder auf, immer wieder, immer wieder.
Mag die Demokratie dem Volke und dem einzelnen sein Schicksal vorschreiben!
Und dann: Wenn ich auf der rechten Seite jene Borniertheit sehe, die führen
will, mit Gewalt führen will, ohne außer der Gewalt wenig zu besitzen, wenig
Ideen, wenig Geist, keine Ethik für die Massen, keinen Schwung und keinen Mut.
wenn ich in der Mitte alle jene Geister sehe, der Kunst, der Literatur, der Wissen¬
schaft, die produktiv sind, neue Wege weisen und vorwärts stürmen, und denen
man rechts in geheimrätlicher und professoraler Borniertheit die Türen verschlossen
hat und verschließt: sollte ich mich da nicht zur Demokratie bekennen? Sollte
ich nicht noch weiter nach links rücken? Nach dort, wo außer der Demokratie
noch eine soziale Weltanschauung herrscht (scheinbar, denn sie ist mir noch nicht
zum Erlebnis geworden, so daß ich sie nachprüfen kann)? Sollten wir Offiziere
uns nicht zur Sozialdemokratie bekennen, weil wir doch eine Idee brauchen, nach¬
dem uns unsere Kaiseridee geraubt ist? Sollten wir uns nicht der Demokratie
zuwenden, weil unser Volk genug gelitten hat und keine außergewöhnlichen Taten,
und seien sie noch so weitschauend, weder von rechts noch von links, sehen will?
Nur Ruhe haben, nur Demokratie? ..."


Der kaiserliche Offizier.

„ . . . Wir bleiben, was wir waren:
das ist unser Sinnspruch. Wenn ich das Vaterland sehe, beherrscht von Menschen,
die sich und das Volk begaukeln: Mit schönen Worten, mit vielen Worten. Mit
herrlichen Ideen und vielen Ideen. Mit schnellen Taten, mit vorschnellen Taten,
die wohl im Augenblick die Not lindern, für die Augenblicks-Republik. Was
aber, wenn die Hilfsquellen und die Männer aus der Kaiserzeit abgewirtschaftet


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0253" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339802"/>
            <fw type="header" place="top"> Altes und neues Heer</fw><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Der republikanische Offizier.</head>
            <p xml:id="ID_997"> &#x201E;. . . Das Kaiserreich ist für<lb/>
die Zeit, in der ich vorwärts kommen will, erledigt. Man muß Republikaner um sich<lb/>
sammeln, auch in der Wehrmacht, und die Monarchisten ersetzen. Schritt um<lb/>
Schritt. Ich habe meinen Eid auf die Republik geschworen. Ich halte ihn.<lb/>
Und kommt der Tag, wo eine Krisis die monarchistischen Offiziere der Wehrmacht<lb/>
wankelmütig findet, so führe ich nicht bloß die Kompagnie, sondern das Bataillon<lb/>
und setze jene hinter Schloß und Riegel. Das bin ich meinem Eide und meinem<lb/>
Vorwärtskommen schuldig . . ."</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Der demokratische Offizier.</head>
            <p xml:id="ID_998"> &#x201E;. . . Nachdem im Kriege wahl¬<lb/>
haft genug Blut geflossen, nachdem der Bürgerkrieg 1919 Tausende von Opfern<lb/>
geschluckt und der Kapp-Pulses tiefe Wunden gerissen hat, und wir gemerkt<lb/>
haben, daß die Herrschaft der Mehrheit nicht von einer kleinen Minderheit ge-<lb/>
brochen werden kann, sollte es da nicht Zeit sein, sich mutig zur Demokratie zu<lb/>
bekennen, zu jener Demokratie, die ein für allemal den Mehrheitswillen respektiert<lb/>
und obendrein theoretisch jedem Staatsbürger das größtmögliche Glück gewährt?<lb/>
Nicht, daß ich demokratisch erzogen worden bin und mir deshalb diese Gedanken<lb/>
kommen. Sondern sie stammen schon aus dem Kriege, wo ich sah, daß sich das<lb/>
Volk nicht regieren lassen wollte, keine Führerschicht anerkennen wollte. Warum<lb/>
drängt sich diese Führerschicht immer wieder auf, immer wieder, immer wieder.<lb/>
Mag die Demokratie dem Volke und dem einzelnen sein Schicksal vorschreiben!<lb/>
Und dann: Wenn ich auf der rechten Seite jene Borniertheit sehe, die führen<lb/>
will, mit Gewalt führen will, ohne außer der Gewalt wenig zu besitzen, wenig<lb/>
Ideen, wenig Geist, keine Ethik für die Massen, keinen Schwung und keinen Mut.<lb/>
wenn ich in der Mitte alle jene Geister sehe, der Kunst, der Literatur, der Wissen¬<lb/>
schaft, die produktiv sind, neue Wege weisen und vorwärts stürmen, und denen<lb/>
man rechts in geheimrätlicher und professoraler Borniertheit die Türen verschlossen<lb/>
hat und verschließt: sollte ich mich da nicht zur Demokratie bekennen? Sollte<lb/>
ich nicht noch weiter nach links rücken? Nach dort, wo außer der Demokratie<lb/>
noch eine soziale Weltanschauung herrscht (scheinbar, denn sie ist mir noch nicht<lb/>
zum Erlebnis geworden, so daß ich sie nachprüfen kann)? Sollten wir Offiziere<lb/>
uns nicht zur Sozialdemokratie bekennen, weil wir doch eine Idee brauchen, nach¬<lb/>
dem uns unsere Kaiseridee geraubt ist? Sollten wir uns nicht der Demokratie<lb/>
zuwenden, weil unser Volk genug gelitten hat und keine außergewöhnlichen Taten,<lb/>
und seien sie noch so weitschauend, weder von rechts noch von links, sehen will?<lb/>
Nur Ruhe haben, nur Demokratie? ..."</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Der kaiserliche Offizier.</head>
            <p xml:id="ID_999" next="#ID_1000"> &#x201E; . . . Wir bleiben, was wir waren:<lb/>
das ist unser Sinnspruch. Wenn ich das Vaterland sehe, beherrscht von Menschen,<lb/>
die sich und das Volk begaukeln: Mit schönen Worten, mit vielen Worten. Mit<lb/>
herrlichen Ideen und vielen Ideen. Mit schnellen Taten, mit vorschnellen Taten,<lb/>
die wohl im Augenblick die Not lindern, für die Augenblicks-Republik. Was<lb/>
aber, wenn die Hilfsquellen und die Männer aus der Kaiserzeit abgewirtschaftet</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0253] Altes und neues Heer Der republikanische Offizier. „. . . Das Kaiserreich ist für die Zeit, in der ich vorwärts kommen will, erledigt. Man muß Republikaner um sich sammeln, auch in der Wehrmacht, und die Monarchisten ersetzen. Schritt um Schritt. Ich habe meinen Eid auf die Republik geschworen. Ich halte ihn. Und kommt der Tag, wo eine Krisis die monarchistischen Offiziere der Wehrmacht wankelmütig findet, so führe ich nicht bloß die Kompagnie, sondern das Bataillon und setze jene hinter Schloß und Riegel. Das bin ich meinem Eide und meinem Vorwärtskommen schuldig . . ." Der demokratische Offizier. „. . . Nachdem im Kriege wahl¬ haft genug Blut geflossen, nachdem der Bürgerkrieg 1919 Tausende von Opfern geschluckt und der Kapp-Pulses tiefe Wunden gerissen hat, und wir gemerkt haben, daß die Herrschaft der Mehrheit nicht von einer kleinen Minderheit ge- brochen werden kann, sollte es da nicht Zeit sein, sich mutig zur Demokratie zu bekennen, zu jener Demokratie, die ein für allemal den Mehrheitswillen respektiert und obendrein theoretisch jedem Staatsbürger das größtmögliche Glück gewährt? Nicht, daß ich demokratisch erzogen worden bin und mir deshalb diese Gedanken kommen. Sondern sie stammen schon aus dem Kriege, wo ich sah, daß sich das Volk nicht regieren lassen wollte, keine Führerschicht anerkennen wollte. Warum drängt sich diese Führerschicht immer wieder auf, immer wieder, immer wieder. Mag die Demokratie dem Volke und dem einzelnen sein Schicksal vorschreiben! Und dann: Wenn ich auf der rechten Seite jene Borniertheit sehe, die führen will, mit Gewalt führen will, ohne außer der Gewalt wenig zu besitzen, wenig Ideen, wenig Geist, keine Ethik für die Massen, keinen Schwung und keinen Mut. wenn ich in der Mitte alle jene Geister sehe, der Kunst, der Literatur, der Wissen¬ schaft, die produktiv sind, neue Wege weisen und vorwärts stürmen, und denen man rechts in geheimrätlicher und professoraler Borniertheit die Türen verschlossen hat und verschließt: sollte ich mich da nicht zur Demokratie bekennen? Sollte ich nicht noch weiter nach links rücken? Nach dort, wo außer der Demokratie noch eine soziale Weltanschauung herrscht (scheinbar, denn sie ist mir noch nicht zum Erlebnis geworden, so daß ich sie nachprüfen kann)? Sollten wir Offiziere uns nicht zur Sozialdemokratie bekennen, weil wir doch eine Idee brauchen, nach¬ dem uns unsere Kaiseridee geraubt ist? Sollten wir uns nicht der Demokratie zuwenden, weil unser Volk genug gelitten hat und keine außergewöhnlichen Taten, und seien sie noch so weitschauend, weder von rechts noch von links, sehen will? Nur Ruhe haben, nur Demokratie? ..." Der kaiserliche Offizier. „ . . . Wir bleiben, was wir waren: das ist unser Sinnspruch. Wenn ich das Vaterland sehe, beherrscht von Menschen, die sich und das Volk begaukeln: Mit schönen Worten, mit vielen Worten. Mit herrlichen Ideen und vielen Ideen. Mit schnellen Taten, mit vorschnellen Taten, die wohl im Augenblick die Not lindern, für die Augenblicks-Republik. Was aber, wenn die Hilfsquellen und die Männer aus der Kaiserzeit abgewirtschaftet

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/253
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/253>, abgerufen am 29.04.2024.