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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Altes und neues Heer

mich über den Kasernenhof hetzt, und der Offizier in eine andere Ecke blickt, und
wenn ich dann abends in der Kantine sitze, über sozialistische Schriften gebeugt,
und Arthur aus der Fabrik herüberkommt und uns aufklärt: so weiß ich, Mutter,
nur kurze Zeit, dann endet dies System. Ich aber bleibe hier und kommt der
Tag. dann sollst Du wissen, Mutter, daß im Regiment Dein Sohn regiert."


Der Bauernjunge.

". . . Ich war Gärtner. Meine Jugend ver¬
träumte ich auf Wiesen zwischen Blumen und Sonne, bei harter Arbeit auf sonnen-
überglänztem Acker und in der Dämmerung des abendrotdurchfluteten Waldes. Ich
liebte die gewaltige Größe und den heimlichen Glanz der Natur. Die Einheit
und den Glanz suchte ich bei den Menschen. Denn ich war einsam inmitten
meiner Blumen. Da kam ein Regiment, hielt Felddienst. Ich sah das Blitzen,
Blinken und hörte die Musik. Sah die graue Masse in ihrer klaren, einfachen
Linie, so wie mein Wald des Abends als blauer Strich so ruhevoll herüber
leuchtet. Sah den Glanz klarer Augen als die Seele dieser Masse, wie die
Blumen auf gleichmäßig grüner Wiese. Und die Soldaten inmitten meiner
Heimat, inmitten meiner Blumen, meines Waldes, meiner Heide. -- Ich hörte,
sie ständen in kleinen Garnisonen, auf dem Lande, in der Heide, meiner Heimat,
mit der ich so verwachsen war. Da wurde ich Soldat! Und wenn andere
schelten und schimpfen über den Kommiß, ich habe schweres Unrecht nie erfahren,
ein hartes Wort hat niemand mir gesagt. Ich glaube, eS liegt an den Menschen.
Wer vor den Augen immer Blumen und Wiesen sieht, im Sommer-Sonnenglanz
und -Frieden, dem wird auch alles zum Guten . . ."


Der Klein se adler.

". .. Trotzig lief ich von Hause fort. Sie wollten
mich immer ducken, sagten, ich wäre ein Kind und war doch schon 18 Jahr. Ging zu
den Soldaten, lief in die große Stadt. Wie gingen mir die Augen auf! Sie
lachten: "Du Provinzler, Du weißt ja nichts vom Leben!" Sie schleppten mich
durch Dreck und Schlamm, doch wenn ich nach Hause kam, so wusch ich mir die
Hände .... Und schrieb der Mutter: "Es sei mein Lebensziel, dem Vaterland
ein strammer Soldat zu sein. Laß mich ein Beispiel werden für hunderttausend
Anderer in Deutschland, wie man seine Pflicht tut."

Sie brachten mir Politik bei: ich lachte sie aus. Bei uns daheim regiert
der Bürgermeister, kein anderer sperrt das Maul aus und alles geht so still bei
uns. wir merken nichts vom Zwang des Staates. Doch Ihr, die Ihr die
Politik macht in der großen Stadt, in den Ländern und im Reich, mit Euren
Männern, die vor vielem Reden und Konferenzen zum Arbeiten nicht kommen
können, mit Eurer Presse, in der Ihr Euch auseinandersetzt und das langsame
Werden des Staates ausplaudert, bevor es wahr wird: Glaubt mir, Ihr hört
so viel vom Staat, werdet so laut regiert, doch in unserer kleinen Stadt, da lacht
man über Euch und Eure Politik. Ich will davon nichts hören, will Soldat
sein, und auf meinen Hauptmattn schwören, mehr nicht ..."


Altes und neues Heer

mich über den Kasernenhof hetzt, und der Offizier in eine andere Ecke blickt, und
wenn ich dann abends in der Kantine sitze, über sozialistische Schriften gebeugt,
und Arthur aus der Fabrik herüberkommt und uns aufklärt: so weiß ich, Mutter,
nur kurze Zeit, dann endet dies System. Ich aber bleibe hier und kommt der
Tag. dann sollst Du wissen, Mutter, daß im Regiment Dein Sohn regiert."


Der Bauernjunge.

„. . . Ich war Gärtner. Meine Jugend ver¬
träumte ich auf Wiesen zwischen Blumen und Sonne, bei harter Arbeit auf sonnen-
überglänztem Acker und in der Dämmerung des abendrotdurchfluteten Waldes. Ich
liebte die gewaltige Größe und den heimlichen Glanz der Natur. Die Einheit
und den Glanz suchte ich bei den Menschen. Denn ich war einsam inmitten
meiner Blumen. Da kam ein Regiment, hielt Felddienst. Ich sah das Blitzen,
Blinken und hörte die Musik. Sah die graue Masse in ihrer klaren, einfachen
Linie, so wie mein Wald des Abends als blauer Strich so ruhevoll herüber
leuchtet. Sah den Glanz klarer Augen als die Seele dieser Masse, wie die
Blumen auf gleichmäßig grüner Wiese. Und die Soldaten inmitten meiner
Heimat, inmitten meiner Blumen, meines Waldes, meiner Heide. — Ich hörte,
sie ständen in kleinen Garnisonen, auf dem Lande, in der Heide, meiner Heimat,
mit der ich so verwachsen war. Da wurde ich Soldat! Und wenn andere
schelten und schimpfen über den Kommiß, ich habe schweres Unrecht nie erfahren,
ein hartes Wort hat niemand mir gesagt. Ich glaube, eS liegt an den Menschen.
Wer vor den Augen immer Blumen und Wiesen sieht, im Sommer-Sonnenglanz
und -Frieden, dem wird auch alles zum Guten . . ."


Der Klein se adler.

„. .. Trotzig lief ich von Hause fort. Sie wollten
mich immer ducken, sagten, ich wäre ein Kind und war doch schon 18 Jahr. Ging zu
den Soldaten, lief in die große Stadt. Wie gingen mir die Augen auf! Sie
lachten: „Du Provinzler, Du weißt ja nichts vom Leben!" Sie schleppten mich
durch Dreck und Schlamm, doch wenn ich nach Hause kam, so wusch ich mir die
Hände .... Und schrieb der Mutter: „Es sei mein Lebensziel, dem Vaterland
ein strammer Soldat zu sein. Laß mich ein Beispiel werden für hunderttausend
Anderer in Deutschland, wie man seine Pflicht tut."

Sie brachten mir Politik bei: ich lachte sie aus. Bei uns daheim regiert
der Bürgermeister, kein anderer sperrt das Maul aus und alles geht so still bei
uns. wir merken nichts vom Zwang des Staates. Doch Ihr, die Ihr die
Politik macht in der großen Stadt, in den Ländern und im Reich, mit Euren
Männern, die vor vielem Reden und Konferenzen zum Arbeiten nicht kommen
können, mit Eurer Presse, in der Ihr Euch auseinandersetzt und das langsame
Werden des Staates ausplaudert, bevor es wahr wird: Glaubt mir, Ihr hört
so viel vom Staat, werdet so laut regiert, doch in unserer kleinen Stadt, da lacht
man über Euch und Eure Politik. Ich will davon nichts hören, will Soldat
sein, und auf meinen Hauptmattn schwören, mehr nicht ..."


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[0256] Altes und neues Heer mich über den Kasernenhof hetzt, und der Offizier in eine andere Ecke blickt, und wenn ich dann abends in der Kantine sitze, über sozialistische Schriften gebeugt, und Arthur aus der Fabrik herüberkommt und uns aufklärt: so weiß ich, Mutter, nur kurze Zeit, dann endet dies System. Ich aber bleibe hier und kommt der Tag. dann sollst Du wissen, Mutter, daß im Regiment Dein Sohn regiert." Der Bauernjunge. „. . . Ich war Gärtner. Meine Jugend ver¬ träumte ich auf Wiesen zwischen Blumen und Sonne, bei harter Arbeit auf sonnen- überglänztem Acker und in der Dämmerung des abendrotdurchfluteten Waldes. Ich liebte die gewaltige Größe und den heimlichen Glanz der Natur. Die Einheit und den Glanz suchte ich bei den Menschen. Denn ich war einsam inmitten meiner Blumen. Da kam ein Regiment, hielt Felddienst. Ich sah das Blitzen, Blinken und hörte die Musik. Sah die graue Masse in ihrer klaren, einfachen Linie, so wie mein Wald des Abends als blauer Strich so ruhevoll herüber leuchtet. Sah den Glanz klarer Augen als die Seele dieser Masse, wie die Blumen auf gleichmäßig grüner Wiese. Und die Soldaten inmitten meiner Heimat, inmitten meiner Blumen, meines Waldes, meiner Heide. — Ich hörte, sie ständen in kleinen Garnisonen, auf dem Lande, in der Heide, meiner Heimat, mit der ich so verwachsen war. Da wurde ich Soldat! Und wenn andere schelten und schimpfen über den Kommiß, ich habe schweres Unrecht nie erfahren, ein hartes Wort hat niemand mir gesagt. Ich glaube, eS liegt an den Menschen. Wer vor den Augen immer Blumen und Wiesen sieht, im Sommer-Sonnenglanz und -Frieden, dem wird auch alles zum Guten . . ." Der Klein se adler. „. .. Trotzig lief ich von Hause fort. Sie wollten mich immer ducken, sagten, ich wäre ein Kind und war doch schon 18 Jahr. Ging zu den Soldaten, lief in die große Stadt. Wie gingen mir die Augen auf! Sie lachten: „Du Provinzler, Du weißt ja nichts vom Leben!" Sie schleppten mich durch Dreck und Schlamm, doch wenn ich nach Hause kam, so wusch ich mir die Hände .... Und schrieb der Mutter: „Es sei mein Lebensziel, dem Vaterland ein strammer Soldat zu sein. Laß mich ein Beispiel werden für hunderttausend Anderer in Deutschland, wie man seine Pflicht tut." Sie brachten mir Politik bei: ich lachte sie aus. Bei uns daheim regiert der Bürgermeister, kein anderer sperrt das Maul aus und alles geht so still bei uns. wir merken nichts vom Zwang des Staates. Doch Ihr, die Ihr die Politik macht in der großen Stadt, in den Ländern und im Reich, mit Euren Männern, die vor vielem Reden und Konferenzen zum Arbeiten nicht kommen können, mit Eurer Presse, in der Ihr Euch auseinandersetzt und das langsame Werden des Staates ausplaudert, bevor es wahr wird: Glaubt mir, Ihr hört so viel vom Staat, werdet so laut regiert, doch in unserer kleinen Stadt, da lacht man über Euch und Eure Politik. Ich will davon nichts hören, will Soldat sein, und auf meinen Hauptmattn schwören, mehr nicht ..."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/256>, abgerufen am 28.04.2024.