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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Altes und neues Heer

Der Landsknecht.

".. . Flcischerbursche war ich, Schlachtbank und Blut
um mich. Und ein hartes Herz, das hatte ich wohl l Und Tatendurst. Drum ging
ich nach Kurland, uach Ungarn, nach Moskau, nach der Türkei und wieder nach
Ungarn. Nun bin ich Soldat der deutschen Republik. Dieser schwächlichen Re¬
publik. Bah, was gibt's hier für einen meines Schlag's zu tun! Nur Prttge-
lei'n mit Zivilisten! Sonst nichts! MuH wieder Fleischerbursche werden. Muß
wieder an der Schlachtbank.

Die Kameraden, pah; dies weichliche Gelichter. Diese Memmen! Möchte
mit denen keinen Krieg führen! Bin doch der einz'ge in der Kompagnie, der
Mumm hat. Sie schimpfen mich Landsknecht. Laß sie! Aber Wenn's zuzu¬
packen gilt, dann schrei'n sie nach mir. . ."


Der Rummelsolda t.

Kling kling, dumm dumm, kling kling, dünn"
dumm, tsching tsching krärä, tsching tsching. Walzer und Geigen und Clowns.
Karussels und Schaukeln. Würfclbuden, Ausgeschreie, Pauken, Trommeln und
Fanfaren, Trompeten, Militärmusik von nah und fern. Die Spree im Monden^
schein trägt Kähne mit Soldaten, und ihre Mädchen singen leise in die Nacht.

Menschenschlangen vibrieren. Auf den Alleen nur Soldaten, nur Soldaten.

Und die Dirnen so frech und d^e Soldaten so frei: "S'ist einexlei, wir
sind unter uns, jetzt sind wir frei! In der Kaserne, da nimmt man uns wieder
in Schliff, da sind wir wieder Soldaten!"

Aus dem Tanzsaal drüben lockt die Musik. Wir nehmen die Mädchen, zu
Fünfen eine, und nahe der Wald; wir küssen sie toll!

Von ferne mahnt der Zapfenstreich: "Kommiß! Verdammt! Wir müssen
heim!"-------

.... Auf dem Rückweg spricht ein Zivilist uns an. So ein eleganter
Herr mit glattem Gesicht, so ausdruckslos, als hätte, eine flache Hand ihm aufs
Gesicht geschlagen. Er trägt einen Kneifer vor stechenden Augen:
'

"Laßt euch doch nicht einsperren, was haben wir die Republik, was hatte,"
wir Revolution!"

". . . Laß du uus mit der Politik in Ruh'. Wir woll'n Soldaten sein
und sind es gern, drum tragen wir den Zwang, denn wir sind jung', s'ist gut
für uns, daß alles seine Ordnung hat!"


Soldaten-Erotik.

". . . Nun sitze ich im Gefängnis.

Mein Freund und ich hingen seit dem 12. Jahre aneinander wie Brüder.
Wir waren forsche Kerls, uns flogen die Mädchenherzen zu. Doch über alleiö
Mädchen ging uns unsere Freundschaft.

Beruf wählen? Ja, aber nur gemeinsam. Das hatten wir uns seit
frühester Jugend vorgenommen.

Da marschierten die Soldaten durch die Stadt. Wir waren beide 18 Jahr.
Wir sahen zum ersten Male Soldaten. Menschen, eingesperrt in gleiches Maß.
Aber Menschen mit den gleichen Augen. Sahen bei vielen jenen ernsten, tiefen
Glanz in den Augen, von Nebenmann zu Nebenmann, der uns beide, Arthur


Altes und neues Heer

Der Landsknecht.

„.. . Flcischerbursche war ich, Schlachtbank und Blut
um mich. Und ein hartes Herz, das hatte ich wohl l Und Tatendurst. Drum ging
ich nach Kurland, uach Ungarn, nach Moskau, nach der Türkei und wieder nach
Ungarn. Nun bin ich Soldat der deutschen Republik. Dieser schwächlichen Re¬
publik. Bah, was gibt's hier für einen meines Schlag's zu tun! Nur Prttge-
lei'n mit Zivilisten! Sonst nichts! MuH wieder Fleischerbursche werden. Muß
wieder an der Schlachtbank.

Die Kameraden, pah; dies weichliche Gelichter. Diese Memmen! Möchte
mit denen keinen Krieg führen! Bin doch der einz'ge in der Kompagnie, der
Mumm hat. Sie schimpfen mich Landsknecht. Laß sie! Aber Wenn's zuzu¬
packen gilt, dann schrei'n sie nach mir. . ."


Der Rummelsolda t.

Kling kling, dumm dumm, kling kling, dünn»
dumm, tsching tsching krärä, tsching tsching. Walzer und Geigen und Clowns.
Karussels und Schaukeln. Würfclbuden, Ausgeschreie, Pauken, Trommeln und
Fanfaren, Trompeten, Militärmusik von nah und fern. Die Spree im Monden^
schein trägt Kähne mit Soldaten, und ihre Mädchen singen leise in die Nacht.

Menschenschlangen vibrieren. Auf den Alleen nur Soldaten, nur Soldaten.

Und die Dirnen so frech und d^e Soldaten so frei: „S'ist einexlei, wir
sind unter uns, jetzt sind wir frei! In der Kaserne, da nimmt man uns wieder
in Schliff, da sind wir wieder Soldaten!"

Aus dem Tanzsaal drüben lockt die Musik. Wir nehmen die Mädchen, zu
Fünfen eine, und nahe der Wald; wir küssen sie toll!

Von ferne mahnt der Zapfenstreich: „Kommiß! Verdammt! Wir müssen
heim!"-------

.... Auf dem Rückweg spricht ein Zivilist uns an. So ein eleganter
Herr mit glattem Gesicht, so ausdruckslos, als hätte, eine flache Hand ihm aufs
Gesicht geschlagen. Er trägt einen Kneifer vor stechenden Augen:
'

„Laßt euch doch nicht einsperren, was haben wir die Republik, was hatte,»
wir Revolution!"

„. . . Laß du uus mit der Politik in Ruh'. Wir woll'n Soldaten sein
und sind es gern, drum tragen wir den Zwang, denn wir sind jung', s'ist gut
für uns, daß alles seine Ordnung hat!"


Soldaten-Erotik.

„. . . Nun sitze ich im Gefängnis.

Mein Freund und ich hingen seit dem 12. Jahre aneinander wie Brüder.
Wir waren forsche Kerls, uns flogen die Mädchenherzen zu. Doch über alleiö
Mädchen ging uns unsere Freundschaft.

Beruf wählen? Ja, aber nur gemeinsam. Das hatten wir uns seit
frühester Jugend vorgenommen.

Da marschierten die Soldaten durch die Stadt. Wir waren beide 18 Jahr.
Wir sahen zum ersten Male Soldaten. Menschen, eingesperrt in gleiches Maß.
Aber Menschen mit den gleichen Augen. Sahen bei vielen jenen ernsten, tiefen
Glanz in den Augen, von Nebenmann zu Nebenmann, der uns beide, Arthur


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[0257] Altes und neues Heer Der Landsknecht. „.. . Flcischerbursche war ich, Schlachtbank und Blut um mich. Und ein hartes Herz, das hatte ich wohl l Und Tatendurst. Drum ging ich nach Kurland, uach Ungarn, nach Moskau, nach der Türkei und wieder nach Ungarn. Nun bin ich Soldat der deutschen Republik. Dieser schwächlichen Re¬ publik. Bah, was gibt's hier für einen meines Schlag's zu tun! Nur Prttge- lei'n mit Zivilisten! Sonst nichts! MuH wieder Fleischerbursche werden. Muß wieder an der Schlachtbank. Die Kameraden, pah; dies weichliche Gelichter. Diese Memmen! Möchte mit denen keinen Krieg führen! Bin doch der einz'ge in der Kompagnie, der Mumm hat. Sie schimpfen mich Landsknecht. Laß sie! Aber Wenn's zuzu¬ packen gilt, dann schrei'n sie nach mir. . ." Der Rummelsolda t. Kling kling, dumm dumm, kling kling, dünn» dumm, tsching tsching krärä, tsching tsching. Walzer und Geigen und Clowns. Karussels und Schaukeln. Würfclbuden, Ausgeschreie, Pauken, Trommeln und Fanfaren, Trompeten, Militärmusik von nah und fern. Die Spree im Monden^ schein trägt Kähne mit Soldaten, und ihre Mädchen singen leise in die Nacht. Menschenschlangen vibrieren. Auf den Alleen nur Soldaten, nur Soldaten. Und die Dirnen so frech und d^e Soldaten so frei: „S'ist einexlei, wir sind unter uns, jetzt sind wir frei! In der Kaserne, da nimmt man uns wieder in Schliff, da sind wir wieder Soldaten!" Aus dem Tanzsaal drüben lockt die Musik. Wir nehmen die Mädchen, zu Fünfen eine, und nahe der Wald; wir küssen sie toll! Von ferne mahnt der Zapfenstreich: „Kommiß! Verdammt! Wir müssen heim!"------- .... Auf dem Rückweg spricht ein Zivilist uns an. So ein eleganter Herr mit glattem Gesicht, so ausdruckslos, als hätte, eine flache Hand ihm aufs Gesicht geschlagen. Er trägt einen Kneifer vor stechenden Augen: ' „Laßt euch doch nicht einsperren, was haben wir die Republik, was hatte,» wir Revolution!" „. . . Laß du uus mit der Politik in Ruh'. Wir woll'n Soldaten sein und sind es gern, drum tragen wir den Zwang, denn wir sind jung', s'ist gut für uns, daß alles seine Ordnung hat!" Soldaten-Erotik. „. . . Nun sitze ich im Gefängnis. Mein Freund und ich hingen seit dem 12. Jahre aneinander wie Brüder. Wir waren forsche Kerls, uns flogen die Mädchenherzen zu. Doch über alleiö Mädchen ging uns unsere Freundschaft. Beruf wählen? Ja, aber nur gemeinsam. Das hatten wir uns seit frühester Jugend vorgenommen. Da marschierten die Soldaten durch die Stadt. Wir waren beide 18 Jahr. Wir sahen zum ersten Male Soldaten. Menschen, eingesperrt in gleiches Maß. Aber Menschen mit den gleichen Augen. Sahen bei vielen jenen ernsten, tiefen Glanz in den Augen, von Nebenmann zu Nebenmann, der uns beide, Arthur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/257>, abgerufen am 29.04.2024.