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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Das pro und Lontra der Rechtsparteien

bestimmt, höchstens da und dort ein wenig beeinflußt werden kann, im Grunde
aber gegen das Nationale gerichtet ist. So erschwert sie sowohl den RechtS-
schichten die Bildung eines geschlossenen Willens zur Macht, als auch den Links¬
massen den endlichen Durchbruch der Einsicht, daß die deutschen Sozialisten und
Demokraten ein außen- wie innenpolitisch utopisches und schädliches Programm
verfolgen. Bayerns Beispiel hat gezeigt, daß nur die Bildung einer bürgerlich¬
nationalen Einheitsfront unter Ausschluß und Bekämpfung der Sozialdemokratie
Klärung und Gesundung bringen kann.


2. Der Volksparteiler für die Aoalition

Das Beispiel des agrarischen und außenpolitisch verantwortungslosen Bayerns
ist im Reich und auch in Preußen nicht ohne weiteres anwendbar. Die Zeit aber
ist zu drängend und die bevorstehende Katastrophe des Reiches zu schwer, um einen
Erziehungsweg zu verfolgen, der in normalen Zeiten vielleicht Erfolg versprechen
könnte. Es handelt sich in den nächsten Monaten um die Erklärung der Zahlungs¬
unfähigkeit Deutschlands, um den seit 1918 immer wieder hinausgeschobenen
Augenblick, da unsere Lage in ihrer ganzen Furchtbarkeit offenbar wird vor einer
Welt, die dem deutschen Schicksal teils als herzloser Zuschauer, teils als sata¬
nischer Henker gegenübersteht. Es erhebt sich binnen kurzem die Frage, ob über¬
haupt alle Arbeit, die für Deutschland und von Deutschen je geleistet worden
ist, vergeblich war. Die Schicksalsfrage trifft ein unvorbereitetes Geschlecht,
rasch zu immer neuen Einbildungen, hitzig zum Bürgerzwist, zum Teil sogar
eifrig zur Sklaverei. Während die Franzosen das Deutschtum in unser Volk
hineinprügeln, treibt ihm die Politik der Linken den Gemeingeist wieder aus.
Aber wenn in diesem schwersten aller unserer schweren Winter der Bürgerkrieg
vermieden werden soll, so bedarf es des aktiven Eingreifens der Volkspartei. Es
ist nun einmal so, daß in absehbarer Zeit nicht mehr als ein starkes Drittel
Deutschlands Rechtswähler sein werden. Darum treten wir in die unharmonische
Koalition, in der wir Kompromisse schließen müssen, über die unsere Partei viel¬
leicht in Stücke geht. Aber sie werde zertrümmert, ein Teil unserer Gefolgschaft
werde von den Deutschnationalen aufgenommen, wenn nur die Opferung der
Partei inzwischen dem Reiche dienet Wir sind in der Koalition das gute Gewissen
der bürgerlichen Parteien und wir hoffen zu verhüten, daß in der kommenden
Krisis proletarische Einheitsfront und Bürgerfront einander gegenüberstehen. Das
wäre von allem das Schlimmste und der Endsieg des Feindes.


S. Die schwache 5tslle der Deutschnationalen

Sie leben vielleicht mehr in der Vergangenheit und Zukunft, als in der
Gegenwart. Sie haben die Alten und die Jugend für sich, sie haben ausgezeichnete
Leiter und viele führende Köpfe, aber keinen Führer. Gefühlsmäßig ist wenig
Unterschied zwischen den zwei Rechtsparteien; kaum kann man sie dem Temperament
nach ^unterscheiden. Aber wenn gehandelt werden soll und das Herz den Kops
befragt, dann scheiden sich die Wege. Die unzweckmäßige Behandlung der Kredit¬
hilfe im Reichsverband der Industrie ist auf ein Überwiegen deutschnationaler
Stimmung über volksparteiliche Staatsarbeit zurückzuführen. Diese Stimmung


Das pro und Lontra der Rechtsparteien

bestimmt, höchstens da und dort ein wenig beeinflußt werden kann, im Grunde
aber gegen das Nationale gerichtet ist. So erschwert sie sowohl den RechtS-
schichten die Bildung eines geschlossenen Willens zur Macht, als auch den Links¬
massen den endlichen Durchbruch der Einsicht, daß die deutschen Sozialisten und
Demokraten ein außen- wie innenpolitisch utopisches und schädliches Programm
verfolgen. Bayerns Beispiel hat gezeigt, daß nur die Bildung einer bürgerlich¬
nationalen Einheitsfront unter Ausschluß und Bekämpfung der Sozialdemokratie
Klärung und Gesundung bringen kann.


2. Der Volksparteiler für die Aoalition

Das Beispiel des agrarischen und außenpolitisch verantwortungslosen Bayerns
ist im Reich und auch in Preußen nicht ohne weiteres anwendbar. Die Zeit aber
ist zu drängend und die bevorstehende Katastrophe des Reiches zu schwer, um einen
Erziehungsweg zu verfolgen, der in normalen Zeiten vielleicht Erfolg versprechen
könnte. Es handelt sich in den nächsten Monaten um die Erklärung der Zahlungs¬
unfähigkeit Deutschlands, um den seit 1918 immer wieder hinausgeschobenen
Augenblick, da unsere Lage in ihrer ganzen Furchtbarkeit offenbar wird vor einer
Welt, die dem deutschen Schicksal teils als herzloser Zuschauer, teils als sata¬
nischer Henker gegenübersteht. Es erhebt sich binnen kurzem die Frage, ob über¬
haupt alle Arbeit, die für Deutschland und von Deutschen je geleistet worden
ist, vergeblich war. Die Schicksalsfrage trifft ein unvorbereitetes Geschlecht,
rasch zu immer neuen Einbildungen, hitzig zum Bürgerzwist, zum Teil sogar
eifrig zur Sklaverei. Während die Franzosen das Deutschtum in unser Volk
hineinprügeln, treibt ihm die Politik der Linken den Gemeingeist wieder aus.
Aber wenn in diesem schwersten aller unserer schweren Winter der Bürgerkrieg
vermieden werden soll, so bedarf es des aktiven Eingreifens der Volkspartei. Es
ist nun einmal so, daß in absehbarer Zeit nicht mehr als ein starkes Drittel
Deutschlands Rechtswähler sein werden. Darum treten wir in die unharmonische
Koalition, in der wir Kompromisse schließen müssen, über die unsere Partei viel¬
leicht in Stücke geht. Aber sie werde zertrümmert, ein Teil unserer Gefolgschaft
werde von den Deutschnationalen aufgenommen, wenn nur die Opferung der
Partei inzwischen dem Reiche dienet Wir sind in der Koalition das gute Gewissen
der bürgerlichen Parteien und wir hoffen zu verhüten, daß in der kommenden
Krisis proletarische Einheitsfront und Bürgerfront einander gegenüberstehen. Das
wäre von allem das Schlimmste und der Endsieg des Feindes.


S. Die schwache 5tslle der Deutschnationalen

Sie leben vielleicht mehr in der Vergangenheit und Zukunft, als in der
Gegenwart. Sie haben die Alten und die Jugend für sich, sie haben ausgezeichnete
Leiter und viele führende Köpfe, aber keinen Führer. Gefühlsmäßig ist wenig
Unterschied zwischen den zwei Rechtsparteien; kaum kann man sie dem Temperament
nach ^unterscheiden. Aber wenn gehandelt werden soll und das Herz den Kops
befragt, dann scheiden sich die Wege. Die unzweckmäßige Behandlung der Kredit¬
hilfe im Reichsverband der Industrie ist auf ein Überwiegen deutschnationaler
Stimmung über volksparteiliche Staatsarbeit zurückzuführen. Diese Stimmung


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[0266] Das pro und Lontra der Rechtsparteien bestimmt, höchstens da und dort ein wenig beeinflußt werden kann, im Grunde aber gegen das Nationale gerichtet ist. So erschwert sie sowohl den RechtS- schichten die Bildung eines geschlossenen Willens zur Macht, als auch den Links¬ massen den endlichen Durchbruch der Einsicht, daß die deutschen Sozialisten und Demokraten ein außen- wie innenpolitisch utopisches und schädliches Programm verfolgen. Bayerns Beispiel hat gezeigt, daß nur die Bildung einer bürgerlich¬ nationalen Einheitsfront unter Ausschluß und Bekämpfung der Sozialdemokratie Klärung und Gesundung bringen kann. 2. Der Volksparteiler für die Aoalition Das Beispiel des agrarischen und außenpolitisch verantwortungslosen Bayerns ist im Reich und auch in Preußen nicht ohne weiteres anwendbar. Die Zeit aber ist zu drängend und die bevorstehende Katastrophe des Reiches zu schwer, um einen Erziehungsweg zu verfolgen, der in normalen Zeiten vielleicht Erfolg versprechen könnte. Es handelt sich in den nächsten Monaten um die Erklärung der Zahlungs¬ unfähigkeit Deutschlands, um den seit 1918 immer wieder hinausgeschobenen Augenblick, da unsere Lage in ihrer ganzen Furchtbarkeit offenbar wird vor einer Welt, die dem deutschen Schicksal teils als herzloser Zuschauer, teils als sata¬ nischer Henker gegenübersteht. Es erhebt sich binnen kurzem die Frage, ob über¬ haupt alle Arbeit, die für Deutschland und von Deutschen je geleistet worden ist, vergeblich war. Die Schicksalsfrage trifft ein unvorbereitetes Geschlecht, rasch zu immer neuen Einbildungen, hitzig zum Bürgerzwist, zum Teil sogar eifrig zur Sklaverei. Während die Franzosen das Deutschtum in unser Volk hineinprügeln, treibt ihm die Politik der Linken den Gemeingeist wieder aus. Aber wenn in diesem schwersten aller unserer schweren Winter der Bürgerkrieg vermieden werden soll, so bedarf es des aktiven Eingreifens der Volkspartei. Es ist nun einmal so, daß in absehbarer Zeit nicht mehr als ein starkes Drittel Deutschlands Rechtswähler sein werden. Darum treten wir in die unharmonische Koalition, in der wir Kompromisse schließen müssen, über die unsere Partei viel¬ leicht in Stücke geht. Aber sie werde zertrümmert, ein Teil unserer Gefolgschaft werde von den Deutschnationalen aufgenommen, wenn nur die Opferung der Partei inzwischen dem Reiche dienet Wir sind in der Koalition das gute Gewissen der bürgerlichen Parteien und wir hoffen zu verhüten, daß in der kommenden Krisis proletarische Einheitsfront und Bürgerfront einander gegenüberstehen. Das wäre von allem das Schlimmste und der Endsieg des Feindes. S. Die schwache 5tslle der Deutschnationalen Sie leben vielleicht mehr in der Vergangenheit und Zukunft, als in der Gegenwart. Sie haben die Alten und die Jugend für sich, sie haben ausgezeichnete Leiter und viele führende Köpfe, aber keinen Führer. Gefühlsmäßig ist wenig Unterschied zwischen den zwei Rechtsparteien; kaum kann man sie dem Temperament nach ^unterscheiden. Aber wenn gehandelt werden soll und das Herz den Kops befragt, dann scheiden sich die Wege. Die unzweckmäßige Behandlung der Kredit¬ hilfe im Reichsverband der Industrie ist auf ein Überwiegen deutschnationaler Stimmung über volksparteiliche Staatsarbeit zurückzuführen. Diese Stimmung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/266>, abgerufen am 29.04.2024.