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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Das pro und Contra der Rechtsparteien

War an sich berechtigt, ihr Aussprechen, erleichternd im Kreis von Gesinnungs¬
genossen, brachte uns, öffentlich geschehen, nicht vorwärts. Wir können nicht
warten, bis der Strom der Unvernunft der Linken abgelaufen ist, können ihn
auch nicht umleiten, sondern müssen hindurchschwimmen.


q> Die schwache Stelle der Volkspartei

Fruchtbare Kompromisse schließt nur, wer um so fester und klarer das Ziel
sieht. Wirtschaftliche und polititsche Ziele aber verundeutlichen einander nicht
selten. Die deutsche Oberschicht hat sich vom politischen Idealismus der Gro߬
väter zum wirtschaftlichen Optimismus der Enkel entwickelt. Die national¬
liberale Professorenpartei mit ihrem Übermaß von Intellektuellen und Doktrinären
wurde zur großen Wirtschaftspartei mit vielleicht zuviel wirtschaftspolitischer Ein-
stellung und zu wenig geschichtlicher Denkweise. Sie unterschätzt vielleicht bei den
Rettungsmöglichkeiten aus England und Amerika die Schwäche wirtschaftlicher
Argumente gegenüber politischen Leidenschaften und Idealen. Sie überschätzt in
ihrer Verantwortung für Leben und Wohlfahrt ungezählter Millionen, in ihrer
wirtschaftlichen Schöpferkraft vielleicht, was uns an nahen Wegen der Genesung
bleibt. An rasch realisierbare, konkrete Erfolge gewöhnt, unterschätzt sie vielleicht
die geduldige Arbeit und lange Sicht, die Macht langsam wirkender Impondera¬
bilien. Es begegnet diesen Wirtschaftsführern, daß die ganze Wand sinkt, an der
sie einzeln emporsteigen und daß sie erst zu spät an die Fundamente denken. Sie
leben voll in der Gegenwart, rechnen vielleicht aber noch zu wenig mit den
säkularen Maßstäben eines in zweitausend Jahren mehrmals niedergebrochenen
und wieder erstandenen Volks.


5. Die Stärke der Deutschnationalen

In Zeiten solcher Bedrängnis bedarf der nationale Gedanke einer Dienst-
mannschaft, die das Ideal rein und unbedingt, ohne Vermischung mit Tages¬
notwendigkeiten versieht, hochhält und aus der glorreichen Vergangenheit in die
geglaubte Zukunft hinüberträgt. Hätte die Sozialdemokratie von 1860 an fünfzig
Jahre nur Revisionisten zu Führern gehabt, sie hätte niemals die Durchschlags¬
kraft gehabt, welche ihr die Unbedingten gaben. Beim nationalen Gedanken, der
nicht wie der sozialistische eine volksauflösende Utopie, sondern der einzige feste
Fels in unserer Sintflut bleibt, ist es grundsätzlich nicht anders. Der Gegenwart
trotzen ist das Recht der begeisterten Achtzehnjährigen; schon um der zukünftigen
Generation willen könnten wir eine Partei nicht entbehren, welche das Heutige
leidenschaftlich ablehnt. Auch wird ein bisher sozialdemokratischer Arbeiter, dem
die Augen aufgehen, sich im allgemeinen leichter in die deutschnationale als in
die volksparteiliche Stimmung hineinfinden in unserer zum Extremen und Un¬
geheuren neigenden Zeit.


6. Die Stärke der Volkspartei

Sie hat als einzige deutsche Partei derzeit einen wirklichen Führer. Wer
deutsche Eigenbrötelei kennt, ermißt, was das bedeutet. Wer weiß, wie national
empfindlich die Männer der volksparteilichen Fraktionen sind, der kann sich vor¬
stellen, welche Kraft in diesem Führer leben muß. wenn er es immer wieder


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Das pro und Contra der Rechtsparteien

War an sich berechtigt, ihr Aussprechen, erleichternd im Kreis von Gesinnungs¬
genossen, brachte uns, öffentlich geschehen, nicht vorwärts. Wir können nicht
warten, bis der Strom der Unvernunft der Linken abgelaufen ist, können ihn
auch nicht umleiten, sondern müssen hindurchschwimmen.


q> Die schwache Stelle der Volkspartei

Fruchtbare Kompromisse schließt nur, wer um so fester und klarer das Ziel
sieht. Wirtschaftliche und polititsche Ziele aber verundeutlichen einander nicht
selten. Die deutsche Oberschicht hat sich vom politischen Idealismus der Gro߬
väter zum wirtschaftlichen Optimismus der Enkel entwickelt. Die national¬
liberale Professorenpartei mit ihrem Übermaß von Intellektuellen und Doktrinären
wurde zur großen Wirtschaftspartei mit vielleicht zuviel wirtschaftspolitischer Ein-
stellung und zu wenig geschichtlicher Denkweise. Sie unterschätzt vielleicht bei den
Rettungsmöglichkeiten aus England und Amerika die Schwäche wirtschaftlicher
Argumente gegenüber politischen Leidenschaften und Idealen. Sie überschätzt in
ihrer Verantwortung für Leben und Wohlfahrt ungezählter Millionen, in ihrer
wirtschaftlichen Schöpferkraft vielleicht, was uns an nahen Wegen der Genesung
bleibt. An rasch realisierbare, konkrete Erfolge gewöhnt, unterschätzt sie vielleicht
die geduldige Arbeit und lange Sicht, die Macht langsam wirkender Impondera¬
bilien. Es begegnet diesen Wirtschaftsführern, daß die ganze Wand sinkt, an der
sie einzeln emporsteigen und daß sie erst zu spät an die Fundamente denken. Sie
leben voll in der Gegenwart, rechnen vielleicht aber noch zu wenig mit den
säkularen Maßstäben eines in zweitausend Jahren mehrmals niedergebrochenen
und wieder erstandenen Volks.


5. Die Stärke der Deutschnationalen

In Zeiten solcher Bedrängnis bedarf der nationale Gedanke einer Dienst-
mannschaft, die das Ideal rein und unbedingt, ohne Vermischung mit Tages¬
notwendigkeiten versieht, hochhält und aus der glorreichen Vergangenheit in die
geglaubte Zukunft hinüberträgt. Hätte die Sozialdemokratie von 1860 an fünfzig
Jahre nur Revisionisten zu Führern gehabt, sie hätte niemals die Durchschlags¬
kraft gehabt, welche ihr die Unbedingten gaben. Beim nationalen Gedanken, der
nicht wie der sozialistische eine volksauflösende Utopie, sondern der einzige feste
Fels in unserer Sintflut bleibt, ist es grundsätzlich nicht anders. Der Gegenwart
trotzen ist das Recht der begeisterten Achtzehnjährigen; schon um der zukünftigen
Generation willen könnten wir eine Partei nicht entbehren, welche das Heutige
leidenschaftlich ablehnt. Auch wird ein bisher sozialdemokratischer Arbeiter, dem
die Augen aufgehen, sich im allgemeinen leichter in die deutschnationale als in
die volksparteiliche Stimmung hineinfinden in unserer zum Extremen und Un¬
geheuren neigenden Zeit.


6. Die Stärke der Volkspartei

Sie hat als einzige deutsche Partei derzeit einen wirklichen Führer. Wer
deutsche Eigenbrötelei kennt, ermißt, was das bedeutet. Wer weiß, wie national
empfindlich die Männer der volksparteilichen Fraktionen sind, der kann sich vor¬
stellen, welche Kraft in diesem Führer leben muß. wenn er es immer wieder


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[0267] Das pro und Contra der Rechtsparteien War an sich berechtigt, ihr Aussprechen, erleichternd im Kreis von Gesinnungs¬ genossen, brachte uns, öffentlich geschehen, nicht vorwärts. Wir können nicht warten, bis der Strom der Unvernunft der Linken abgelaufen ist, können ihn auch nicht umleiten, sondern müssen hindurchschwimmen. q> Die schwache Stelle der Volkspartei Fruchtbare Kompromisse schließt nur, wer um so fester und klarer das Ziel sieht. Wirtschaftliche und polititsche Ziele aber verundeutlichen einander nicht selten. Die deutsche Oberschicht hat sich vom politischen Idealismus der Gro߬ väter zum wirtschaftlichen Optimismus der Enkel entwickelt. Die national¬ liberale Professorenpartei mit ihrem Übermaß von Intellektuellen und Doktrinären wurde zur großen Wirtschaftspartei mit vielleicht zuviel wirtschaftspolitischer Ein- stellung und zu wenig geschichtlicher Denkweise. Sie unterschätzt vielleicht bei den Rettungsmöglichkeiten aus England und Amerika die Schwäche wirtschaftlicher Argumente gegenüber politischen Leidenschaften und Idealen. Sie überschätzt in ihrer Verantwortung für Leben und Wohlfahrt ungezählter Millionen, in ihrer wirtschaftlichen Schöpferkraft vielleicht, was uns an nahen Wegen der Genesung bleibt. An rasch realisierbare, konkrete Erfolge gewöhnt, unterschätzt sie vielleicht die geduldige Arbeit und lange Sicht, die Macht langsam wirkender Impondera¬ bilien. Es begegnet diesen Wirtschaftsführern, daß die ganze Wand sinkt, an der sie einzeln emporsteigen und daß sie erst zu spät an die Fundamente denken. Sie leben voll in der Gegenwart, rechnen vielleicht aber noch zu wenig mit den säkularen Maßstäben eines in zweitausend Jahren mehrmals niedergebrochenen und wieder erstandenen Volks. 5. Die Stärke der Deutschnationalen In Zeiten solcher Bedrängnis bedarf der nationale Gedanke einer Dienst- mannschaft, die das Ideal rein und unbedingt, ohne Vermischung mit Tages¬ notwendigkeiten versieht, hochhält und aus der glorreichen Vergangenheit in die geglaubte Zukunft hinüberträgt. Hätte die Sozialdemokratie von 1860 an fünfzig Jahre nur Revisionisten zu Führern gehabt, sie hätte niemals die Durchschlags¬ kraft gehabt, welche ihr die Unbedingten gaben. Beim nationalen Gedanken, der nicht wie der sozialistische eine volksauflösende Utopie, sondern der einzige feste Fels in unserer Sintflut bleibt, ist es grundsätzlich nicht anders. Der Gegenwart trotzen ist das Recht der begeisterten Achtzehnjährigen; schon um der zukünftigen Generation willen könnten wir eine Partei nicht entbehren, welche das Heutige leidenschaftlich ablehnt. Auch wird ein bisher sozialdemokratischer Arbeiter, dem die Augen aufgehen, sich im allgemeinen leichter in die deutschnationale als in die volksparteiliche Stimmung hineinfinden in unserer zum Extremen und Un¬ geheuren neigenden Zeit. 6. Die Stärke der Volkspartei Sie hat als einzige deutsche Partei derzeit einen wirklichen Führer. Wer deutsche Eigenbrötelei kennt, ermißt, was das bedeutet. Wer weiß, wie national empfindlich die Männer der volksparteilichen Fraktionen sind, der kann sich vor¬ stellen, welche Kraft in diesem Führer leben muß. wenn er es immer wieder 17*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/267>, abgerufen am 29.04.2024.