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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Warnung für Hoffende

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Paris

Sie lernen jetzt, Herr Bricmd, was Sie als politischer Novize seil 1900.
im Zeichen der Entente Cordiale, bisher nie erfahren konnten, daß Phrasen in'
der Politik nichts bedeuten, sondern nur deren Resonanzboden. Solange Deutsch¬
land eingekreist, besiegt, entwaffnet wurde, fand jede französische Advokatenlüg?
die angelsächsische Weltresonanz. Jetzt stehen Sie isoliert, und welches Pech ver¬
folgt auf einmal jedes Ihrer Worte! Man nennt Ihre Rede ein Kassenstück
und das ans den Erfolg seiner Konferenz eifersüchtige Amerika vermutet in
Ihnen (nicht mehr in Deutschland) den Störer des heiligen Pazifismus. Man
nimmt Ihre früher bejubelten Improvisationen auf einmal krumm, und wenn Sie
auch vielleicht damit rechneten, daß die Engländer Ihre "Sardincnflotte" zur
Propaganda antifrauzösischer Stimmungen verwerten würden, so waren Sie doch
sicher erstaunt, wie sehr jetzt jedes Ihrer Worte in malam partem fällt,
und wie die englischen Journalisten sofort eins Ihrer Worte als Streichholz
benutzen konnten, um auch Rom und Turin in Flackerfeuer gegen Sie zu setzen.
Die Welt ist übler Laune, und je mehr Sie reden, desto bequemer kann man sich
über Sie entrüsten. Wir Deutsche kennen das seit 1904. Wenn man isoliert ist,
muß man so klug sein wie Japan, das sich unterwirft, oder so stark, daß man
seine Ziele aus eigenen Kräften verwirklichen kann. Daß Ihre Soldaten Ihnen
diese Srärkc nicht geben, hat Ihnen jetzt alle Welt einstimmig bescheinigt. Man
spricht wieder von Napoleon, obwohl dieser kein Hohenzoller war, und der mehr¬
fach gestorbene Wilson läßt sich aus dem Grab vernehmen, daß Frankreich wegen
seines Irrsinns einen Krieg mit der Welt werde ausfechten müssen. Frankreich
wird also zum sechsten"al in der Weltgeschichte seine Weltpolitik einstecken
müssen, um sich am Rhein zu behaupten. Hätte Napoleon sich mit Mainz be¬
gnügt, so gäbe es kein Trafalgar.


3.
Washington

Der Genfer Völkerbund ist tot, der Washingtoner wird geboren. Deutsch¬
land und Rußland, kommt her zu mir alle, aber redet nicht zuviel davon, daß
ihr mühselig und beladen seid. Die amerikanische Ausfuhr werden wir schon in
Ordnung bringen und den Weltfrieden sichern. Aber auf unseren Karten großen
Maßstabes finden wir Ortsbezeichnungen wie Saar, Oberschlesien, Memel nicht.
Wenn Frankreich die Flotten- und Türkensachen einpackt, die es vielleicht nur auf¬
gestellt hat, um England Kompensationen auf Kosten Deutschlands anbieten zu
können, dann gibt Fons mit seinem Uankee-Ehrensäbel vielleicht einen ganz brauch-
baren Kompagniefeldwebel für das kleine Festlandseuropa ab.


4.
(Lhequers

An Stelle Millerands ist Stinnes über Sonntag auf des Premierministers
Landsitz gewesen, obwohl "Rote Fahne" und "Frankfurter Zeitung" mit gewohntem
nationalen Verantwortungsgefühl in vornehm kluger Weise schon im voraus die
heimische Atmosphäre und die feindliche Auslandspresse mit Verdächtigungen gegen


Warnung für Hoffende

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Paris

Sie lernen jetzt, Herr Bricmd, was Sie als politischer Novize seil 1900.
im Zeichen der Entente Cordiale, bisher nie erfahren konnten, daß Phrasen in'
der Politik nichts bedeuten, sondern nur deren Resonanzboden. Solange Deutsch¬
land eingekreist, besiegt, entwaffnet wurde, fand jede französische Advokatenlüg?
die angelsächsische Weltresonanz. Jetzt stehen Sie isoliert, und welches Pech ver¬
folgt auf einmal jedes Ihrer Worte! Man nennt Ihre Rede ein Kassenstück
und das ans den Erfolg seiner Konferenz eifersüchtige Amerika vermutet in
Ihnen (nicht mehr in Deutschland) den Störer des heiligen Pazifismus. Man
nimmt Ihre früher bejubelten Improvisationen auf einmal krumm, und wenn Sie
auch vielleicht damit rechneten, daß die Engländer Ihre „Sardincnflotte" zur
Propaganda antifrauzösischer Stimmungen verwerten würden, so waren Sie doch
sicher erstaunt, wie sehr jetzt jedes Ihrer Worte in malam partem fällt,
und wie die englischen Journalisten sofort eins Ihrer Worte als Streichholz
benutzen konnten, um auch Rom und Turin in Flackerfeuer gegen Sie zu setzen.
Die Welt ist übler Laune, und je mehr Sie reden, desto bequemer kann man sich
über Sie entrüsten. Wir Deutsche kennen das seit 1904. Wenn man isoliert ist,
muß man so klug sein wie Japan, das sich unterwirft, oder so stark, daß man
seine Ziele aus eigenen Kräften verwirklichen kann. Daß Ihre Soldaten Ihnen
diese Srärkc nicht geben, hat Ihnen jetzt alle Welt einstimmig bescheinigt. Man
spricht wieder von Napoleon, obwohl dieser kein Hohenzoller war, und der mehr¬
fach gestorbene Wilson läßt sich aus dem Grab vernehmen, daß Frankreich wegen
seines Irrsinns einen Krieg mit der Welt werde ausfechten müssen. Frankreich
wird also zum sechsten«al in der Weltgeschichte seine Weltpolitik einstecken
müssen, um sich am Rhein zu behaupten. Hätte Napoleon sich mit Mainz be¬
gnügt, so gäbe es kein Trafalgar.


3.
Washington

Der Genfer Völkerbund ist tot, der Washingtoner wird geboren. Deutsch¬
land und Rußland, kommt her zu mir alle, aber redet nicht zuviel davon, daß
ihr mühselig und beladen seid. Die amerikanische Ausfuhr werden wir schon in
Ordnung bringen und den Weltfrieden sichern. Aber auf unseren Karten großen
Maßstabes finden wir Ortsbezeichnungen wie Saar, Oberschlesien, Memel nicht.
Wenn Frankreich die Flotten- und Türkensachen einpackt, die es vielleicht nur auf¬
gestellt hat, um England Kompensationen auf Kosten Deutschlands anbieten zu
können, dann gibt Fons mit seinem Uankee-Ehrensäbel vielleicht einen ganz brauch-
baren Kompagniefeldwebel für das kleine Festlandseuropa ab.


4.
(Lhequers

An Stelle Millerands ist Stinnes über Sonntag auf des Premierministers
Landsitz gewesen, obwohl „Rote Fahne" und „Frankfurter Zeitung" mit gewohntem
nationalen Verantwortungsgefühl in vornehm kluger Weise schon im voraus die
heimische Atmosphäre und die feindliche Auslandspresse mit Verdächtigungen gegen


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[0298] Warnung für Hoffende 2> Paris Sie lernen jetzt, Herr Bricmd, was Sie als politischer Novize seil 1900. im Zeichen der Entente Cordiale, bisher nie erfahren konnten, daß Phrasen in' der Politik nichts bedeuten, sondern nur deren Resonanzboden. Solange Deutsch¬ land eingekreist, besiegt, entwaffnet wurde, fand jede französische Advokatenlüg? die angelsächsische Weltresonanz. Jetzt stehen Sie isoliert, und welches Pech ver¬ folgt auf einmal jedes Ihrer Worte! Man nennt Ihre Rede ein Kassenstück und das ans den Erfolg seiner Konferenz eifersüchtige Amerika vermutet in Ihnen (nicht mehr in Deutschland) den Störer des heiligen Pazifismus. Man nimmt Ihre früher bejubelten Improvisationen auf einmal krumm, und wenn Sie auch vielleicht damit rechneten, daß die Engländer Ihre „Sardincnflotte" zur Propaganda antifrauzösischer Stimmungen verwerten würden, so waren Sie doch sicher erstaunt, wie sehr jetzt jedes Ihrer Worte in malam partem fällt, und wie die englischen Journalisten sofort eins Ihrer Worte als Streichholz benutzen konnten, um auch Rom und Turin in Flackerfeuer gegen Sie zu setzen. Die Welt ist übler Laune, und je mehr Sie reden, desto bequemer kann man sich über Sie entrüsten. Wir Deutsche kennen das seit 1904. Wenn man isoliert ist, muß man so klug sein wie Japan, das sich unterwirft, oder so stark, daß man seine Ziele aus eigenen Kräften verwirklichen kann. Daß Ihre Soldaten Ihnen diese Srärkc nicht geben, hat Ihnen jetzt alle Welt einstimmig bescheinigt. Man spricht wieder von Napoleon, obwohl dieser kein Hohenzoller war, und der mehr¬ fach gestorbene Wilson läßt sich aus dem Grab vernehmen, daß Frankreich wegen seines Irrsinns einen Krieg mit der Welt werde ausfechten müssen. Frankreich wird also zum sechsten«al in der Weltgeschichte seine Weltpolitik einstecken müssen, um sich am Rhein zu behaupten. Hätte Napoleon sich mit Mainz be¬ gnügt, so gäbe es kein Trafalgar. 3. Washington Der Genfer Völkerbund ist tot, der Washingtoner wird geboren. Deutsch¬ land und Rußland, kommt her zu mir alle, aber redet nicht zuviel davon, daß ihr mühselig und beladen seid. Die amerikanische Ausfuhr werden wir schon in Ordnung bringen und den Weltfrieden sichern. Aber auf unseren Karten großen Maßstabes finden wir Ortsbezeichnungen wie Saar, Oberschlesien, Memel nicht. Wenn Frankreich die Flotten- und Türkensachen einpackt, die es vielleicht nur auf¬ gestellt hat, um England Kompensationen auf Kosten Deutschlands anbieten zu können, dann gibt Fons mit seinem Uankee-Ehrensäbel vielleicht einen ganz brauch- baren Kompagniefeldwebel für das kleine Festlandseuropa ab. 4. (Lhequers An Stelle Millerands ist Stinnes über Sonntag auf des Premierministers Landsitz gewesen, obwohl „Rote Fahne" und „Frankfurter Zeitung" mit gewohntem nationalen Verantwortungsgefühl in vornehm kluger Weise schon im voraus die heimische Atmosphäre und die feindliche Auslandspresse mit Verdächtigungen gegen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/298>, abgerufen am 29.04.2024.